Haberkorn grinste. Das Essen an Bord war wichtig für die Stimmung der Leute aber hexen konnte auch der beste Koch nicht. Frische Lebensmittel waren nur begrenzte Zeit verfügbar und dann gab es zwangsläufig Sachen aus der Dose. Man bräuchte einen Apparat, der Kälte erzeugen kann aber geringe Abmessungen hat dachte er sich aber dann wurde ihm klar, dass man so eine Maschine an Bord gar nicht unterbringen könnte, sie würde viel zu viel Platz beanspruchen um für eine längere Fahrtdauer Nahrung frisch zu halten. Jeder Winkel des Bootes war zugebaut und nicht einmal die Kojen reichten für alle.
Die Offiziere saßen zum Abendessen an der Back. Keiner sagte etwas und das leise Geräusch der hämmernden Diesel füllte das Boot. Haberkorn wollte gerade einen Schluck Tee trinken, da schrillte die Alarmglocke los. Er und die anderen sprangen auf, Geschirr ging zu Bruch. Als sie in der Zentrale ankamen setzte der II WO gerade das Turmluk dicht und kletterte dann die Leiter herunter.
„Fahrzeug in 30 Grad, 4.000 Meter“ sagte er schwer atmend.
„Alarm, fluten“ rief der Kommandant und Haberkorn gab die entsprechenden Befehle.
„Auf Sehrohrtiefe gehen.“
„Was soll das heißen“ fuhr der Kaleun den II WO an „Fahrzeug? Etwas genauer, wenn ich bitten darf!“
„Schwer zu erkennen, Herr Kaleun, Nebelbänke.“
Der Kommandant ging zum Schapp des Horchers.
„Na“ fragte er gedehnt.
„Schraubengeräusche, Kolbenmaschine, Einzelfahrer.“
Haberkorn hatte das Boot durchgependelt und auf Sehrohrtiefe eingesteuert.
Die mächtige Säule des Sehrohrs war ausgefahren und der Kommandant nahm einen Rundblick.
„Da könnte mal einer was Besseres erfinden“ murmelte er mürrisch, denn er musste wegen seiner Körpergröße etwas in die Knie gehen.
Dann war wieder Ruhe. Der Mann ließ den Sehrohrkopf nur wenig über die Wasseroberfläche hinausragen und betätigte Schalter am Sehrohr, um dieses ein- oder auszufahren. Haberkorn stand hinter den Tiefenrudergängern und hatte den Blick auf den Papenberg gerichtet.
„Vorn oben fünf“ sagte er leise.
Die Wassersäule im Papenberg hatte jetzt genau die Ideallinie erreicht.
„Verdammt“ fluchte der Kommandant „so eine dicke Suppe. Nichts zu sehen. Wie peilt er“ rief er dem Horcher zu.
„Wandert schnell aus. Kaum noch zu hören.“
Mit einer Ärger ausdrückenden Bewegung klappte der Kaleun die Griffe des Sehrohres hoch und fuhr es ein.
„Der Tee dürfte wohl kalt geworden sein. LI, auftauchen, zweite Seewache wieder aufziehen.“
Seine ganze Gestalt drückte Enttäuschung aus und er verließ mit hochgezogenen Schultern die Zentrale.
„Wir hätten nur unseren Treibstoff sinnlos verbrannt“ sagte er dann später in der O-Messe „der Bursche ist wahrscheinlich schnell, da er nicht im Konvoi fährt. Unser Boot müsste eben deutlich mehr Geschwindigkeit entwickeln können, was meinen Sie, LI.“
„Natürlich wäre das gut, aber das würde bedeuten stärkere Diesel einzubauen“ antwortete Haberkorn „und das heißt mehr Fläche für die Maschinen. Die haben wir hier nicht.“
„Oder einen neuen Antrieb erfinden“ schlug der I WO vor.
„Da gibt es Überlegungen“ erwiderte Haberkorn „und auch erste Versuche. Die Dampfturbine im Walter-Boot arbeitet mit einem chemischen Verfahren. Dass Boot soll wohl ziemliche hohe Unterwassergeschwindigkeiten erreichen können. Aber es scheint alles noch in den Anfängen zu stecken. Ist aber ein verführerischer Gedanke, nicht mehr auf die Diesel und die Außenluft angewiesen zu sein.“
„Das wäre schon was“ meinte der Kommandant „aber mir wäre es nicht geheuer, hier an Bord Chemikalien zu haben, die vielleicht schnell in die Luft gehen können. Was soll’s. Wir müssen eben mit dem auskommen was wir haben, basta.“
Keiner sagte etwas.
Haberkorn erhob sich.
„Noch mal den einen Diesel kontrollieren“ sagte er „da gibt es an einem Kolben ein leichtes Geräusch.“
Der Kommandant nickte nur.
Als Martin Haberkorn das Lärmschott zum Dieselraum öffnete fühlte er sich sofort wieder heimisch. Die Geräuschkulisse, die Wärme ausdunstenden Blöcke der Dieselmaschinen, das stete Auf und Ab der Kipphebel. Er grinste den Obermaschinist an, dieser streckte einen Daumen in die Höhe: alles in Ordnung.
„Gibt’s Probleme“ brüllte er dem Mann ins Ohr, dieser schüttelte den Kopf.
Haberkorn hatte die Messe unter einem Vorwand verlassen, er wollte der schlechten Stimmung entfliehen. Als er wieder dort vorbeikam und sich Richtung Zentrale bewegte sagte der Kommandant spöttisch:
„Immer auf Achse, unser LI. Das hält jung.“
In der Zentrale hockte sich Haberkorn auf die Kartenkiste. Alles war ruhig, die Männer wirtschafteten an ihren Geräten herum und überprüften die Anzeigen. Als er den Blick schweifen ließ stellte er erneut fest, dass er sich zwischen all der Technik wohl fühlte, sehr wohl. Trotz der allgegenwärtigen Enge und der widrigen Lebensbedingungen an Bord war er der Meinung, dass er hier genau am richtigen Platz war.
Fred Beyer, 5. Januar 1942, Russland
Der Bahntransport war ohne Zwischenfälle aber mit vielen Halten verlaufen und am 26. Dezember 1941 wurden die Panzer in Juchnow entladen. Den Heiligabend verbrachten die Männer in den stickigen Personenwaggons bei Tee, Brot und Dosenwurst.
„Schöne Bescherung“ hatte Müller geknurrt „aber ich wollte Weihnachten schon immer mal im Ausland verbringen.“
„Du wirst einen längeren Auslandsaufenthalt haben und sogar Silvester im Ausland feiern“ hatte Bergner geantwortet „und garantiert mit einem richtig tollen Feuerwerk. Mitternacht wird der Iwan dann seine Raketen und Böller abbrennen. Kannst dich ja schon mal drauf freuen.“
„Na gut“ war Lahmanns Kommentar gewesen „wir haben ja auch n paar Knallerbsen im Gepäck, und diesmal auch bessere.“
„Aber so richtig werden wir den T 34 damit auch keine Löcher in den Pelz brennen können“ meinte Keller „es sei denn, wir gehen sehr nah ran. Aber ob das eine gute Idee ist bezweifle ich.“
Fred Beyer beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Für ihn zählten Tatsachen und die hießen, dass sie zwar eine bessere Waffe erhalten hatten, aber diese dennoch bestimmten Panzern des Gegners unterlegen war. Keller hatte schon Recht: wenn sie die T 34 erfolgreich bekämpfen wollten würde dies nur auf geringe Entfernung möglich sein. Beyer fragte sich, wie es überhaupt möglich gewesen sein konnte, dass in Deutschland die Existenz so eines fortschrittlichen Panzerfahrzeuges bei den Russen nicht bekannt gewesen war. Er hatte sich einmal einen abgeschossenen T 34 näher angesehen und war in das Innere geklettert. Das Fahrzeug war vollkommen ausgebrannt und verrußt. Im Zwielicht sah er noch zwei verkrümmte und verkohlte Gestalten in der Fahrzeugwanne liegen. Beyer blickte sich nur kurz um aber er konnte feststellen, dass die Bedienelemente sehr grob gefertigt waren und Platz für die Besatzung kaum vorhanden war. Die unheimliche Atmosphäre in dem Fahrzeug trieb ihn schnell wieder hinaus und er sagte sich, dass er eines Tages vielleicht auch so entstellt in seinem abgeschossenen Panzer liegen könnte. Ach egal hatte er sich gedacht, es kann einen jederzeit erwischen und in einem Panzer fühlte er sich trotz aller Gefahren doch einigermaßen geschützt. Günther muss seine ungeschützten Knochen hinhalten und Martins Boot kann jederzeit in einen dicken Wasserbombenhagel geraten meinte er noch.
Der Bahnhof hatte über keine geeigneten technischen Hilfsmittel zum Entladen der Panzer verfügt. Der Bahnhofskommandant hatte hektisch telefoniert und nach ungefähr 2 Stunden fuhren zwei LKW vor, die Baumstämme geladen hatten. Einige Pioniersoldaten waren von den Fahrzeugen heruntergesprungen und brachten die Stämme vor den Spezialwaggons so in Position, dass die Panzer wie auf einer schrägen Rampe herunterfahren konnten. Alles klappte ohne Zwischenfälle und die 15 Fahrzeuge nahmen hinter dem Bahnhof Aufstellung. Der kommandierende Offizier der Einheit erklärte kurz die Lage. Man würde jetzt auf eine 20 Kilometer vom Bahnhof entfernt liegende Linie abrücken und dort die deutschen Verteidigungsstellungen verstärken. Generelles Ziel wäre die Front weiter zu stabilisieren, und bis zum Eintreffen weiterer Verstärkungen jegliche Angriffe der Sowjets zurückzuschlagen. In der Heimat würden die Werke mit Hochdruck daran arbeiten, die Produktion vor allem von Panzern weiter hochzufahren. Insbesondere mit der Ausführung F des Panzers IV, der seit vorigem Jahr von den Bändern ließ, würde man den Russen jetzt deutlich besser Paroli bieten können. Aber auch die Panzer III, die sie jetzt zur Verfügung hätten, wären erheblich kampfwertgesteigert worden und die Chancen im Panzerkampf somit gestiegen. Jedenfalls würde der Schwerpunkt des Einsatzes der Einheit momentan mehr in der Defensive liegen und wenn er recht informiert wäre, würden sie sogar ganz passable Unterkünfte vorfinden.
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