Der Paragraphendschungel läßt einen Zustand der Rechtlosigkeit eintreten. Schon seit eh und je wird die Erfahrung gemacht und beschrieben, daß das Vorhaben, alles regeln zu wollen, nicht nur mißlingt, sondern Schaden anrichtet. Laotse wird der vielfach bestätigte Satz zugeschrieben: „In einem Staat gibt es um so mehr Räuber und Diebe, je mehr Gesetze und Vorschriften es in ihm gibt.“ .
Und wer sein Recht sucht gegen einen Mitbürger, gegen ein Unternehmen oder gar gegen ein staatliches Organ, der benötigt viel Zeit, mindestens ein Jahrzehnt, und viel Geld. Und daß er das Urteil der höchstrichterlichen Instanz dann als gerecht empfindet, ist immer seltener zu vermelden. Diese Erfahrung hat offensichtlich schon Cicero gemacht: „summum ius, summa iniuria“ ( Je mehr Gesetze es gibt, um so mehr Ungerechtigkeit entsteht).
„Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand“, lautet eine alte Juristenweisheit. Ralf Eschelbach, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, schätzt in seinem Strafprozessrechtskommentar vom Mai 2011 die Quote der Fehlurteile von deutschen Gerichten auf ein Viertel.
Die Digitalisierung bringt „Legal Tech“ hervor. Ist der Fall aufgeklärt, sagt ein Algorithmus, wie er zu entscheiden ist. Roboteranwälte beschleunigen einen Prozeß und machen ihn bezahlbar. Aber kann widersprüchliches Recht adäquate Urteile liefern?
Die Bemühung, Gerechtigkeit herzustellen, ist vorhanden und beträchtlich. Ihr Erfolg ist niederschmetternd.
Die moderne Demokratie kennt kein Scherbengericht. Schlimmer, sie kennt auch keine freie Presse.Der Staat, die Schicht, die ihn trägt, wirkt direkt oder indirekt auf jede in der Öffentlichkeit verbreitete Äußerung ein - verständlicherweise.
Wie es um die „vierte Gewalt“ in der vermeintlich freiheitlichsten Demokratie der Welt bestellt ist, schilderte schon in deren Jugendjahren John Swinton (1829-1901) in seiner Abschiedsrede vor seiner Pensionierung:
“ Es gibt hier und heute in Amerika nichts, was man als unabhängige Presse bezeichnen könnte. Sie wissen das und ich weiß das. Es gibt keinen unter Ihnen, der es wagt seine ehrliche Meinung zu schreiben, und wenn Sie sie schrieben, wüssten Sie im voraus, dass sie niemals gedruckt würde. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, meine ehrliche Überzeugung aus der Zeitung, der ich verbunden bin, herauszuhalten. Anderen von Ihnen werden ähnliche Gehälter für ähnliches gezahlt, und jeder von Ihnen, der so dumm wäre, seine ehrliche Meinung zu schreiben, stünde auf der Straße und müsste sich nach einer anderen Arbeit umsehen. Würde ich mir erlauben, meine ehrliche Meinung in einer Ausgabe meiner Zeitung erscheinen zu lassen, würden keine vierundzwanzig Stunden vergehen und ich wäre meine Stelle los. Das Geschäft von uns Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, freiheraus zu lügen, zu verfälschen, zu Füßen des Mammons zu kriechen und unser Land und seine Menschen fürs tägliche Brot zu verkaufen. Sie wissen es, ich weiß es; wozu der törichte Trinkspruch auf die unabhängige Presse? Wir sind die Werkzeuge und Vasallen reicher Menschen hinter der Szene. Wir sind die Marionetten, sie ziehen die Schnüre und wir tanzen. Unsere Talente, unsere Fähigkeiten und unsere Leben sind alle das Eigentum anderer. Wir sind intellektuelle Prostituierte. ”
Unübersehbar wird in westlichen Medien ausschließlich staatskonform diskutiert. Die Aufdeckung des Watergate-Skandals durch zwei mutige Reporter (Bob Woodward und Carl Bernstein) war eine rühmliche Ausnahme - nicht ungefährlich für die beiden.
Zwei ehemalige Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks (NDR), Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam, bezeichnen die Berichterstattung ihres Senders als regierungsfromm. tendenziös, agitatorisch, propagandistisch und desinformativ (Im Interview mit Marcus Klöckner am 3.4.2016, auf heise online).
Politische Fehlentscheidungen, sei es aus moralischer, zweckmäßiger oder nachhaltiger Sicht, bleiben von den maßsetzenden Medien so gut wie unbemerkt. Nicht selten sogar verleihen Presse und Sender politischen Sünden publizistisch Rechtfertigung. So unlängst geschehen, als es darum ging, Waffen in Krisengebiete zu liefern, das Militär gegen die eigenen Bürger einzusetzen oder ungehemmt Geld zu drucken.
Was dagegen die Spalten und Sendungen füllt, sind Fragestellungen, die dem privaten Bereich entwachsen und gegenwärtig alles andere als bedeutend sind. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander und die öffentliche Anerkennung sexueller Praktiken werden heiß diskutiert. Auf den Mattscheiben sorgen „Krimis“ und belanglose Plauschereien für Ablenkung. Und schlimm um die Staaten stünde es, wenn es den Sport nicht gäbe.
Mehr und mehr geht es darum, gegen die zunehmende Angst der Bürger um ihre Existenz anzuargumentieren. Glaubt man den vorherrschenden Veröffentlichungen, ist alles nicht so schlimm oder es hat sogar positive Auswirkungen. Von berechtigter Sorge will kaum eine Zeitung, kein öffentlicher Sender etwas wissen. Vor Hysterie, vor Panik sei zu warnen.
Der Journalist muß nicht nur vermeiden, das staatlich gesetzte, seinem Selbst verpflichtete Recht zu verletzen, was ihn vor den Kadi brächte, er darf auch dem Verleger nicht widersprechen, der seine eigenen Interessen verficht. Darüber hinaus darf er die Werbekunden seines Blattes nicht vergraulen. Praktisch bedeutet dies, daß er nirgends anecken darf. Viele Informationsverbreiter daher beschränken sich darauf auszustreuen, was ihnen die offiziellen Agenturen an „rechtsgesicherten“ Meldungen unterbreiten. Diese aber sind von staatstreuen Stellen in den USA gesteuert. Der schon erwähnte Paul Craig Roberts erklärt seit Jahren, daß die Europäische Union (EU) ein Teil des US-Imperiums sei und deren Medien von der US-Regierung „controlled“ würden.
Markus Gärtner trägt eine Vielzahl von Beispielen zusammen, in denen absichtlich falsch informiert wurde (in seinem Buch „Lügenpresse“ , Kopp Verlag, Rottenburg am Neckar, 2015).
„ Jede Regierung lügt!“ behauptet Isidor Feinstein Stone, ein US-Journalist. Auf seiner Webseite gibt er darüber eindrucksvoll Auskunft.
Es gibt in den USA kein Grundrecht, das heftiger verteidigt wird als das, das the freedom of speech heißt. Doch neben der schon beschriebenen Beschränkung treten ihr neuerdings „Antidiskriminierungsstatuten“ entgegen. Diese bestrafen dünnhäutig jede Bemerkung, die irgendein Angehöriger einer ethnischen, religiösen oder ethischen (sexuellen) Minderheit als verletzend empfinden könnte.
Meinungsfreiheit kann die moderne Demokratie nicht dulden. Das Eigeninteresse ihrer Sachwalter verlangt, die Informationsverbreiter eng an die Kette zu legen. Der „political correctness“ haben alle Schrift und Wortbeiträge zu genügen.
Nebenbei feiern Anzeichen der Dekadenz fröhliche Urständ. Nie zuvor hat Triviales und Kurioses im gleichen Maß die Gemüter erhitzt. Der Zeitgeist ereifert sich an Meinungsverschiedenheiten, deren Abgleich oder Schlichtung aus nachhaltiger Sicht weder nötig noch nützlich ist. Dennoch werden die diesbezüglichen Positionen mit Inbrunst verfochten - bis zum Meinungsterror. Tatsächlich erträgt der Zustand der Erdzivilisation Toleranz nicht mehr. Just was ihn betrifft jedoch bleibt der Mainstream lax.
Nebensächliches und Beiläufiges füllen die Spalten der Printmedien und beherrschen die Plaudereien der Talkshows. Comedy im Übermaß verniedlicht den Verfall.
Hin und wieder wirft ein Berichterstatter angewidert das Handtuch. So der deutsche Journalist Dr. Udo Ulfkotte. Er schildert ausführlich, wie weitgehend jeder, der schreibt und spricht, bedrängt und auch „geschmiert“ wird (Udo Ulfkotte: Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken. Kopp Verlag, 2014, ISBN 978-3-86445-143-0.).
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