Daraufhin zündete er einige Kerzen an, die den Raum langsam in ein schummeriges Licht tauchten.
Jack sah in einen Raum von etwa vier mal vier Metern. Wände und Decke waren nur grob gehauener Felsen. Doch über die gesamte Kopfwand war ein wunderschönes Relief eingearbeitet. Die Blume des Lebens. Durch das flackernde Kerzenlicht entstand der Eindruck, die Kreise würden sich drehen. An einer Wand standen zwei Stühle und ein Tisch. Vor der gegenüberliegenden Seite standen ein Bett und einige Krüge. Wahrscheinlich enthielten sie das geheimnisvolle Wasser. In der Mitte des Raumes lag ein zylindrischer Körper. Es war unmöglich, das Material zu beschreiben, aus dem er bestand. Er war ungefähr zweieinhalb Meter lang und hatte einen Durchmesser von einem guten Meter. DAS SAKRAMENT . Hier war eindeutig der Ursprung der Kraftwelle zu spüren. Jack hatte wieder fürchterliche Kopfschmerzen, die allerdings immer schwächer wurden je länger er vor dem Sakrament stand. Langsam ging Jack darauf zu. Als er direkt danebenstand, streckte er seine Hand aus und legte sie vorsichtig auf das Sakrament. Ein leicht sirrendes Geräusch ertönte. Die Berührung fühlte sich angenehm an. Seine Kopfschmerzen waren verschwunden und einem Gefühl von Stärke, Größe und einer inneren Ruhe gewichen. Langsam nahm er seine Hand wieder weg. Das sirrende Geräusch verstummte, aber sein positives Gefühl blieb. Jack drehte sich zu seinen Begleitern um.
„Irgendetwas ist mit eurem Sakrament, was ich nicht erklären kann. Ich will nicht behaupten, dass es lebendig ist. Aber davon geht etwas aus, was ich ganz deutlich spüren kann. Irgendetwas ist da. Wenn wirklich eure Schöpferin darin liegen sollte, würde es mich nicht wundern, wenn die Lady irgendwann aufsteht und sich über die Entwicklung ihrer Geschöpfe informieren möchte. Hoffentlich wird sie dann nicht sauer.“
Er sah den Abt an:
„Bruder Abt, ich danke dir, dass du mir diese Gelegenheit gegeben hast. Zwar vermag ich nicht zu sagen, was das Sakrament ist, aber ich kann bestätigen, dass da etwas ist.“
Bruder Bernard löschte die Kerzen und schloss die Tür hinter sich, als alle den Raum verlassen hatten. Auf dem Rückweg blieb Jack wieder an der gleichen Stelle stehen wie auf dem Hinweg.
„Hinter dieser Wand ist etwas, was ganz klar mit dem Sakrament in Verbindung steht. Die Aura ist genau dieselbe.“
Sie brachten Jack zurück in sein Zimmer. Der Abt verabredete sich noch für den frühen Abend zu einem weiteren Gespräch mit ihm. Anschließend setze sich der Abt mit seinen Sakramentonen noch zu einer Besprechung zusammen.
„Ja, liebe Schwester und Brüder. Was ist eure Meinung zu diesem Vorgang? Ich weiß nicht was ich davon halten soll. So ein Fall ist noch nie vorgekommen. Dass ein nicht Eingeweihter die Tür zur Sakramentskammer öffnen konnte, ist bisher einmalig. Auch, dass durch die Berührung des Sakraments eine akustische Reaktion ausgelöst wurde, ist einmalig. Und vor allem, was am außergewöhnlichsten ist: Er steht vor dem getarnten Eingang unserer Schatzkammer und spürt dort die Aura. Dass jemand eine stärkere Verbindung zum Sakrament hat als wir, sollte uns zu denken geben!
Wir wissen, dass das Sakrament nach eigenem Ermessen handeln kann. Dazu finden sich Aufzeichnungen in unserem Archiv. Unsere früheren Brüder haben diese Handlungen nicht verstanden, aber trotzdem stets akzeptiert. Später stellte sich heraus, dass genau diese Handlungen die einzig richtigen waren. Ich bin der Meinung, dass wir uns daran ein Beispiel nehmen sollten. Schließlich haben wir eine Vergangenheit, sogar eine ziemlich lange. Und wenn wir daraus nicht lernen würden, wären wir ignorant.“
Jetzt übernahm Bruder Bernard das Wort.
„Ich wollte meinen eigenen Augen nicht trauen, als Jack einfach die Tür zur Sakramentskammer öffnete. Das hat es noch nie gegeben! Aber was mich noch viel mehr verwundert hat, dass er vor der Schatzkammer stehen blieb und sagte, dahinter sei irgendetwas. Es gibt dort etliche Artefakte, die in direktem Zusammenhang zum Sakrament stehen. Aber dass jemand die Aura dort spürt, ist bisher einmalig. Die Schatzkammer wird ja eigentlich nur alle fünf Jahre geöffnet. Das nächste Mal wäre das in knapp zwei Jahren. Ich möchte hiermit vorschlagen, dass wir diesen Rhythmus unterbrechen und Jack in die Kammer bringen. Wahrscheinlich kann er uns sogar sagen, was genau dort die Aura eigentlich ausstrahlt. Das würde mich schon sehr interessieren. Und wahrscheinlich nicht nur mich.“
Hier schaltete sich Bruder Wolfgang ein:
„Das stimmt. Wie wir alle wissen, sind technische Untersuchungen am Sakrament nicht möglich. Aber vielleicht könnte man sie an dem Artefakt, das in der Schatzkammer die Aura erzeugt, vornehmen. Das wäre zumindest einen Versuch wert. Außerdem habe ich noch einen anderen Vorschlag: Seit zwei Tagen arbeite ich mit Jack zusammen. Er hat mir gezeigt, dass die Schutzeinrichtungen unseres Servers nicht optimal waren. Diese Zusammenarbeit war sehr effektiv.
Es ist geplant, dass unser gesamtes Archiv zu digitalisieren. Das ist Arbeit für mehrere Jahre. Und, wir können sie nicht einfach an eine externe Firma vergeben. Das kann nur ein Eingeweihter machen. Heute Morgen haben wir beschlossen, dass wir eine Gruppe Mitarbeiter aufbauen wollen, die direkt unter den Sakramentonen angesiedelt ist. Das erste Mitglied soll Aleyn sein. Was würde dagegensprechen, wenn Jack das zweite Mitglied würde? Vorausgesetzt, er hätte Interesse daran.“
Der Abt sah Bruder Wolfgang an.
„Das ist ein sehr guter Vorschlag. Was meinen die anderen?“
Der Vorschlag wurde sofort von allen angenommen. Die Resonanz des Sakraments war zu eindeutig gewesen. Da der Abt am selben Tag noch ein Gespräch mit Jack führen würde, sollte er ihn direkt danach fragen. Damit wurde die Besprechung für diesen Tag beendet.
Der Abt ging anschließend also direkt zu Jack. Der erwartete ihn schon aufgeregt:
„Ich muss ehrlich sagen, dass die Begegnung mit dem Sakrament sehr beeindruckend war. Das hatte ich mir so nicht vorgestellt. Es ist wirklich etwas, dass man nicht mit Logik oder Zahlen erklären kann.“
„Es freut mich, dass ich dich überzeugen konnte. Obwohl, eigentlich hat dich ja das Sakrament selbst überzeugt. Wie auch immer, ich möchte mich heute gerne mit dir über den zweiten Vers der Schöpfungsgeschichte unterhalten. Außerdem habe ich noch zwei andere Themen über die ich mit dir reden möchte. Du erinnerst dich noch an den zweiten Vers? Vorsichtshalber habe ich ihn dir noch einmal mitgebracht.“
Er reichte Jack den entsprechenden Text.
„Das Wichtigste zuerst. Deine Freundin Sabine hat auf deinen Kommentar geantwortet. Sie freut sich über deinen bemerkenswerten Text und bestellt auch dem kleinen Jacki schöne Grüße. Was immer das heißen mag.“
Obwohl Jack über diese Nachricht sehr froh war, errötete er sichtlich.
„Das ist auch nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Aber jetzt bin ich sicher, dass Sabine mich verstanden hat. Und darüber bin ich sehr glücklich.“
„Gut. Hat Bruder Wolfgang dir unseren Fitnessraum gezeigt?“
„Ja, hat er. Und weil Bruder Andreas gerade beim Training war, ist Wolfgang schnell wieder gegangen. Andreas hat mir die einzelnen Geräte erklärt und mir ein, seiner Meinung nach, kleines Programm zusammengestellt. Ich habe versucht, es abzuarbeiten, habe aber dann trotz der Kraftwelle gepasst. Du musst bedenken, dass ich noch nie in meinem Leben Sport getrieben habe. Eigentlich müsste ich einen höllischen Muskelkater haben. Wenn es geht, werde ich jeden Tag versuchen eine Stunde zu trainieren. Ich glaube schon, dass es mir gut tun wird. Auch wenn Andreas etwas sagte, dass sich nach 'körperliche Koordination wie ein Kartoffelsack' anhörte. Aber vielleicht habe ich das ja nur nicht richtig verstanden.“
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