5 Die Weinhandlung Bornhöft
Nicht von gestern, sondern vorgestern
Zunächst stolpert man über zwei Inschriften und ein Buchstabenrästel, dann über den Wein und wenn man Glück hat, schließlich die Stufen zu einem Keller hinab. Aber der Reihe nach. Im Foyer der Weinhandlung Bornhöft lädt zunächst rechts ein Holzbalken zum Rätselraten ein, auf dem in einer Reihe zu lesen ist:
W.F.G.T.D.H.G.W.G.W.A.G.D.G.E.G.D.M.O.D.I.D.D.A.D.F.S.G.V.B.I.A.M.S.I.V.G.A.B.M.
Was das nur heißen mag? Bis heute ist das Geheimnis dieser Inschrift nicht gelöst, man kann nur mutmaßen: In der Schweiz bedeuten solche Buchstabenreihen oftmals gängige Bibelzitate oder weise Sprüche. Ein Balken mit lateinischer Inschrift (übersetzt: In dich setze ich meine Hoffnung, Gott. Dem Satan und der Welt entfliehe ich), ebenfalls im Foyer links zu sehen, galt lange Zeit als möglicher Restbalken des alten Franziskanerklosters, das einst „Am Heiligen Kreuz“ gelegen war. Leider ist diese Idee widerlegt – der Balken passt nicht in die Zeit der Klostergründung. Auch hier ist also die Herkunft offen. Vor lauter Rätseln nun schon ganz durstig, betritt man die ehemals königliche hannoversche Hofweinhandlung in Celle, das Weinkontor, welches seit 1828 besteht und sich von 1889 bis 1994 im Familienbesitz der Bornhöfts befand. Seitdem wird die Weinhandlung mit der Unterstützung der Erbengemeinschaft von Familie Surborg betrieben. Es hat sich in den Verkaufsräumen zur Straße hin seit Gründung nicht allzu viel verändert. Hier wird immer noch Wein verkauft, und zwar aus aller Welt, in allen Preislagen und allen Geschmacksrichtungen. Ebenso idyllisch sieht es in den hinteren Gefilden aus. Gelangt man über die Eingangshalle zum lauschigen Innenhof, kann man sich dort, wo einst rege Geschäftigkeit herrschte, einen Schoppen gönnen und dazu einige Kleinigkeiten zu sich nehmen, um dann vielleicht gestärkt einen Blick in den alten Weinkeller und die dazugehörige Ausstellung werfen zu dürfen. In liebevoller Kleinarbeit wurde hier ein Bild geschaffen, das den Besuchern anschaulich das frühe Arbeitsleben in Weinkellern vermittelt, angefangen von Kerzenlicht, Leinenfiltern, die von der Decke hängen, bis hin zu knorrigen Schubladen, gefüllt mit Korken in allen Größen. Wieder oben, führt die Dame die Besucher in jene Räume, die historisches Zeugnis vom eigentlichen Weinhandel ablegen und wertvolle Exponate zeigen: Weinfiltrieranlage, Etikettenschrank, alte Likörflaschen oder mit Maschine getippte Belege und Preislisten. Eine Flasche Berncasteler Doctor gab's früher mal für eins fünfzig, den 36er Dürkheimer Feuerberg konnte man für achtzig Pfennige erwerben, einen 34er Beaujolais Fleurie für zwei Mark. „Nicht das Gestern, sondern das Vorgestern wollen unsere Besucher erleben“, ist dazu der heitere Kommentar der Dame, die so beschwingt und lebendig erzählt, dass man dazu nur beeindruckt nicken kann.
6 Skulpturen 1
Kunst im Stadtgebiet
An vielem in Celle geht man einfach so vorbei, auch an den Skulpturen, die im gesamten Stadtbild zu sehen sind. Dabei lohnt sich ein Blick auf alle . . .
Die 1944 geborene und in Hannover lebende Künstlerin Ulrike Enders hat die Skulptur „Fachwerkbalkenmann“ als Ergebnis eines Wettbewerbs 1991 geschaffen, am Platz „Kleiner Plan“ zu sehen. Sie nimmt damit Bezug auf die besondere Gestaltung mancher Giebel und Balken in der Stadt; die Bauweisen und Verzierungen der Celler Häuser dienten ihr als Vorlage, ähnlich den eingearbeiteten Gesichtern, überall an Häuserfronten sichtbar. Die Künstlerin verwendete als Materialien Kupfer, Bronze und Neusilber. Die Figur soll zum Verweilen einladen und weist gleichzeitig in die Straßen des mittelalterlich geprägten Ortes hinein.
„Kunst ist Leben, Leben ist Kunst“, so äußert sich Timm Ulrichs, der, 1940 in Berlin geboren, sich als Totalkünstler versteht. Seine Werke wollen Wahrnehmungsmuster und Weltsichten sensibilisieren und hinterfragen. So soll auch seine Plastik, der „überdimensionierte Blumentopf“ im Französischen Garten, verstanden werden: Etwas Statisches inmitten einer Naturlandschaft bewirkt ein von der Gewohnheit abweichendes Sehverhalten. Lässt sich der Betrachter auf die Idee ein, alles ist in Bewegung, alles ist veränderbar, so erfährt er im Bewusstseinsraum zwischen Sein und Schein etwas Neues.
1992 schuf der Worpsweder Bildhauer Waldemar Otto, der im März 1929 in Petrikau/Polen geboren wurde und einst Bildhauerei an der Berliner Hochschule für bildende Künste studierte, das Bronzedenkmal (Büste auf Säule) „Ernst der Bekenner“ vor der Stadtkirche, die Nachfolgefigur für eine Statue, die 1904 erschaffen und im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen worden war. Die historische Figur brachte einst die Reformation nach Celle, daher findet sich auf der Büste die Inschrift „Das Wort sie sollen lassen stahn“ aus der Reformationshymne „Ein feste Burg ist unser Gott“. Die Schriftrolle soll an die reformatorische Bekenntnisschrift „Confessio Augustana“ erinnern, deren Unterzeichnung seinerzeit dem Herzog seinen Beinamen eintrug. Im Volksmund wird die Statue heute gern als „Heiliges Kanonenrohr“ bezeichnet.
Dem Künstler Klaus Duschat, 1955 in Südafrika geboren und niedersächsischer Nachwuchsstipendiat (Bildhauerei in Hannover und Berlin), verdankt Celle die beiden „Realen Skulpturen“, zwei monumentale Werke aus dem Industriematerial Stahl. Die Werke, ebenfalls inmitten des in englischem Stil angelegten „Französischen Garten“ zu sehen, erzeugen eine interessante und vom Künstler gewollte Spannung zwischen Natur und Kunst.
Von dem Künstler Otto Piene stammt das Werk „Feuerwerk“ am Bomann-Museum, zwei hoch aufragende grellrote Skulpturen aus Lack und Stahl, welche als künstlerisch besondere Note bei Nacht angeleuchtet werden und einen Lichtstrahl in den Himmel senden. Otto Piene erhielt 2003 den Weltkunstpreis. Er studierte Malerei und Kunsterziehung in München und Düsseldorf, später Philosophie, und gründete 1957 in Düsseldorf die einflussreiche Künstlergruppe ZERO.
7 Das alljährliche Anrudern auf der Aller
Immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel
Gerudert wurde bereits in der Antike (eine Fortbewegungsmöglichkeit zu Wasser unabhängig von Wind), und wer sich historisch nun auf gewagtem Terrain befinden mag, die berühmten Galeeren aus den Asterixheften kennt doch jeder. Und auch damals wurde das Rudern bereits als Sportart betrieben.
Ganz so alt ist die Tradition in Celle noch nicht, doch diese Stadt und Rudern, das gehört zusammen wie Butter auf Toast – und das systematisch wenigstens seit Beginn des letzten Jahrhunderts, als 1906 das Schulrudern am „Königlichen Gymnasium“, heute Ernestinum, begann. Jedenfalls haben einige der ortsansässigen Vereine (Celler Ruderverein, Ruderclub Ernestinum-Hölty, Ruderverein Hermann Billung und Ruderriege Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium) eine über hundertjährige Geschichte vorzuweisen, teils eng verknüpft mit der gymnasialen Schulausbildung. Jedes der vier klassischen Gymnasien („KAV“, Hölty, Billung, Ernestinum) nahm im Laufe der Jahre Rudern als Sportart mit auf den Stundenplan und daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber selbst wenn nicht jeder hier Gymnasiast ist oder war, trotzdem war wohl beinah jeder, der in Celle lebt oder lebte, mindestens einmal in seinem Leben zum Rudern auf der Aller. Und wer sich nicht ins Boot traut, der kann trotzdem an dem lebhaften Ruderleben teilnehmen. Zum einen geht der Fluss mitten durch die Stadt und die Ruderer gehören zum täglichen Stadtbild. Zum anderen ist das alljährliche Anrudern unter Teilnahme vieler Gäste und Vertreter aus der Polititk, welches traditionell am ersten Mai stattfindet, ein kleines Volksfest für jedermann/frau und zum Dritten schließlich gibt es im Herbst neben vielen anderen Veranstaltungen auch noch die Celler Ruderregatta. Wer dann immer noch nicht aufs Rudern gekommen ist, dem ist dann leider nicht mehr zu helfen. Es ist nämlich immer schön, dabei zu sein, wenn sich die Boote – vom Einer bis zum Achter – nach und nach formieren und nach einer kurzen Ansprache und dem offiziellen „So wünsche ich allen Ruderinnen und Ruderern immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel“ schließlich im vertrauten Rhythmus Richtung Ziegeninsel fortbewegen. Besonders eindrucksvoll ist das Spektakel von der „Pfennigbrücke“ aus zu sehen, hinter der sich die Boote sammeln. Genauso spannend ist das rege Treiben, das während der Celler Ruderregatta im Herbst an der Aller herrscht. Dann mag das Wetter nicht immer mitspielen, trotzdem sind dann alle auf den Beinen – vom ganz Kleinen bis hoch zu den ganz Alten, die teilweise schon längst achtzig Lenze überschritten haben. Dann gehen im Drei-Minuten-Takt die Rennen mit über 380 Booten vor der Ziegeninsel aus an den Start. Eine ungewöhnliche Besonderheit bietet der Ruderclub Ernestinum-Hölty an: Seit 1976 unterhält er eine eigene Herzsportgruppe. Regelmäßig montagabends kommen Betroffene (Herzinfarkt, Bypass, Herzschwäche, Herzschrittmacher u. ä.) oder einfach Menschen, die präventiv etwas für sich und ihr Herz tun wollen, zum Sportprogramm zusammen. Ihnen stehen eine speziell ausgebildete Übungsleiterin und ein Facharzt mit Rat und Tat zur Seite.
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