8 Der jüdische Friedhof
Spurensuche im Hehlentor
Der Friedhof steht im Judentum für würdige Ruhe, ein Grab soll auf ewig unangetastet bleiben. Von sanfter Ruhe und wohltuender Stille durchflutet, liegt ein solcher mitten ins Hehlentorgebiet Celles geschmiegt, das gutbürgerliche Wohnviertel nördlich der Aller. Kaum jemand kennt ihn, obwohl die Mauern im Norden und Osten an bewohnte Gärten grenzen. Der Gottesacker mit seinen 288 Grabstellen, so scheint es, soll nicht aufdringlich wirken und besser nicht zu auffällig sein. Von großen Toren bewacht, durch Vorhängeschlösser geschützt und von einer roten, verwitterten Backsteinmauer umsäumt, darf er sich nicht allzu präsent geben. Von der Straße aus sind jedoch die Grabsteine weithin zu sehen, ein Besuch ist der Ort wert. Hin und wieder werden auch die Tore geöffnet, zum Tag des Denkmals beispielsweise, wenn Angehörige zu Besuch kommen oder das Gartenamt seinen pflegerischen Aufgaben nachkommt. Wer den Friedhof ansonsten betreten möchte, muss sich bei der jüdischen Gemeinde oder der Stadt die Erlaubnis dafür einholen. Gut zwei Kilometer von der Synagoge im Stadtteil Blumlage entfernt liegt das Friedhofsgelände, welches Ende des siebzehnten Jahrhunderts den ursprünglich fünf Celler Schutzjuden, welche sich mit ihren Familien und dem dazugehörigen Gesinde wenige Jahre zuvor mit herzoglicher Erlaubnis dort niedergelassen hatten, zugewiesen worden war. Der älteste Grabstein datiert aus dem Jahr 1705, der letzte von 1953. Eine Einfriedung und ein kleines Wächterhaus wurden zum Schutz errichtet, 1911 die von dem Celler Bauhaus-Architekten Otto Haesler entworfene Friedhofshalle erbaut. Wächterhaus und Halle wurden 1974 wieder abgerissen, da das Hochbauamt seinerzeit die Friedhofshalle nicht als Baudenkmal anerkannte. Viele Jahre von den Stadtvätern kaum beachtet und dafür leider immer wieder Ziel von Vandalismus und Zerstörung, steht der Friedhof heute für über zweieinhalb Jahrhunderte jüdischer Kultur- und Kunstgeschichte in Celle. Die Grabsteine, vorn sind lateinische und hinten hebräische Schriftzeichen eingemeißelt, geben in dieser idyllischen Lage Zeugnis darüber ab, wer im Laufe der Zeit hier seine letzte Ruhestätte fand. Traditionelle Bildsymbole und jüdische Grabornamentik weisen darauf hin, welchen jüdischen Familien die Bestatteten einst zugehörig waren. Die gefalteten Hände weisen auf Familiennamen wie Cohen, Katz oder Kahn hin, ein Krug auf Namen wie Levi, Lewin, Löwe oder Löwenthal. Auch weitere Symbole sprechen: Der Magen David (Davidstern) steht als Sinnbild für das Judentum schlechthin, eine geknickte Blüte oder ein Baumstumpf symbolisieren „aus der Blüte des Lebens gerissen“, ein Palmzweig steht für den Glauben an Wiedergeburt und Unsterblichkeit.
9 Das Luftbrückendenkmal
Wietzenbruchs Platz in der Weltgeschichte
Der Stadtteil Wietzenbruch gehört nicht zu Celles feinsten Gegenden und wird gerne auch mal respektlos als „Wietzenbronx“ betitelt. Doch von dem Ort aus wurde einmal ganz große Politik betrieben. Denn hier war und ist heute noch der Heeresflugplatz aus dem Jahr 1936 gelegen. Die „Gummiwiese“, wie das Flugfeld von den Piloten früher aufgrund des moorigen und oft nassen Bodens, der seinerzeit nur unzureichend befestigt werden konnte, bezeichnet wurde, war während des Zweiten Weltkrieges Luftfahrtschule, später Stützpunkt der britischen Alliierten und wurde schließlich schnöde zur Abstellfläche für Möbel und Panzer degradiert. Doch dann kam die Berlin-Blockade: Aus sowjetischer Sicht waren die Westalliierten im Bezug auf das Potsdamer Abkommen vertragsbrüchig, und so sperrten sie kurzerhand vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 sämtliche Straßen und Eisenbahnverbindungen nach West-Berlin. In dieser Zeit musste die Bevölkerung Berlins mittels Flugzeugen versorgt werden – es entstand die „Berliner Luftbrücke“. Man entsann sich neben zwei weiteren Standorten eilig des eingemotteten Flugplatzes in Celle, der eine strategisch überaus günstige Lage vorwies: sehr kurze Distanz zu Berlin und direkt am mittleren Luftkorridor gelegen. Kurzerhand wurde der Flugplatz zur „RAF Station Celle“ befördert und mit britischem Oberkommando in US-amerikanische Verwaltung übergeben. Für die Durchführung der Versorgungsflüge musste der Flugplatz ausgebaut werden und bekam unter anderem einen Gleisanschluss mit einer etwa 300 Meter langen Verladerampe und direkter Anbindung zum Flugfeld sowie eine befestigte Start- und Landebahn. Kohle und Lebensmittel, zum Schluss waren es 1000 Tonnen, wurden von da aus täglich zur eingeschlossenen Bevölkerung Berlins geflogen. Von dieser großen und historischen Bedeutung des Fliegerhorstes Celle zeugt heute noch das weithin von der Straße aus sichtbare Luftbrückendenkmal, das, etwas kleiner und unscheinbarer als die beiden Denkmäler in Berlin und Frankfurt am Main, an die Versorgung der Berliner durch die Luftbrücke erinnert. Es wurde am 24. Juni 1988, exakt 40 Jahre nach Beginn der Blockade, mit Vertretern der Stadt und Gästen aus Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich feierlich eingeweiht.
10 Kleine Kirchentour
Ein Blick auf die alten Stadtteilkirchen
Die nachstehend beschriebenen Kirchen gehören zu jenen Gotteshäusern in Celle, die teilweise auf eine über tausendjährige Existenz zurückblicken können und lange vor Einzug der Reformation im Cellerland bereits hier standen. Sie sind besonders erwähnens- und sehenswert – aufgrund ihres Alters, ihrer historischen Bedeutung oder einfach um ihrer Schönheit willen. Die Ursprünge der Gertrudenkirche in Altencelle werden um 900 n. Chr. vermutet. Der jetzige Baubestand stammt aus dem 15. Jahrhundert. Im Innern befinden sich ein Prozessionskreuz und ein gemauerter Taufstein, beide ins erste Drittel des 13. Jahrhunderts datiert, zudem ist darin ein spätgotischer Schnitzaltar von 1509 zu sehen. Die Geschichte der Blumläger Kirche St. Georg beginnt um 1392, als der Bischof von Hildesheim den Bau eines Hospitales vor der damaligen Stadtmauer genehmigte, um es dann dem Heiligen Georg zu weihen, welcher zu den vierzehn Nothelfern zählt. Das eindrucksvolle steinerne Relief des Heiligen befand sich einst am Giebel des Hospitals und ziert seit 1963 den Seiteneingang der Kirche. Die Holztafelbilder datieren um 1500, von 1657 stammen der Altar, Kanzel und Taufstein, 1892 kam der Turm dazu. Besonders anmutend ist die Kirche St. Cyriakus in Groß Hehlen, die im 13. Jahrhundert erbaut wurde, deren Ursprünge jedoch bereits um 990 n. Chr. datiert sind. In den Außenmauern ist teilweise noch der romanische Ursprung erkennbar. Bei Restaurierungsarbeiten 2007 sind alte Fresken, möglicherweise aus dem beginnenden 16. Jahrhundert, entdeckt worden, ebenso alte Wandmalereien, die Weihekreuze darstellen. Der Turm stammt aus dem Jahr 1634. Im verwunschenen Pfarrgarten stehen noch alte Grabsteine.
300 Jahre lang stand eine Fachwerkkirche auf dem „Harburger Berg“ als Nachfolgerin der einstigen Liebfrauenkapelle, die, einem Hospiz zugehörig, bereits im 13. Jahrhundert Kranken, Armen, Pilgern und Reisenden Schutz bot. Die Fachwerkkirche wurde als Begräbnis- und später als Garnisonskirche genutzt. Dann verfiel sie zusehends, bis sie in den Fünfzigerjahren für die Kirchengemeinde Klein Hehlen wieder entdeckt und in die nach ihr benannte Bonifatiusstraße als Stadtteilkirche St. Bonifatius versetzt, aufgebaut und gründlich restauriert wurde. Die Kanzel stammt aus dem Jahr 1659, der Altar aus dem Jahr 1690. Der „Heidjer“-Turm wurde mit Handstrichziegeln aus einer regionalen Ziegelei nach historischem Vorbild geschaffen, der Taufenegel, seit 1957 eine Dauerleihgabe des Bomann-Museums, stammt aus der Zeit um 1720. Ganz unauffällig zeigt sich die absolut sehenswerte, winzig kleine Markuskirche im Garßener Ortsbild, deren Ursprung in der Mitte des 14. Jahrhunderts liegt. Sie hat eine wechselvolle Geschichte von Zerstörung durch Krieg und Brand hinter sich, ihr heutiges Aussehen stammt vom letzten Wiederaufbau 1747. Sehenswert sind das Kruzifix aus dem 16. Jahrhundert und das Altarbild, geschaffen von dem Wienhäuser Künstler Herbert Blasek.
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