Welchen ich selbst in Banden geführt, auch sonst ein Achaier?
Oder ein jugendlich Weib, ihr beizuwohnen in Wollust,
Wann du allein in der Stille sie hegst? Traun, wenig geziemt sich's,
Führer zu sein und in Jammer Achaias Söhne zu leiten!
Weichlinge, zag und verworfen, Achairinnen, nicht mehr Achaier!
Laßt doch heim in den Schiffen uns gehn und diesen vor Troja
Hier an Ehrengeschenken sich sättigen, daß er erkenne,
Ob auch wir mit Taten ihm beistehn oder nicht also!
Hat er Achilleus doch, den weit erhabneren Krieger,
Jetzo entehrt und behält sein Geschenk, das er selber geraubet!
Aber er hat nicht Gall in der Brust, der träge Achilleus!
Oder du hättest, Atreide, das letztemal heute gefrevelt!
Also schalt Thersites den Hirten des Volks Agamemnon,
Atreus' Sohn. Ihm nahte sofort der edle Odysseus;
Finster schaut' er auf jenen und rief die drohenden Worte:
Törichter Schwätzer Thersites, obgleich eintönen der Redner,
Schweig und enthalte dich, immer allein mit den Fürsten zu hadern!
Denn nicht mein ich, daß irgendein schlechterer Mensch wie du selber
Wandle, so viel herzogen mit Atreus' Söhnen vor Troja!
Nie drum nenne dein Mund die Könige vor der Versammlung!
Schreie sie nicht mit Schmähungen an, noch laur auf die Heimfahrt!
Denn noch wissen wir nicht, wohin sich wende die Sache,
Ob wir zum Glück heimkehren, wir Danaer, oder zum Unglück.
Sitzest du, Atreus' Sohn, den Hirten des Volks Agamemnon,
Darum zu schmähn allhier, weil ihm die Helden Achaias
Schätze so reichlich geschenkt, und lästerst ihn vor der Versammlung?
Aber ich sage dir an und das wird wahrlich vollendet:
Find ich noch einmal dich vor Wahnsinn toben wie jetzo,
Dann soll Odysseus' Haupt nicht länger stehn auf den Schultern,
Dann soll keiner hinfort des Telemachos Vater mich nennen,
Wenn ich nicht dich ergreif und jedes Gewand dir entreiße,
Deinen Mantel und Rock und was die Scham dir umhüllet,
Und mit lautem Geheul zu den rüstigen Schiffen dich sende
Aus der Versammlung, gestäupt mit schmählichen Geißelhieben!
Also der Held, und zugleich mit dem Zepter ihm Rücken und Schultern
Schlug er; da wand sich jener, und häufig stürzt' ihm die Träne.
Eine Striem erhub sich mit Blut aufschwellend am Rücken
Unter des Zepters Gold. Er setzte sich nun und bebte,
Murrend vor Schmerz, mit entstelltem Gesicht und wischte die Trän ab,
Rings wie betrübt sie waren, doch lachten sie herzlich um jenen.
Also redete mancher, gewandt zum anderen Nachbar:
Traun, gar vieles bereits hat Odysseus Gutes vollendet,
Heilsamen Rat zu reden berühmt und Schlachten zu ordnen;
Aber anjetzt vollbracht er das Trefflichste vor den Argeiern,
Daß er den ungestümen und lästernden Redner geschweiget!
Schwerlich möcht er hinfort, wie das mutige Herz ihn auch antreibt,
Wider die Könige sich mit schmähenden Worten empören!
Also das Volk. Da erhub sich der Städteverwüster Odysseus,
Haltend den Herrscherstab; und neben ihm Pallas Athene,
Gleich an Gestalt dem Herold, gebot Stillschweigen den Völkern,
Daß die Nächsten zugleich und die äußersten Männer Achaias
Hörten des Redenden Wort und wohl nachdächten dem Rate.
Jener begann wohlmeinend und redete vor der Versammlung:
Atreus' Sohn, nun bereiten die Danaer dir, o Gebieter,
Hohn und Schmach vor den Völkern des redenden Menschengeschlechtes
Und vollenden dir nicht die Verheißungen, die man gelobet,
Als man hieher dir folgt' aus der rossenährenden Argos:
Heimzugehn, ein Vertilger der festummauerten Troja.
Denn wie zarte Kindelein tun und verwitwete Weiber,
Klagen sie dort einander ihr Leid und jammern um Heimkehr.
Freilich ringt wohl jeder, wer Trübsal duldet, nach Heimkehr.
Denn wer auch einen Mond nur entfernt ist seiner Gemahlin,
Weilet ja schon unmutig am vielgeruderten Schiffe,
Welches der winternde Sturm aufhält und des Meeres Empörung.
Doch uns schwand das neunte der rollenden Jahre vorüber,
Seit wir allhier ausharren. Ich tadele nicht die Achaier,
Daß man traurt bei den Schiffen und heimstrebt. Aber es wär uns
Schändlich doch, die so lange geweilt, leer wiederzukehren!
Duldet, o Freund', und harrt noch ein weniges, daß wir erkennen,
Ob uns Wahrheit von Kalchas enthüllt ward oder nicht also.
Denn wohl denken wir jenes im Geiste noch, und ihr bezeugt es
Alle, die nicht wegführten die graulichen Keren des Todes.
Gestern war's, wie mir deucht, da sich unsere Schiffe bei Aulis
Sammelten, Böses zu bringen dem Priamos selbst und den Troern.
Ringsher opferten wir um den Quell den unsterblichen Göttern
Auf geweihten Altären vollkommene Festhekatomben,
Unter des Ahorns Grün, dem blinkendes Wasser entsprudelt.
Sieh, und ein Zeichen geschah. Ein purpurschuppiger Drache,
Gräßlich zu schaun, den selber ans Licht der Olympier sandte,
Unten entschlüpft' dem Altar, fuhr schlängelnd empor an dem Ahorn.
Dort nun ruhten im Neste des Sperlinges nackende Kindlein
Oben auf schwankendem Ast und schmiegten sich unter den Blättern,
Acht; und die neunte war der Vögelchen brütende Mutter.
Jener nunmehr verschlang die kläglich Zwitschernden alle,
Nur die Mutter umflog mit jammernder Klage die Kindlein,
Bis er das Haupt hindreht' und am Flügel die Schreiende haschte.
Aber nachdem er die Jungen verzehrt und das Weibchen des Sperlings,
Stellte zum Wunderzeichen der Gott ihn, der ihn gesendet:
Denn zum Stein erschuf ihn der Sohn des verborgenen Kronos.
Wir nun standen umher und stauneten ob der Erscheinung,
Wie doch solcherlei Graun eindrang in der Himmlischen Opfer.
Schleunig vor allem Volk weissagete Kalchas der Seher:
Warum steht ihr verstummt, ihr hauptumlockten Achaier?
Uns erschuf dies Wunder der Macht Zeus' waltende Vorsicht,
Spät von Dauer und spät erfüllt, zu ewigem Nachruhm!
Gleichwie jener die Jungen verzehrt und das Weibchen des Sperlings,
Acht, und die neunte war der Vögelchen brütende Mutter:
Also werden wir dort neun Jahr auch kriegen um Troja,
Doch im zehnten die Stadt voll prächtiger Gassen erobern.
So weissagete jener, und nun wird alles vollendet.
Auf denn, bleibt miteinander, ihr hellumschienten Achaier,
Hier nun, bis wir gewonnen des Priamos türmende Feste!
Jener sprach's; aufschrien die Danaer laut und umher scholl
Ungestüm von den Schiffen das Jubelgetön der Achaier,
Alle das Wort hochpreisend des göttergleichen Odysseus.
Drauf vor jenen begann der gerenische reisige Nestor:
Götter! Ja, traun, ihr redet wie Knäbelein hier in Versammlung,
Die unmündig noch nichts um Taten des Kriegs sich bekümmern!
Wo sind unsre Verheißungen nun und die heiligen Schwüre?
Soll denn in Rauch aufgehen der Rat und die Sorge der Männer,
Opfer des lauteren Weins, und der Handschlag, dem wir vertrauet?
Denn mit eiteler Rede ja zanken wir; aber vergebens
Spähen wir heilsamen Rat, wie lange wir hier auch verweilen!
Atreus' Sohn, du künftig wie vor unerschütterten Herzens
Führe der Danaer Volk in wütendes Waffengetümmel.
Aber dahin laß schwinden die einzelnen, welche gesondert
Etwa von uns ratschlagen (denn nie wird solchen Erfüllung),
Heim gen Argos zu kehren, bevor vom Ägiserschüttrer
Wir er erkannt, ob Täuschung gelobete oder nicht also.
Denn ich sag, uns winkte der hocherhabene Kronion
Jenes Tags, da wir stiegen in meerdurchgleitende Schiffe,
Argos' Volk, die Troer mit Mord und Verderben bedrohend:
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