Wissenschaftliche Beiträge
aus dem Tectum Verlag
Reihe Germanistik
Wissenschaftliche Beiträge
aus dem Tectum Verlag
Reihe Germanistik
Band 16
Selina Monjau
Besondere Aff initäten
Sexualkontakte zwischen Menschen
und Affen in der westlichen Literatur
des 19. und 20. Jahrhunderts
Tectum Verlag
Selina Monjau
Besondere Affinitäten
Sexualkontakte zwischen Menschen und Affen in der westlichen Literatur
des 19. und 20. Jahrhunderts
Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag,
Reihe: Germanistik; Bd. 16
Umschlaggestaltung: Tectum Verlag, unter Verwendung der Abbildung
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© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2021
ePub 978-3-8288-7773-3
(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN
978-3-8288-4690-6 im Tectum Verlag erschienen.)
ISSN: 1861-5945
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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhalt
Geleitwort
1. Einleitung
2. Der Affe – Grenzfigur par excellence
2.1 Kulturgeschichtliche Betrachtungen
2.2 Darwins Theorien und ihr Einfluss auf die Literatur
2.3 Das Fremde – missing link, Primitivismus, Race und Gender26
2.4 Der Mensch als Affe – Horst-Jürgen Gerigks Kategorien
3. Sexualität und „bestiality“ in der menschlichen Kulturgeschichte
3.1 Sexualität
3.2 Bestiality
4. Literarische Darstellungen speziesübergreifender Sexualität
4.1 Der Affe als (vermeintliche) Bestie
4.1.1 Gustave Flauberts Quidquid Volueris (1837)
4.1.2 Edgar Allan Poes The Murders in the Rue Morgue (1841)
4.1.3 Clive Barkers New Murders in the Rue Morgue (1984)
4.2 Arterhalt durch Zeugung von Hybriden – Variante der Schöpfung
4.2.1 Pierre Boulles La planète des singes (1963)
4.2.2 Bernard Malamuds God’s Grace (1982)
4.2.3 Liz Jensens Ark Baby (1998)
4.3 Alternative zur zwischenmenschlichen Beziehung
4.3.1 Ian McEwans Reflections of a kept Ape (1978)
4.3.2 Peter Goldsworthys Wish (1995)
4.3.3 Peter Høegs Kvinden og Aben (1996)
5. Fazit und Ausblick
Danksagung
Bibliografie
Geleitwort
Ein Geleitwort zu formulieren für ein Buch über Sex zwischen Menschen und Affen ist keine vollkommen alltägliche Aufgabe für einen zünftigen Literaturwissenschaftler und entspricht, offen gesagt, als Schreibanlass auch nicht ganz dem, was sich der Verfasser dieser Zeilen vor Jahrzehnten bei seiner Berufswahl ausgemalt hatte (was immer das noch genau gewesen sein mag). Dass diese Aufgabe nun aber erfreulicherweise ansteht, hat natürlich in erster Linie mit den akademischen Qualitäten des einzuleitenden Buches selbst zu tun, mit der komparatistischen Kompetenz von Selina Monjau, mit ihrer weiten Belesenheit, ihrem schriftstellerischen Esprit, ihrer Wissbegier und ihrem Mut zur unkonventionellen Themenwahl. Zugleich spiegelt das Erscheinen der vorliegenden Studie aber auch die sehr grundsätzlichen Veränderungen wider, denen die traditionellen Geisteswissenschaften schon seit längerem unterliegen: weg von dem, was mein Doktorvater „die alte Dampfphilologie“ zu nennen pflegte, und hin zu einer globaler aufgefassten Wissenschaft von der Kultur, weg vom ehrfurchtsvollen Spekulieren über die „Intentionen“ kanonischer Autoren und vom positivistischen Spezialistentum, hin zum nationale, sprachliche, mediale und disziplinäre Grenzen überschreitenden Vergleich, weg vom selbstzufriedenen L’Art-pour-l’artismus mit seiner weihevollen Rhetorik und hin zu einer Perspektive, in der – wie hier – medizinische und biologische, philosophische, politische und juristische Diskurse mit den literarischen in Bezug gesetzt werden, hin zu einer Literaturwissenschaft also, die auch nach den Ermöglichungsbedingungen und den gesamtgesellschaftlichen Implikationen ihrer Gegenstände fragt.
Selina Monjau spielt in ihrem Buch die Stärken einer modern aufgefassten Komparatistik voll aus: Sie bearbeitet ein sowohl historisch als auch geographisch-linguistisch weit abgestecktes Feld, nämlich narrative fiktionale Prosa des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts aus der Feder US-amerikanischer und australischer sowie britischer, französischer und dänischer Autoren. Die Reihe der untersuchten Texte reicht von Gustave Flauberts halb-vergessenem Jugendwerk „Quidquid volueris“ (1837) über Edgar Allan Poes groteske Krimierzählung „The Murders in the Rue Morgue“ (1841) bis zu Clive Barkers postmoderner Hommage an diese („New Murders in the Rue Morgue“, 1984) und von Pierre Boulles Science-Fiction-Klassiker La Planète des singes (1963) über Ian McEwans Kurzgeschichte „Reflections of a Kept Ape“ (1978) bis zu den jüngeren Romanen God’s Grace (1982) von Bernard Malamud, Wish (1995) von Peter Goldsworthy, Kvinden og aben (Die Frau und der Affe, 1996) von Peter Høeg sowie Ark Baby (1998) von Liz Jensen. Als gegenwartsliterarische Dreingabe und „Ausblick“ wird schließlich noch Benjamin Hales The Evolution of Bruno Littlemore (2011) behandelt. Was die zu diesem Korpus versammelten Texte gemeinsam haben ist, dass das Transzendieren von althergebrachten Gattungsgrenzen dort nicht (bzw. nicht nur) die ästhetische Form betrifft, sondern dass es als zoophiles Skandalon ganz buchstäblich gestaltet wird: Es geht also tatsächlich um sexuelle Kontakte zwischen Menschen und Affen. Monjau vergleicht und historisiert ihre Texte und Autoren, bringt dieselben mit Naturwissenschaftlern und Philosophen ins Gespräch, mit Charles Darwin, Michel Foucault und Peter Singer, und sie versäumt es nicht, zudem noch einen prüfenden Blick ins Strafgesetzbuch zu werfen. Vor allem vermag die Verfasserin in ihrer Studie zu belegen, wie nachdrücklich die literarischen Wandlungen des Motivs im untersuchten Zeitraum zugleich eben auch Veränderungen der gesellschaftlichen Wahrnehmung nicht bloß des Affen (und des Menschen), sondern von Sexualität im Allgemeinen indizieren: Bei Flaubert, Poe und Barker erscheint das Tier noch als wilde und gewalttätige Bestie, obwohl durchaus unerwartete Ambivalenzen nachweisbar sind, Boulle, Malamud und Jensen verhandeln dagegen schon in teils utopischen Szenarien gattungsübergreifende Fortpflanzung als evolutionäre Option. Bei McEwan, Goldsworthy und Høeg schließlich steht die Mensch-Affe-Verbindung bereits als ernstzunehmende romantische Beziehung zur Diskussion.
Ohne schon allzu viel verraten zu wollen, möchte ich mir hier abschließend erlauben, das geradezu poetische Fazit der Autorin als Zitat vorwegzunehmen, weil es einen witzigen Ausblick nicht nur auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse gewährt, die ihr Text enthält, sondern auch einen Vorgeschmack auf die Lesefreude, die das Buch bereiten wird: „[D]ie Liebesgeschichten zwischen Menschen und Affen im ausgehenden 20. Jahrhundert […] sind ein Versuch, das dem Menschen eigene Animalische nicht länger zu ver[leugnen], sondern wortwörtlich zu umarmen, zu akzeptieren, was ist, und sich [damit] zu verbinden – in einem Mensch und Tier ureigenen Akt der Vereinigung“.
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Bonn, im August 2021 Neil Stewart
1. Einleitung
Der Affe, als menschenähnlichstes unter den Tieren, fand seit jeher auf verschiedenste Weise Beachtung in Literatur und Kultur; so wurden ihm beispielsweise in der Antike göttliche, im Mittelalter hingegen sündhafte, gar satanische Eigenschaften zugeschrieben.
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