Wir fuhren mit dem Taxi zum Hotel, das mitten in der Innenstadt gelegen war. Vor dem Hotel sagte George zu mir, dass er nicht mitkommen könnte, weil er das alles nicht bezahlen kann und kein Geld hat. Ich versicherte ihm, dass alles schon bezahlt war und wir nun erst mal reingehen sollten. Er wartete mit Abstand in der Lobby und ich ging an die Rezeption. Wir bekamen einen Schlüssel, und der Hotelpage begleitete uns in das Zimmer.
Es war ganz wunderbar. Es bestand aus einem Schlafzimmer mit Schreibtisch und Fernseher und einem extra kleinen Raum mit Couch und einem zweiten Fernseher. Es gab ein kleines Bad mit Duschwanne und ich war glücklich und erschöpft, doch einfach auch viel zu aufgeregt.
Wir gingen ans Meer, das nur 100 Meter vom Hotel entfernt lag.
Die Sonne schien wunderbar warm, dafür dass wir Anfang November hatten. Wir gingen die kilometerlange Uferpromenade entlang.
Es war einfach phantastisch: Griechenland, Meer, Sonne.
Wir setzten uns am weißen Turm, dem Wahrzeichen von Thessaloniki, auf eine Mauer und redeten ununterbrochen über alles, was uns in den Sinn kam. Vor allem war für uns beide gleich klar, dass wir hier nur eine Freundschaft aufbauen wollten und nicht mehr. Keine anderen Gefühle. Und das war o.k.
Wir gingen zurück, entlang an der Uferpromenade und setzten uns an der Platia Aristotelous in ein Cafe. Wir schauten auf das Meer und erzählten, wie damals auf Lesbos, als würden wir uns schon ewig kennen.
Wieso war mir dieser Mann, obwohl wir uns kaum kannten, so vertraut?
Eine unglaubliche Atmosphäre. In diesem Augenblick brachte er mir meinen „verlorenen“ besten Freund Maurice zurück. Momente, die ich so sehr vermisste.
Wir gingen die Straßen entlang und sahen uns die Schaufenster der Geschäfte an. Es war kurz nach 17 Uhr, als wir noch einmal an die Promenade, direkt ans Meer zurückkamen. Die Sonne versank gerade blutrot im Meer.
Ein Sonnenuntergang, der unser Wiedersehen einfach wun-derschön untermalte, vollendete diesen Tag.
Die Sonne versank und wir schlenderten zurück zum Hotel um zu relaxen. Es war Abend geworden, wir waren müde und beschlossen im Hotel zu Abend zu essen.
An der Rezeption fragten wir, ob wir etwas Warmes zu essen bekommen könnten. Der nette Herr an der Rezeption sagte uns, dass er uns im Frühstücksraum, im 1. Stock schon mal das Licht und auch Musik anmachen würde. Es wären im Moment nicht so viele Gäste im Hotel. Selbstverständlich könnten wir auch etwas zu essen bekommen. Er gab uns eine Speisekarte und wir suchten gemeinsam etwas aus. Der Rezeptzionist nahm die Bestellung entgegen und George und ich machten uns auf den Weg in den ersten Stock.
Irgendwie war es ganz romantisch, denn wir waren die Einzigen und ich erzählte George, dass mich die Situation irgendwie an einen reichen Mann und eine Frau erinnerte, die ein ganzes Lokal für sich gemietet hatten um mit Zeit und in Ruhe alles was jetzt geschah zu genießen. Ein bisschen wie im Film. Wir hatten zwei Gläser Retsina, einen Cesar`s Salat und gebratenen Fisch, Spaghetti mit Meeresfrüchten und gegrilltes Gemüse bestellt. Das Essen wurde nach und nach serviert und der ganze Tisch war übervoll mit Essen. Wir erzählten, lachten, aßen, tranken und wir genossen diesen Abend sehr intensiv.
Danach bestellte ich mir noch einen Ouzo an der Bar, dann gingen wir zurück in unser Zimmer. Um halb zwölf Uhr fiel ich todmüde und voller neuer Eindrücke in meinem Kopf ins Bett.
George ging, ganz Gentlemen like, hinaus und kam erst eine halbe Stunde später zurück, um dann noch in einem kleinen, angrenzenden Raum Fernsehen zu schauen. Ich schlief sofort ein. Kalinichta. Gute Nacht.
Soviel Englisch hatte ich schon seit Jahren nicht mehr ge-sprochen. Es war anstrengend, aber ich wollte ihm so viele Geschichten aus meinem Leben erzählen.
Es tat so gut wieder zu reden. Gespräche mit einem Freund zu haben.
In Gedanken sah ich manchmal Maurice vor mir, er fehlte mir.
Um halb acht Uhr stand ich auf und nahm eine heiße Dusche, wie herrlich!
Es war kurz vor neun Uhr als ich ins Schlafzimmer ging und dort sah ich George noch sanft schlafen. Er sah aus wie ein Engel und wenn ich heute noch meine Augen schließe und daran denke, dann kommt sofort wieder dieses Bild zurück in meinen Kopf.
Ich wollte mir diesen Augenblick einprägen, er sah so friedlich, so sanft aus. Ich habe ihn jeden Morgen so beobachtet.
Nachdem er aufgewacht war und sich angezogen hatte, gingen wir hinaus und bestellten Cappuccino in einem Cafe an der Platia, Kalimera. Guten Morgen. Wir schauten wieder auf das Meer und genossen gemeinsam den Morgen.
Er wollte mir nun die ganze Stadt zeigen und wir liefen los. Er war voller Stolz mir alle Sehenswürdigkeiten zu zeigen: Das Denkmal von Alexander dem Großen, den einheimischen Markt, auf dem ich ein paar Gewürze, Nüsse und Honig kaufte, den Triumphbogen und die Palastanlage des Galerius. An der Ostseite gelegen, den Bogen der Kamara, die antike Römische Agora und dann liefen wir durch unzählige Straßen und über Plätze, die immer wieder freigelegte Ausgrabungen hervorbrachten.
Plötzlich, in einem Häusereingang, es befand sich dort ein kleiner Buchladen, hielt er mich am Arm fest. Er sah mich an und sagte, dass er spürt, dass wir genau hier schon einmal gewesen sein müssten. Früher…..
Ich wusste was er mir sagen wollte, aber ich hatte an diesem Platz kein déjà-vu Gefühl.
Ich wollte etwas trinken und wir setzen uns ins Cafe. Wir un-terhielten uns lange mit einer Kellnerin namens Elvira und kauften Lose bei einem Losverkäufer, der gerade vorbeikam. Wir lachten und machten Spaß darüber und wir träumten vom sofortigen Reichtum.
Aber wir waren schon reich, nämlich reich mit Fülle an Erleb-nissen, es ging uns in diesem Augenblick so gut. In diesem Moment brauchten wir nicht mehr. Was ist schon Geld. Bedrucktes Papier und Münzen und je mehr die Menschen davon haben, desto mehr entfernen sie sich von dem wahren, inneren Reichtum. Oftmals verlieren sie das Gefühl und den Blick für das Wesentliche im Leben.
Nach langer Zeit verspürte ich wieder aus meiner tiefsten Seele Harmonie und Glück.
Wir besuchten unzählige Orte, wie die Acheiropoitos Kirche mit ihren monolithischen Säulen, die riesige Agios Dimitrios Basilika, die ich auch Jahre später immer wieder aufsuchte und natürlich die Kirche der Agia Sophia. Sie ist eine der monumentalsten Bauten von Thessaloniki. Wir zündeten überall Kerzen an und verehrten die Ikonen. In jeder Kirche fragte George für mich die anwesenden Einheimischen über die Geschichte und Bedeutung und den Schutzheiligen der jeweiligen Kir-che aus. Es waren so viele Eindrücke und soviel Neues.
Ich fühlte mich mal wieder, wie so oft in Griechenland, zu Hause angekommen.
Wann wird die Reise enden und wann werde ich endlich einmal bleiben können…
Bleiben an einem Ort, der für mich Heimat ausstrahlt.
Wir besuchten das Archäologische Museum und auf dem Weg vor dem Museum musste ich einmal anhalten, ihm in die Augen schauen und nun seinen Arm festhalten. Ich bedankte mich für den tollen Tag und küsste ihn auf die Wange. Ich bedankte mich für seine Freundschaft und die Zeit die wir miteinander verbrachten. Er brachte mir in diesen Tagen seine Heimat näher, George war so stolz und glücklich darauf.
Es war schon später Nachmittag und wir kamen an einem kleinen Museum vorbei, in dem eine Ikonenausstellung vom Berg Athos zu sehen war. Wir waren beide sehr beeindruckt von der Ausstellung und standen sehr lange vor den jahrhunderte alten Ikonen. Ich blieb vor einem Schwarzweißbild, auf dem ein Mönch auf dem Berg Athos im Klosterhof zu sehen war, stehen. Es beeindruckte mich so sehr und ich versank völlig in diesem Bild.
Die Ikonen hatten eine so starke Ausstrahlung und wir waren beide sehr berührt.
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