Da er als besonderes Talent galt, wurde er von der Universität zusätzlich mit der Vertretung bei besonderen Kongressen betraut. Sein Dekan Professor Welger beauftragte ihn deshalb, auf einem ausgewählten speziellen Kongress die Universität zu vertreten.
Als Schellberg aus dem Flughafengebäude in die brütende Hitze Kaliforniens trat, wäre er am liebsten wieder umgedreht. Die Sonne stand bereits tief und trotzdem war es immer noch heiss und stickig. Johann war schon oft in Amerika, aber noch nie in Kalifornien.
San Francisco hatte er sich anders vorgestellt. Er hatte eine frische Brise vom Meer erwartet und nicht diese abgestandene Großstadtluft.
Er schleppte seinen riesigen Trolli zu einem der Abfahrtspunkte der Airportshuttles. Die blauen Kleinbusse wurden in der Regel mit Menschen und Gepäck vollgestopft. Ein ständig mit mehreren Handys telefonierender Fahrer, kutschierte die Passagiere unermüdlich zu ihren Hotels. Das war praktisch, bezahlbar, aber nicht besonders komfortabel. Der Sitz in seinem Shuttlebus war so durchgesessen, das Johann bei jeder Bodenwelle schmerzhaft mit den Stahlstreben Bekanntschaft schloss. Aber die Shuttles waren pünktlich und sehr zuverlässig.
Der Fahrer, ein Südamerikaner, der kaum verständliches Englisch sprach, setzte ihn vor seinem Hotel in der Down Town ab.
Das Delaware Hilton Palace. Johann Schellberg war überrascht. Für einen Wissenschaftskongress hatte man einen noblen Ort gewählt.
Die Universitäten in USA wurden traditionell von der privaten Industrie und Wirtschaft unterstützt. Sie konnten es sich leisten, etwas Besonderes zu bieten. Eine von diesen amerikanischen, renommierten Universitäten hatte zu diesem besonderen Kongress eingeladen.
Noch am selben Abend gab es einen kleinen Stehempfang, um den Teilnehmern Gelegenheit zu geben, sich kennen zu lernen. Die Organisatoren hatten weltweit die Eliten der jeweiligen Universitäten gesucht und eingeladen. Insgesamt tummelten sich aber nur weniger als Hundert Wissenschaftler in dem Kongresssaal. Es war eine bunte Gemeinde, die sich eingefunden hatte. Es waren Teilnehmer aus allen Fakultäten gekommen. Die Organisatoren wollten nicht nur einseitige Fachmeinungen diskutieren, sondern heikle Themen mit Juristen, Religionswissenschaftlern, Sozialwissenschaftlern, Ingenieuren, Philosophen, Kunstprofessoren, kurz mit der ganzen Bandbreite der Wissenschaft erörtern.
Das Thema über das konferiert werden sollte, wurde als äußerst heikel und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, bezeichnet. Um strenge Diskretion hatte man bereits bei der Einladung gebeten. Es ging, soviel hatte sich bereits herumgesprochen, um die Zukunft und um dementsprechend viel Geld.
Die Gerüchte kursierten, dass es sich um hohe Summen von Forschungsgeldern handelte, die bei dem Kongress ausgelobt werden sollten. Vor allem deshalb hatten viele Universitäten ihre besten Leute geschickt.
Professor Dr. Nicolas Messco, war der Leiter dieses doch recht ungewöhnlichen Kongresses. Messco stammte aus den USA, er war ein Stipendiat der Universität Harvard. Dr. Messco, 59 Jahre alt, eine gedrungene kräftige Gestalt, mit blauen, hellen, wachen Augen und einer Vollglatze. Er lehrte an der renommierten Universität von Harvard.
Das Stimmengewirr der Anwesenden wurde von den dicken Teppichböden in dem Raum stark gedämpft. Niemand bemerkte wie Messco das Rednerpult betrat. Als er unvermittelt in das Mikrofon sprach, war seine Stimme so laut und von überall her zu hören, dass die Gespräche augenblicklich verstummten. Die Gesprächsgruppen lösten sich rasch auf und diszipliniert nahmen alle ihre Plätze ein. Einige griffen zu den Kopfhörern, obwohl die internationale Sprache der Wissenschaft Englisch war und jeder der Teilnehmer diese Sprache fließend beherrschte. Messco wartete noch einige Momente bis nur noch vereinzeltes Hüsteln zu hören war, bevor er mit seiner Ansprache begann.
„Hallo, zusammen, es freut mich sie alle hier zu sehen. Ich hoffe sie hatten einen guten Flug und geniessen das schöne Wetter hier in Kalifornien. Mein Name ist Nicholas Messco von der Universität Harvard. Ich darf sie durch den Kongress begleiten und wünsche uns im Namen der Organisatoren viel Erfolg dabei.
Das Thema unserer Zusammenkunft wird vielen von ihnen nicht viel zu sagen haben. Es wurde ein sehr simpler Begriff gewählt:
,Terra‘
Das ist unser Motto. Es ist eine Kurzbezeichnung unseres Auftrages. Diesen Forschungsauftrag haben die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, viele westliche Länder, aber auch eine hohe Zahl an Staaten die nicht näher genannt werden wollen, ins Leben gerufen und mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet. Ein Teil der Mittel wurde auch aus der privaten Wirtschaft generiert. Unser Schirmherr und weiterer Geldgeber ist die UNO und die WHO.
Um was geht es konkret?
Die Welt, die Weltbevölkerung, wir alle, stecken in einem Dilemma. Dies haben nicht nur einige Regierungen schon lange erkannt, auch in unseren Kreisen ist diese Problematik hinreichend bekannt. Wie sollen wir unsere Probleme in Zukunft lösen? Wie werden wir der wachsenden Weltbevölkerung her? Welche Maßnahmen müssen wir ergreifen um unsere Ressourcen vor der gnadenlosen und restlosen Ausbeutung zu schützen? Wie schaffen wir es, dass in 20 bis 30 Jahren 15 oder gar 20 Milliarden Menschen in Wohlstand leben können und ausreichend ernährt werden können?
Diese und viele andere Fragen gilt es nun zu klären. Die UNO und unsere Auftraggeber, eine sehr große Anzahl von Staaten, erwartet von uns Antworten. Die Leute von der WHO machen sich große Sorgen, wie die Nahrungsmittelversorgung in einigen Jahrzehnten bewerkstelligt werden soll. Sie alle erwarten ein zukunftsfähiges Konzept. Einen gangbaren Weg, den die Welt beschreiten muss.
Wir werden, nachdem wir mit den Wortmeldungen durch sind, Arbeitsgruppen bilden. Ich möchte sie bitten, sich hierzu schon mal Gedanken zu machen. Es ist ferner angedacht, die Arbeitsgruppen im dreimonatigen Rhythmus zusammenkommen zu lassen, um die Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten.
Ich darf sie noch darauf hinweisen, dass unser Projekt der allerstrengsten Geheimhaltung unterliegt. Das liegt daran, dass keine halbfertigen und unausgegorenen Konzepte oder Ideen an die Öffentlichkeit, namentlich unsere Freunde von der Presse gelangen. Eine strikte Geheimhaltung sichert uns allen ein weitgehend ungestörtes Arbeiten ohne Einflussnahme von Außen.
Ich möchte ihnen viel Spass bei unserem Kongress wünschen und bitte um zahlreiche Wortmeldungen.
Vielen Dank.“
Unter Applaus verliess er die Bühne, winkte ins Publikum und setzte sich in die erste Reihe auf einen freien Platz.
Es bedarf noch ein paar Aufforderungen von Dr. Messco, bis sich zögerlich die Ersten aufs Podium wagten. Es folgte ein Reigen an Rednern aus der ganzen Welt. Die Kommentare und kurzen Ansprachen waren größtenteils positiver Natur. Einige sahen sich aufgefordert die Federführung der USA zu kritisieren. Andere sahen wenige Möglichkeiten in den globalen Kreislauf einzugreifen, weil Weltwirtschaft und Weltbevölkerung einer nicht steuerbaren Dynamik unterlagen.
Dr. Schellberg hatte sich nicht zu Wort gemeldet. Er fühlte sich ein wenig fehl am Platz. Er hatte keine Lust, sich um das Wohl und Weh des Planeten Erde und seiner Bewohner zu kümmern. So recht wusste er nicht, warum ihn seine Universität, namentlich Robert Welger, hierher geschickt hatte.
Am späten Abend formierten sich trotz des verhaltenen Beginns, erste Arbeitsgruppen. Dr. Messco und seine Leute waren unablässig unterwegs, um die anwesenden Wissenschaftler einzustimmen und ihnen Details zu erläutern. Dr. Schellberg kannte einige Teilnehmer flüchtig von anderen Kongressen. Aber die meisten sah er zum ersten Mal in seinem Leben.
Messco trat zu ihnen, begrüßte jeden einzelnen mit Handschlag und bat sie zu einer kurzen Unterredung.
Читать дальше