Wir, die Menschen haben den Planeten Erde erobert, wir haben ihn nahezu komplett ausgebeutet. Unser Verbrauch an Ressourcen ist gelinde gesagt: enorm. Wir wollen doch alle weiterhin in Wohlstand leben. Oder nicht?
Und damit das so bleibt, sich sogar noch steigern kann, müssen wir eine kleine, man beachte das Wort ‚kleine’ Änderung einleiten. Zukünftige Generationen werden ein Leben in paradiesischer Form verbringen. Wie soll das gehen?
Ganz einfach. Der Mensch ist zu groß geworden. Viel zu groß. Daher ist es nötig geworden gegenzusteuern. Nachdem die Aufschlüsselung des menschlichen Erbgutes nun größtenteils gelungen ist, eröffnen sich den Molekularbiologen unzählige Möglichkeiten Einfluss zu nehmen.
Vor allem die Wachstumsgene haben es uns Forschern angetan. Und was sage ich: Es ist gelungen.
Einige Tierversuche gehörten natürlich dazu. Das niedliche Kätzchen hier ist eins davon. Putzig gell?
Nach zugegebenen zu großen Erwartungen und damit verbunden Rückschlägen, haben wir die Probleme inzwischen umfassend gelöst. Die wichtigsten Politiker auf der Erde waren daher schnell überzeugt. Einer langfristigen angelegten Verkleinerung der Menschheit steht somit nichts mehr im Wege.“
Dr. Timmen legt eine Pause ein und lächelte der Familie zu. Die saß gespannt da und betrachtete mit offenen Mündern die Grafik auf der Leinwand. Dort waren zwei unterschiedlich große Menschen nebeneinander abgebildet.
„Der Homo Sapiens Minimus, so wird er wahrscheinlich genannt werden, besitzt nahezu alle Fähigkeiten eines normal gewachsenen Menschen. Er wird ungefähr 50 cm groß und im Regelfall maximal 25 KG schwer. Seine körperliche Leistungsfähigkeit übertrifft bei weitem das von einem viermal so großen Menschen. Die geringere Schwerkraft hilft ihm dabei. Sein Nahrungsbedarf wird logischerweise auch nur ein Viertel betragen. Stellen sie sich das nur einmal vor, wie groß die Natur für die Menschen wird. Ich sage nur phan-tas-tisch. Wir haben plötzlich Platz. Keine kleinen, zu engen Mietwohnungen mehr. Nein, da wo heute dicht gedrängt die Menschen zusammengepfercht hocken, wird Platz sein. Platz in Hülle und Fülle. Dazu kommt der wirtschaftliche Boom, den wir auslösen werden, dieser wird wie ein gigantisches Erdbeben um die Welt zittern. Aus einem Auto werden vier oder sogar sechs. Die Kräfte, die bei Unfällen auftreten, werden ja um einige Faktoren kleiner. Alles wird kleiner und besser, sicherer. Glauben sie mir. Alleine der Umbau zur kleineren Generation wird Milliarden an Arbeitskräften beschäftigen.“
Dr. Timmen nickte ihnen zu.
„Es wird im Übrigen von der WHO und der UNO ein Stichtag festgelegt, an dem sich die nationalen Regierungen verpflichten werden, ihre jeweilige Bevölkerung zu impfen, so dass nur noch kleine Erdenbürger auf die Welt kommen. Notfalls wird das eben mit Gewalt durchgesetzt. Militärische Einsätze, auch im Inneren, verabschiedete die UNO in einer Geheimsitzung. Der Plan ist kühn, ich weiß, aber notwendig um das Überleben der Menschheit zu sichern.
Alle beteiligten Regierungen, haben sich dazu durchgerungen diesen Schritt zu wagen. Die Ressourcen des Planeten Erde sind eben leider endlich. Die freiwillige Verkleinerung der Menschen ist ein Schritt in die richtige Richtung für eine grandiose Zukunft. Alle Menschen werden von den gigantischen Vorteilen profitieren.
Nach nur zwei Generationen, so der Plan, wird es nur noch vereinzelt ‚große’ Menschen geben. Für die neuen ‚kleinen’ Bewohner der Erde werden phantastische Zeiten anbrechen.
Daher steht das Projekt unter dem Motto:
‚Der Mensch muss kleiner werden’
merken sie sich dieses Motto gut, es wird sie noch viele Jahre begleiten.“
Der Spruch leuchtete grell von der weißen Wand. Es war total still. Nur das winzige Kätzchen miaute piepsend und ängstlich in seinem Körbchen. Auf einmal begannen die Mädchen zu kichern und loszuprusten. Die Eltern Grodberg sahen sich an und ihre lachenden Kinder. Sie wurde angesteckt und stimmten mit ein. Anfangs lachten nur die Grodbergs. Dann brachen alle in ein großes Gelächter aus.
Dr. Timmen und die Security-Männer die er mitgebracht hatte, alle lachten und lachten. Endlos lange. Plötzlich schob Dr. Timmen seine Designerbrille etwas nach vorne und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln.
Sein Blick wurde ernst, das Gelächter verstummte, er drückte auf die Fernbedienung um den Beamer auszuschalten. Mit Schwung drehte er sich um, nahm das Katzenkörbchen und ging zur Tür. Seine Wachmänner hatten sie ihm schon aufgehalten. Bevor er mit ihnen verschwand, drehte er sich noch mal um und verkündete mit fester Stimme:
„Ihr dürft hier bleiben bis zum Tag X.“
Peter sprang auf und rannte zur Tür. Sie war bereits versperrt. Er klopfte mit beiden Fäusten dagegen.
„Ja spinnt ihr denn?“
Die Mädchen kicherten schon wieder. Nur Karin saß regungslos da. Peter ging zu ihr und legte den Arm um sie.
Nun saßen sie aber ordentlich in der Bredouille.
Kapitel 2
Der Kongress
Etwa fünf Jahre vor diesem Nachmittag
Dr. Johann Baptist Schellberg, ein junger ehrgeiziger Biologe, arbeitete in einem Forschungsinstitut der Würzburger Universität.
Dr. Schellberg, groß gewachsen, sehr schlank, mit einer kräftigen markanten Nase und braunen wenig ausdrucksstarken Augen, war insgesamt nicht sonderlich beliebt. Er hatte unter den Doktoranden, den Studenten und seinen Assistenten, den Ruf eines arroganten, besserwisserischen Ekels. Schon seit seiner Kindheit war er ein Außenseiter, der sich nicht viel aus anderen Menschen machte. Die Bücher, die Wissenschaft war seine Welt. Sie faszinierte ihn wie nichts anderes auf dieser Welt.
Dr. Schellberg war jedoch auf seine Art ein Genie. Er war extrem wissbegierig und ausdauernd, was seine Forschungsarbeiten betraf. Einer der niemals aufgeben würde, bevor er nicht Erfolge vorweisen kann.
Seine Habilitation, seine Professur, stand unmittelbar bevor. Er genoss das Wohlwollen der Universität und dessen Dekan, Professor Robert Welger. Unter seiner Leitung erhoffte sich die Universität, durch die Förderung eines Talents wie das von Dr. Schellberg ein größeres internationales Renommee.
Welchen Umgang Schellberg wiederum mit seinen Mitarbeitern pflegte, war in diesem Fall von geringer Bedeutung.
Würde man ihn mit den Biologen des 19. Jahrhunderts vergleichen, würde er ohne Zweifel einen Spitzenplatz in der Wissenschaft einnehmen. Denn Schellberg hatte völlig neue Entschlüsselungstechniken entwickelt und angewandt, um hinter die Geheimnisse der Gene zu kommen. Er wollte es ganz genau wissen, welche Bedeutung die Bausteine der Zellen im Einzelnen besitzen.
Sein Spezialgebiet lag im Bereich der Molekularbiologie. Hier sah Schellberg die allergrößten Möglichkeiten. Moralische oder ethische Bedenken interessierten ihn nicht. Für ihn zählte nur die Machbarkeit. Das Wissen um die Konstruktion der Lebewesen hatte ihn schon früh fasziniert. Die in den letzten Jahren immer weiter fortschreitende Entschlüsselung von Gensequenzen der höher entwickelten Säugetiere und auch des Menschen lockte ihn. Sie trieb ihn voran. Er forschte um etwas zu entdecken. Aber nicht nur die reine Entdeckerfreude drängte ihn, nein auch das Gefühl Geheimnissen auf der Spur zu sein.
Die Geheimnisse des Lebens. Gepackt in DNA Stränge. Er konnte es gar nicht abwarten, in diese Strukturen wissentlich einzugreifen.
Den ihm unendlich erscheinenden Möglichkeiten etwas zu verändern, war er in seiner Forschungsarbeit schon sehr nahe gekommen. Insgeheim erhoffte er sich für seine Arbeiten, um seine wissenschaftliche Laufbahn einmal zu krönen, den Nobelpreis.
Denn niemand zuvor, außer ihm, hatte weite Teile des menschlichen Genoms so katalogisiert, so detailliert zugeordnet, wie das kleine erlesene Team um Dr. Schellberg.
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