In Kürze geb' auf eure Frag' ich Antwort.
Sobald geschieden ist vom Leib die Seele,
Von dem sie selber sich verzweifelnd losriß,
Schickt sie zum siebenten der Schlünde Minos.
Kein fester Punkt im Wald ist ihr beschieden;
Nein, wo das Ungefähr sie hingeschleudert
Da keimt und sproßt sie wie ein Samenkorn,
Sie wächst zum Schößling und zum Waldesbaume
Es schaffen die Harpy'n, von ihrem Laube
Sich nährend, Schmerz ihr und dem Schmerz ein Tor.
Auch wir erhalten einst die Erdenhülle
Zurück; doch nicht, sie wieder anzuziehn,
Denn niemandem gebührt was er sich selbst nahm.
Wir schleppen sie hierher, und allerwärts
Im dunklen Wald wird eines jeden Körper
An seines lästgen Schattens Baum gehenket.
Noch waren wir dem Stamme zugewandt,
Im Glauben, daß er mehr uns sagen wollte,
Als uns ein seltsam Rauschen überraschte,
Wie der es wohl vernimmt, auf dessen Standort
Der Keiler mit der Jagd im Sturm herankommt
Und Wild und Hund' und morsche Zweige toben.
Da stürzten nackend und zerkratzt zur Linken
Zwei Schatten in so wilder Flucht hervor,
Daß alles Waldgezweige sie durchbrachen.
Der vordre schrie: Komm Tod und mach' ein Ende!
Der andre, der zu folgen nicht vermochte,
Rief: Lano, wahrlich deine Füße waren
Nicht so behende beim Turnier von Toppo!
Und, weil der Atem ihm vermutlich ausging,
Barg er sich kauernd in des Strauchs Gezweige.
Doch hinter ihnen wimmelte der Wald
Von Rüden schwarz und gierig, die dem Windhund,
Der von der Kette loskommt, zu vergleichen.
In den Geduckten schlugen sie die Zähne,
Zerfleischten stückweis ihn, und mit den Gliedern,
Die schmerzhaft zuckten, eilten sie von dannen.
Der treue Führer nahm mich bei der Hand
Und leitete zum Strauch mich, der vergebens
Aus seinen Wunden blutete und klagte.
O Jacob, rief er aus, von Sant' Andrea,
Was half es dir, als Schild mich zu gebrauchen?
Nicht Schuld bin ich an deinem wüsten Leben.
Als nun mein Meister bis zu ihm gelangt war,
Frug er: Wer bist du, dem aus so viel Brüchen
Die Schmerzensrede und das Blut hervorquillt?
Er aber sprach: Ihr Seelen, die gekommen
Zu sehn, wie schmachvoll ich Mißhandlung litt,
So daß mein Laub fern um mich her verstreut ist,
So sammelt es am Fuß des traur'gen Busches
Der Stadt gehört' ich an, die mit dem Täufer
Den ersten Schutzpatron vertauscht, weshalb er
Stets Unheil ihr durch seine Kunst bereitet.
Und wäre nicht am Übergang des Arno
Ein Bruchstück noch von seinem Bilde sichtbar,
So wär' umsonst der Bürger Müh gewesen,
Die auf der Asche, welche Attila
Nur übrig ließ, die Stadt aufs neu gegründet.
Zum Galgen wählt ich mir die eignen Häuser.
Weil mich das Mitgefühl der gleichen Heimat
Bewegte, sammelt' ich die losen Blätter
Am Fuß des matt gewordenen Strauches auf.
Dann kamen dorthin wir, wo von dem zweiten
Der dritte Ring sich trennt und wir die grause
Kunst göttlicher Gerechtigkeit erblickten.
Was sich hier zeigte wohl zu schildern, sag' ich
Daß wir zu einer weiten Fläche kamen,
Die keiner Pflanze Wuchs auf sich gestattet.
Der Wald des Weh's umgibt gleich einem Kranz sie,
Wie diesen wiederum der heiße Blutstrom.
Dort gingen wir entlang am letzten Saume.
Die Tenne war von dichtem, trocknem Sande,
Beschaffen gleich dem Wüstensande, den
In Lybien Cato's Füße einst betreten.
Wie sehr, o Rache Gottes, sollte jeder
Dich fürchten, der da liest, was meinem Auge
Auf diesem Sandgefild sich offenbarte:
Von nackten Seelen sah ich manche Schar
Und alle jammerten vor Schmerz, obwohl
Verschiedner Ordnung sie botmäßig schienen.
Die einen lagen rücklings ausgestreckt,
Am Boden sitzend kauerten die zweiten,
Noch andere rannten rastlos hin und wieder.
Die größte Zahl war deren, die da liefen
Die liegend Qual erlitten waren minder,
Doch lauter klagend regten sie die Zunge.
Und große Feuerflammen fielen leise
Auf jenes Sandes weite Fläche nieder,
Wie Schnee bei stiller Luft im Hochgebirge.
So wie die Flammen, die auf Alexander's
Heerschar im heißen Indien niederfielen
Und ihre Glut am Boden noch bewahrten
(Weshalb der König seine Leute hieß,
Das Erdreich festzustampfen, weil die Dünste
Für sich allein sich besser löschen ließen),
So regnete die ew'ge Glut hernieder,
Wovon der Sand, zur Qualverdopplung, brannte,
Wie unterm Feuerstahl sich Schwamm entzündet.
Es war ohn' Unterlaß der Tanz der Hände,
Womit bald hier bald dort sich die Gequälten
Des frischen Brandes zu erwehren suchten.
O, Meister, hub ich an, der alle Dinge
Bezwingt, die bösen Teufel ausgenommen,
Die uns am Eingangstor entgegentraten,
Wer ist der Große, welcher diese Flammen
Für nichts zu achten scheint und trotzig daliegt,
Als ob der Feuerregen ihn nicht kümmre?
Doch jener, der vernahm, daß seinetwegen
Ich meinen Führer frug, schrie mir zur Antwort:
Der ich im Leben war, bleib' ich im Tode!
Mag Jupiter nur seinen Schmied ermüden,
Von dem im Zorn den scharfen Blitz er nahm,
Zu Boden mich am letzten Tag zu schmettern,
Mag in des Mongibello schwarzer Esse
Im Wechseldienst die andren er ermatten
Und schrein: Zur Hilfe komm, Vulcan zur Hilfe,
So wie er schrie bei jenem Kampf von Phlegra,
Mag Blitz' er nach mir schleudern wie er will;
Nie soll er Freud' an seiner Rach erleben.
Da sprach mein Führer mit gehobner Stimme,
Daß ich so laut ihn nimmer noch vernommen:
O Kapaneus, daß ungebeugt dein Stolz ist,
Darin erleidest du die schwerste Strafe;
Denn keine Qual vermöchte deinen Frevel
So zu vergelten, als wie deine Wut.
Dann, freundlicheren Blicks zu mir gewendet:
Von jenen sieben Königen war er einer,
Die Theben einst belagert, und noch scheint er
So wie er damals tat, Gott zu verachten.
Doch ist sein Schmähen, wie ich eben sagte,
Für seine Brust die wohlverdiente Zierde.
Nun aber folge mir und habe acht,
Den Sand, der glimmend ist, nicht zu betreten;
Stets halte hart am Walde sich dein Fuß.
Wir gingen schweigend, bis wir zu der Stelle
Gelangten, wo dem Wald' ein kleines Flüßchen
Entquillt, ob dessen Röte noch mir schaudert.
Wie aus dem heißen Sprudel bei Viterbo
Der Bach rinnt, den die Sünderinnen teilen,
So rann dies Flüßchen durch den Sand dahin.
Sein Boden und die Ufer beiderseitig,
So wie die Ränder, waren fester Stein;
Daraus erriet ich, daß dort unser Weg sei.
Von allem was seither ich dir gewiesen,
Seitdem durch jene Pforte wir gekommen,
Durch welche einzutreten jedem freisteht,
Sah nichts dein Auge, das bemerkenswert
Gleich diesem Bach ist, welcher über sich
Jedwede Glut des Feuerregens auslöscht.
So lauteten die Worte meines Meisters;
Drum bat ich, daß die Speis' er mir gewähre,
Zu der die Lust in mir er wachgerufen.
Einsam im Meer liegt ein verwüstet Eiland,
Entgegnet' er darauf, des Nam' ist Kreta.
Keusch war die Welt, als einst sein Fürst regierte.
Dort ist ein Berg, der sonst durch Wald und Quellen
Das Aug' erfreut, und den man Ida nannte;
Verwüstet ist er jetzt und ungeachtet.
Den wählte Rhea einst zur sichren Wiege
Für ihren Sohn, und ließ, sobald er weinte,
Ihn übertönendes Geschrei erheben.
Aufrecht in jenem Berge steht ein Greis!
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