Niemand ist gezwungen, in Hypnose etwas zu tun, was seinem Wesen nicht entspricht.
Sie haben, Frau Herr, also immer die Kontrolle auf der unbewussten Ebene, aber nur eine ganz, ganz schwache auf der bewussten Ebene.
So können Sie sich perfekt schützen, wenn Sie den Hypnotiseur nicht kennen oder ihm nicht vertrauen: Wenn Sie merken, daß die Hypnose anflutet, bitten Sie einfach ihr Unbewusstes, auf Sie aufzupassen! So mache ich das immer und kann dann ganz entspannt mitmachen oder aussteigen.“
„Es können also alle Menschen in Hypnose gehen?“
„Ja, alle Menschen gehen jeden Tag viele hunderte Male kurz oder länger in Trance. Sie machen das völlig unbewusst.
Mit der bewussten Hypnose ist das komplizierter. Ich kann jeden, dessen Unbewusstes mir vertraut, hypnotisieren. Nicht jedoch diejenigen Menschen, die zu mir unbewusst kein Vertrauen haben. Die werden Widerstände entwickeln.
Die Grundlage der Hypnose ist der sogenannte ,Rapport’, das enge Vertrauensverhältnis zwischen Hypnotiseur und Hypno-tisanden. Deshalb hat es auch einen eigenen Namen.
Eine andere Voraussetzung ist die Fähigkeit, sich überhaupt konzentrieren zu können oder zu wollen.
Je intelligenter und geistig flexibler Menschen sind, desto besser und leichter können sie in Hypnose gehen. Je geistig starrer, verwirrter oder gar schwachsinnig jemand ist, desto schwieriger gestaltet sich das Hypnotisieren.
Es gibt auch Gründe, nicht zu hypnotisieren.
Zwar ist Hypnose, wie ich schon aufgeführt habe, immer gesund. Das gilt aber nur für die so genannte Ruhehypnose, in der man die Hypnose nicht nutzt, sondern sich nur ausruht und genießt.
Wenn Sie Hypnose in der Psychotherapie oder Psychosomatik nutzen oder um Erinnerungen ins Bewusstsein zu holen, können negative psychische Reaktionen entstehen.
Die sind aber nicht durch die Hypnose bedingt, sondern durch die Erkenntnisse und die unbequeme Wahrheiten, die ins Bewusstsein dringen. Zum Beispiel, wenn Sie in Hypnose ein seelisches Trauma oder einen sexuellen Missbrauch usw. erinnern.
Auch große Angst vor Hypnose spricht gegen die Nutzung von hypnotischer Trance.
Die haben Menschen, die sich zu Recht oder Unrecht vor ihren existenziellen Wahrheiten oder vor positiven Veränderungen im Leben fürchten oder davor, sie könnten sozusagen aus Versehen sie selber werden.“
„Können Sie mir Bücher über Hypnose empfehlen, die ich lesen könnte?“ fragte die Sekretärin.
„Sie können sich aus dem Bücherschrank in meinem Zimmer Bücher nehmen und sie lesen. Ich möchte nur nicht, daß die Bücher unser Büro verlassen.
Wenn Sie nichts zu tun haben, und das wird in der nächsten Zeit ja noch häufig sein, können Sie ruhig lesen und sich in Hypnose weiterbilden. Ich habe nichts dagegen. Im Gegenteil ich würde mich freuen!“
Es war Nachmittag geworden, als er sich entschloß, die überprüften Unterlagen in die Ablage zu legen und einen Bummel am Main zu machen.
Mit dem Auto zu fahren, hatte keinen Sinn, denn er würde keinen Parkplatz finden. Also entschied er sich für ein Taxi und ließ sich am Eisernen Steg absetzen.
Auf den Stufen der Fußgängerbrücke über den Main saß ein betrunkener Bettler und in der Brückenmitte spielte ein Mann, den er für einen Osteuropäer hielt, eine traurige Weise auf dem Saxofon.
Er kannte die Melodie nicht. Entschied sich jedoch, da der Musiker gut spielte, im zwei Euro in die Schachtel zu legen. Der Mann nickt ihm freundlich zu, während er weiterspielte.
Auf der Sachsenhäuser Mainseite ging er dicht am Ufer entlang und merkte, daß er keine rechte Lust hatte, weit zu gehen. So setzte er sich auf eine leere Bank und ließ den Blick über die Skyline der Hochhäuser schweifen.
In seiner Kindheit hatte es kein einziges Hochhaus gegeben. Eigentlich mochte er sie nur am Abend, wenn die Lichter und Reklamen der Wolkenkratzer schön und geheimnisvoll zu leuchten schienen.
Als er begann, sich zu langweilen, entschloß er sich über die Schweizer Straße zu bummeln.
Hier in Sachsenhausen war Frankfurt lebendig geblieben, ja sogar bunter geworden, auch wenn sich viel verändert hatte und ständig veränderte.
Er überlegte, da er leichten Hunger verspürte, ob er ins Gemalte Haus gehen sollte.
Als er durch den relativ schmalen Eingang der Wirtschaft eintrat, saßen in dem großen Vorraum mehrere Gruppen. Touristen, schätzte er sie ein, die hier Äppelwein probieren wollten, damit sie zu Hause sagen konnten, wir haben in Frankfurt Sachsenhausen Äppelwein getrunken.
Hinten im Lokal befanden sich weniger Gäste. Die aber waren bunt gemischt.
Banker, die nach der Arbeit noch einen kleinen Schoppen trinken wollten. Studenten, die nichts zu tun hatten und nach Mädchen Ausschau hielten. Und auch ältere Touristen, meist Ehepaare.
Früher hatte er das hier auch gemacht, nach Mädchen gesehen und geflirtet. Manchmal war er erfolgreich gewesen.
Er ließ den Blick schweifen.
Ihm fielen die einsamen Rentner auf, die hinter ihrem Apfelweinglas saßen und ihr Rippchen mit Sauerkraut oder ihr gekochtes Rindfleisch mit grüner Soße aßen.
Da er es liebte, ein Schwätzchen zu halten, während er sich eine Fleischwurst zum Äppelwein bestellte, fragte er einen sauber und altmodisch gekleideten Mann, ob er an seinem Tisch Platz nehmen dürfe und rutschte, als das bejaht wurde, auf der Bank an den Nebentisch weiter.
„Hier war ich schon als Jugendlicher“, begann er das Gespräch.
Der alte Herr lächelt.
„Hier hat sich wenig verändert, nur der Äppelwein ist besser geworden, ist nicht mehr so sauer“, ging er auf das Gespräch ein. „Hier ist Frankfurt noch Frankfurt geblieben.“
Otto Renansen nickte.
„Deshalb komme ich auch immer noch gerne hier her“, erwiderte er und prostete dem Gegenüber zu. „Und auch so sauber wie heute war der Äppelwein damals nicht“, nahm er das Gespräch wieder auf.
„Eigentlich schmecke er damals auch erst nach dem dritten Glas.“
„Ja, ja, das stimmt!“ meinte der ältere Herr und lächelte wieder.
„Ich erinnere mich an einen Schulausflug kurz vor dem Abitur zum Fuchstanz im Winter. Mit dem Schlitten.
Mit der Straßenbahn zur Hohe Mark und dann eine endloser Anstieg im Taunus zum Fuchstanz.
Dort ein oder zwei Gläser heißen Äppelwein und dann mit dem Schlitten mit Juhu zurück.
Abends haben wir dann aus Fünfliter-Bembel getrunken. Nicht in diesem Lokal, in einer andern Kneipe.
Am nächsten Morgen hatte ich einen furchtbaren Kater. Mir war schwindelig und was mir regelrechte Angst machte, waren die zackigen, weißen Flecken, die vor meinen Augen tanzten.
Ich hatte Angst, ich könne zu viel Fusel mitbekommen haben und blind werden.“
Wieder sagte der ältere Herr nur „Ja, ja!“ Dann: „Da müssen Sie sich heute aber anstrengen, um das zu erreichen.“
Die Fleischwurst mit Sauerkraut wurde gebracht. Das Gespräch verstummte.
Der Kellner hatte gleich schon unaufgefordert ein zweites Glas Äppelwein für jeden mitgebracht.
„Wohl bekomm's!“ sagte er.
Der morgendliche Blick in den Spiegel geriet zu einer freudigen Überraschung. Die Warze war weg! Oder besser, fast weg.
Der hässliche Blumenkohl war verschwunden. Die Haut hatte sich wieder geschlossen. Nur ein stecknadelgroßes Knötchen unter der Haut zeigt an, daß der Heilungsprozess noch nicht ganz abgeschlossen war.
Mit Genugtuung rasierte und wusch sich Renansen. Natürlich würde er heute in Hypnose wieder auf Jagd gehen und die fiesen Biester vernichten.
Vermutlich würde er wieder Präzisionsarbeit leisten müssen. Die fiesen Biester würden sich wahrscheinlich noch besser im Schlamm verstecken. Aber er würde sie trotzdem finden.
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