„Ja, natürlich erinnere ich mich,“ antworte Pasparo, „ und ich habe mich auch sehr bemüht. Meinem Kollegen, Sir Millton, von der ANDEREN SEITE bin ich ganz schön auf die Nerven gegangen. Ihr wisst ja, außer zu den Sicher-heitskonferenzen, will man eigentlich keinen Kontakt zu uns. Umso erstaunter war ich, wie schnell er mir schon kurz darauf den Besuch eines Sägers und zwar des Besten versprochen konnte.
Millton sagt, dass dieser Don Caruso alle Opernhäuser und Konzertsäle seiner 16
Welt füllte und es eine große Ehre für unser unbedeutendes Reich sei, dass sich der Maestro Don Caruso bereit erkläre für uns einen Liederabend zu geben und man sollte ihn ja möglichst würdevoll behandeln; denn er sei äußerst empfindlich und nachtragend.“
„Aber fahrt nur fort, Makkaroni.“, forderte der Minister den Diner auf und auch Hefax lauschte gespannt.
„Ja und dann kam der große Abend. Unser Odeon in Mescallion war bis zum letzten Platz gefüllt, die Untertanen trugen ihre schönsten und fantasievollsten Garderoben. Auf dem großen Straßenbüfett, das sich durch die ganze Innenstadt zog, hatten alle nach Herzenslust gegessen und getrunken und seine Majestät wurde bei seiner Ansprache auf dem großen Festplatz frenetisch umju-belt. Auch ich war wirklich elegant; denn Seine Hoheit hatte mir aufgetragen, die Darbietung anzusagen. Also trat ich vor den noch geschlossenen Vorhang.
Ich war etwas zu spät, aber das ist mir erst aufgefallen, schon wieder dieses erschreckende „zu spät“.“
An dieser Stelle wurde Makkaroni von Pasparo unterbrochen, „Es ist sehr merkwürdig, aber bis heute hatte ich noch nie den Eindruck, darauf achten zu müssen nicht zu spät zu kommen, aber als ihr mich ins Schloss rufen ließet, ging ich wie unter Zwang an meinen Schriebtisch uns steckte ein Geschenk in die Jackentasche, dass mir mein Kollege Millton von der ANDEREN SEITE
anlässlich eines unsere Treffen machte. Ich hatte bis heute nicht nachgesehen was sich in dem kleinen Samtbeutelchen befindet. Hier ist es!“ Mit diesen Worten legte der Minister eine goldene Taschenuhr auf den Tisch.
Keiner sprach ein Wort, aber eine Gänsehaut schien einem wie dem anderen den Rücken hinauf zu kriechen.
„Mein Gott, eine Uhr! Eine wirklich Uhr! Das ist Hexenwerk! Wie könnt ihr so etwas mit hier herbringen?“ Hefax, der Zaubermeister war außer sich. Fast schreiend hatte er dies ausgestoßen, um mit fast lautlosem Flüstern zu enden.
Die goldene Uhr schien sie höhnisch anzugrinsen und obwohl sie nicht aufge-klappt war, hörten die vier wie Hammerschläge so laut “Tick, Tick, Tick...“
„Lasst Makkaroni weiter erzählen und ihr werdet alle Zusammenhänge schnell begreifen“, unterbrach König Fisimatento die aufkommende Unruhe.
„Je eher ihr alles wisst, umso schneller können wir reagieren, wenn es nicht wirklich schon zu spät ist.“
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Mit einer Handbewegung forderte er seinen Diener auf weiter zu sprechen.
Sie waren dichter zusammengerückt und Makkaroni fuhr mit leiser verschwö-
rerischer Stimme fort.
„Also wie gesagt, ich hatte die Ehre den großen Don Caruso anzusagen. Nach meiner wunderbar ausgearbeiteten Ansage, öffnete sich der Vorhang unter lautem Jubel und da stand er. Auf einem Podest, umrahmt von unserem Staatsor-chester, in einem blütenweißen Smoking stand da die beeindruckenste Gestalt, die jemals auf einer unsere Bühnen aufgetreten war. Mit einer recht herrischen Geste beider Hände stoppte er den Beifall und Jubel. Dann hob er sein von weißen Locken umrahmtes Haupt und sagte mit einer sonoren tiefen Stimme
„Ich bin mir sicher, sie alle werden dies Abend nie mehr vergessen, den ich Don Caruso, die größte Stimme aller Zeiten, ihnen bereiten werde.“
Dann drehte er sich kurz zum Dirigenten und gab ihm Anweisung zu beginnen. Die Musik begann äußerst lieblich und bis hierher war auch noch alles in Ordnung.
Dann ertönte die allgewaltige Stimme des großen Meisters:
„Die Zeit holt alle Menschen ein
Keiner kann sich ihr entziehen,
sie bestimmt unser Leben
bis zum letzten Atembeben.“
Welch ein Text hier auf unserer ANDEREN SEITE. Was hatte sich dieser Mann dabei gedacht? Fast alle Strophen des ersten Vortrages waren ähnlich.
Eine einzige Provokation. In den Logen und im Parkett entstand leise Unruhe und Nervosität“
Diesmal wurde Makkaroni von Minister Pasparo unterbrochen. „Aber wissen das doch alles. Wir waren doch alle im Opernhaus und haben die Unverschämtheiten dieses Don Carusos mit angehört. Das ist doch alles kein Geheimnis.“
„Nun geduldet euch noch ein wenig, ich komme gleich zur Sache!“ ergriff Makkaroni wieder das Wort. „Also, Don Caruso verzog keine Miene, als sein erster Vortrag kaum Applaus bekam und sang unbeirrt weiter. Sein nächstes 18
Lied hatte wieder eine wunderbare Melodie und seine Stimme schwoll wieder so gewaltig an, wie ich es noch nie gehört habe, über mehrere Oktaven, als würde er von einer wilden außerirdischen Kraft getragen. Das Odeon schien zu zittern. Es war ein Stück über den Frevel, die Zeit zu missachten; und ich erinnere mich an den Refrain:
„Wer die Zeit als höchsten Gott nicht achtet
Sekunden und Minuten kaum beachtet
Zollt ihr nicht Respekt und Ehrerbietung
Wird in ihr verloren sein in Ewigkeit“
Sein Anblick hatte nichts mehr menschliches, als die letzte Silbe verklingen war.
Die ersten (Buh Buh) Buhrufe erschallten aus dem Zuschauerraum und dann fingen einzelne an zu lachen. Und immer mehr stimmten in das Gelächter ein, bis das ganze große Odeon ein großes einstimmiges Gejauchze war. „Geh nach Hause, du Zeitprophet,“ riefen einige. „Ja, verschwinde, du verdirbst unser schönes Fest, des Geburtstag unseren schönen Königs.“
Wie auf Kommando verließen die enttäuschten Leute ihre Plätze und strebten den Ausgängen zu.
Auch der große Don Caruso verließ die Bühne Richtung Garderobenräume.
Dies war der Moment als Ihr, Eure Majestät, mich am Arm nahmt und sagtet:
„Kommt Makkaroni, wir müssen in die Garderobe. So habe ich mir die Gesangsgala wirklich nicht vorgestellt. Man weiß halt nie, was in den Köpfen von Künstlern so vor sich geht. Aber er ist wirklich zu weit gegangen.“
„Lasst mich jetzt weiter erzählen, mein Lieber!“, ergriff Fisimatento selbst das Wort.
„Ab hier habt ihr, mein werter Pasparo und Hefax, nicht mehr mitbekommen, was sich ereignet hat. Haltet eich fest und hört, was sich in der Garderobe zutrug.“
„Eurer Majestät, ich muss mich schon die ganze Zeit festhalten, ein fast un-
überwindlicher Drang überkommt mich andauernd auf diese goldenen Uhr zu schauen um zu sehen welche Stunde sie zeigt.“
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Man sah es Hefax an, dass er die Wahrheit sprach. „Verzeiht mir bitte Eure Majestät, es geht schon wieder, bitte erzählt.“
„Nun gut, wir verließen die Königsloge und hasteten durch die Gänge in die Künstlergarderoben. An der Größten war die Tür nur angelehnt und da drinnen war der reinste Teufel los. Der große vornehme Don Caruso tobte und schrie, was das Zeug hielt. Man konnte es wirklich mit der Angst bekommen.
Aber schließlich bin ich ja der König und dieser Herr hatte sich ungebührlich verhalten gegenüber meinem Volk. Also öffneten wir die Tür und betreten die Garderobe, das Heißt, was von ihr übrig geblieben war. Der feine Herr Sänger hatte sich nicht nur verbal ausgetobt, sondern auch die ganze Einrichtung zer-trümmert. Bevor ich ein Wort an ihn richten konnte, fuhr er herum und starrte uns an, dass einem das Blut in den Adern gefrieren konnte.
„Da seid ihr ja, Ihr Anführer eines Banausenvolkes. Ihr, die Ihr die schlimmsten aller Sünden begeht. Zeit und Kunst zu verachten, sie zu verlachen anstatt sie anzubeten.“
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