1 ...8 9 10 12 13 14 ...19 Der dritt' ist Pholus, der so voller Zorn war.
Zu Tausenden umkreisen sie den Graben
Und wehren mit dem Pfeilgeschosse jedem,
Der mehr als seine Schuld gestattet auftaucht.
Als wir genaht den schnellen Ungetieren,
Nahm Chiron einen Pfeil, und mit der Kerbe
Strich zu der Kinnlad' er den Bart zurück.
Dann mit dem großen unverhüllten Munde
Sagt' er zu den Gefährten: Saht ihr wohl,
Wie, was der zweite anrührt, sich beweget?
Der Toten Fuß hat solche Wirkung nimmer.
Mein Führer, der ihm schon zur Seite stand
Da wo sich Mensch- und Tiergestalt berühren,
Erwidert' ihm: Gewiß ist er lebendig
Ich muß dies dunkle Tal ihm einsam zeigen;
Notwendigkeit, nicht Lust ists, die ihn herbringt.
Sein Hallelujasingen unterbrach
Ein hehrer Geist, der solche Pflicht mir auftrug;
Kein Dieb ist er, ich keines Räubers Schatten.
Doch, bei der Kraft, die auf so wildem Pfade
Mich wandeln heißt, gib aus der Schar der deinen
Uns einen mit, der unsre Schritte leitend
Des Blutstroms Furt uns zeigt, und der hinüber
Auf seinem Rücken diesen, der kein Geist ist
Und durch die Luft nicht gehn kann, willig trage.
Da wandte Chiron sich zur rechten Seite
Und sagte: Nessus, geh' sie zu geleiten,
Und trefft ihr andre, heiße Platz sie machen.
So gingen in verläßlicher Begleitung
Den Strand des roten Sudes wir entlang,
Aus dem der Wehruf der Gesottnen tönte.
Bis zu den Brau'n im Blut sah ich die einen:
Das sind Tyrannen, sagte der Zentaur.
Die reichlich Blut vergossen und geplündert,
Beweinen hier erbarmungslose Taten.
Sieh Alexander hier und Dionysen,
Durch den Sizilien arge Zeit erfuhr.
Und jene Stirn mit dunkelschwarzem Haare
Gehört dem Azzolin; der Blonde aber
Ist Obizzo von Este, den in Wahrheit
Der Stiefsohn droben in der Welt gemordet.
Drauf wandt' ich mich zum Meister; doch er sagte:
Jetzt sei dir Nessus erster, ich nur zweiter.
Nicht weit davon hielt der Zentaur bei Schatten,
Die aus dem heißen Strom bis zu der Kehle
Auftauchen durften, seine Schritte an.
Auf einen, der allein stand, deutend, sprach er,
Das Herz durchbohrte der in Gottes Schoße,
Das an der Themse Strande noch geehrt wird.
Und andre Geister sah ich weiterhin,
Die aus dem Fluß so Haupt als Brust erhoben;
Nicht wenige von dieser Zahl erkannt' ich.
Und seichter ward das Blut und immer seichter,
Daß es zuletzt die Füße nur bedeckte;
Da war's, wo wir den Graben überschritten.
Wie du gesehn hast, daß auf dieser Seite,
Sprach der Zentaur, der Strom des heißen Blutes
Sich mehr und mehr verflacht, so sollst du glauben,
Daß dort hinaus sein Boden immer tiefer
Sich senkt, bis er bei jener Stelle anlangt,
Wo Tyrannei in schwerer Marter seufzet:
Dort straft die göttliche Gerechtigkeit
Den Attila, der eine Geißel war,
Nebst Pyrrhus und nebst Sextus, und preßt ewig
Dem Rinier Pazzo und dem von Corneto,
Die raubend heimgesucht des Landes Straßen,
Die Tränen aus, die durch den Sud entquollen.
Dann wandt er sich zur Rückkehr durch die Furt.
Noch war nicht jenseits Nessus angekommen,
Als wir in ein Gebüsche uns vertieften;
In dessen Dickicht sich kein Pfad uns zeigte.
Dort war kein grünes, sondern düstres Laub,
Nicht glatte, sondern knorrig krumme Zweige,
Nicht Früchte, sondern giftgefüllte Stacheln.
Nicht hausen in so dichtverwachs'nem Dorne
Die wilden Tiere, die dort von Corneto
Zur Cecina bewohntes Land vermeiden.
Hier baun ihr Nest die häßlichen Harpyen,
Die mit Verkündigung zukünft'gen Leides
Von den Strophaden die Trojaner trieben.
Groß sind die Flügel, Hals und Antlitz menschlich,
Der Bauch befiedert und bekrallt die Füße;
Ihr Wehruf tönt von den seltsamen Bäumen.
Der gute Meister sagte: Eh' du weiter
Hineingehst, wisse, daß im zweiten Ringe
Du bist und bleiben wirst, bis du gelangest
Zur grauenvollen Fläche glühnden Sandes.
Drum merke wohl auf; Dinge wirst du sehen,
Die meinem Worte, sagt' ich's, Glauben nähmen.
Wehklagen hört' ich schon von jeder Seite;
Doch weil ich niemand wahrnahm, der sie ausstieß,
Hielt ich betreten an mit meinen Schritten.
Ich glaub', er glaubte wohl, ich möchte glauben,
Die vielen Stimmen rührten her von Leuten,
Die in dem Dickicht sich vor uns verbergen.
Drum sprach zu mir der Meister: Wenn von einem
Der Bäume hier du eine Gerte abbrichst,
So wird der Wahn, den du jetzt hegst, erblassen.
Ein wenig vorwärts reckt' ich meine Hand
Und raubt' ein Zweiglein einem großen Baume.
Da rief der Stamm: Wer heißt dir, mich verletzen?
Und als der Bruch von Blut sich dunkel färbte,
Rief er aufs neu': Warum zerpflückst du mich?
Ist deine Brust so völlig mitleidsleer?
Jetzt sind wir Stämme; doch wir waren Menschen
Und wären wir von Schlangen nur die Seelen,
So sollte deine Hand mitleid'ger sein.
Wie, wenn ein grüner Klotz am einen Ende
Im Feuer liegt, er an dem andern zischt
Und von der Luft die sich herausdrängt stöhnet,
So drängten sich aus jenem Bruche Worte
Und Blut hervor, so daß ich gleich dem Manne,
Den Furcht ergreift, das Zweiglein fallen ließ.
Gekränkte Seele, sagte drauf mein Meister,
Hätt' ohne eignes Anschaun er vermocht
Zu glauben, was mein Lied nur ihm berichtet,
So hätte nicht er sich an dir vergriffen.
Doch die Unglaublichkeit der Sache ließ
Mich ihn zu tun bewegen, was mich selbst schmerzt.
Nun sag' ihm, wer du bist, und deinen Ruf
Wird er, zu ein'ger Buße, in der Welt
Zu der er wiederkehren darf, erfrischen.
So sehr besticht mich, sagte drauf der Stamm,
Dein süßes Wort, daß ich nicht schweigen kann;
Gewährt mir drum ein williges Gehör.
Ich bin's, der in der Hand die beiden Schlüssel
Zu Friedrichs Herzen hielt, und so gelinde,
Zum Öffnen wie zum Schließen, sie bewegte,
Daß sein Vertrauen fast niemand mit mir teilte.
Treu blieb ich meines hohen Amtes Pflichten,
So daß ich Puls' und Adern drum verlor.
Doch jene Hure, die die frechen Blicke
Stets dahin wendet, wo der Kaiser herbergt,
Die allwärts Tod bringt, doch am Hof daheim ist,
Entflammte gegen mich all die Gemüter,
Daß die entflammten Friedrich selbst entflammten
Und Ehr und Freud' in Jammer sich verkehrten.
Da machte gegen mich, den sonst gerechten,
Um sterbend der Verachtung zu entgehn,
Des Unmuts Bitterkeit mich ungerecht.
Doch, bei den neuen Wurzeln dieses Stammes
Beschwör ich's, daß ich nimmer meinem Herrn
Der so der Ehre wert war, Treue brach.
Kehrt wer von euch zurück zur Oberwelt,
So richt' er mein Gedächtnis wieder auf,
Das von des Neides Schlag daniederliegt.
Ein wenig wartet' er, dann sprach mein Meister
Zu mir: Da er nicht weiter redet, eile
Ihn noch zu fragen, was du wissen möchtest.
Ich aber sagte: Frage du ihn lieber
Nach dem was wichtig du für mich erachtest;
Ich könnt' es nicht, weil Mitleid mich bewältigt.
Drauf sprach er wieder: Soll, was du gebeten,
Der Mann hier gern und reichlich dir gewähren,
So woll' uns noch, gefangner Geist, berichten,
Wie sich an dies Geäst die Seele bindet.
Und sag' uns auch, wenn du es kannst, ob jemals
Aus solchem Leib sich eine wieder losmacht.
Da schnob der Stamm gar sehr, bis solches Schnauben
Zu diesen Worten endlich sich gestaltet:
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