Es war, als kannten wir uns schon seit Jahren und so verging die Zeit, in der wir die Wellen gegen das Holz unter uns schla-gen hörten und wir eintauchten in die Musik. George und ich konnten uns soviel erzählen.
Später sollte ich erfahren warum wir uns so vertraut waren.
Einen kurzen Moment später fragte er mich, ob ich an Engel
glauben würde? Und das es da etwas gäbe, das man manchmal nicht erklären könnte.
Ich war sehr überrascht, ja befangen, in diesem Augenblick.
Wie konnte er so etwas fragen, etwas davon wissen? Warum ausgerechnet mich das in diesem Moment fragen? Und er erzählte mir, dass er erst in der Hauptstadt Mytilini in einer Pizzeria gearbeitet hatte und immer am Abend, als er im Bett lag, das Gefühl hatte, nicht am richtigen Ort zu sein. Nach ein paar Wochen, am Anfang der Saison, hat er dann gekündigt und ist ohne Aussicht auf eine neue Stellung in den nächsten Bus eingestiegen, der zu der Zeit, als er am Busbahnhof mit seiner Tasche ankam, als nächstes abfuhr.
Der Bus, in den er stieg, fuhr Richtung Westen, bis ans andere Ende der Insel nach Eressos. Da es sich hierbei nur um einen ganz kleinen Ort, mit wenig Tourismus handelte, fragte er am Dorfplatz in einer kleinen Taverne nach einem größeren Hotel in der Nähe.
Der Zufall hat ihn damals in das Hotel gebracht, in dem ich nun meinen Urlaub verbrachte. Es war das letzte große Hotel an der Küste. Zufall?
In diesem Hotel traf ich ebenso eine alte Kollegin, mit der ich vor über 10 Jahren, ein Seminar auf der Insel Kreta gemacht hatte. Ich traf sie eines Morgens an der Rezeption.
Im Fernsehen habe ich neulich einen sehr guten Spruch gehört über den Zufall.
Der Spruch lautete: Zufall ist, wenn Gott inkognito arbeitet.
George sagte mir, dass er jetzt wüsste, warum er hier an diesen Ort gekommen sei. Denn nun hätten wir uns kennen gelernt.
Ich konnte auf seine Aussage nichts antworten.
Wir haben mit einem Wörterbuch eine englisch / griechische Konversation geführt und ich konnte manchmal nicht glauben was mir gerade passierte.
Hier kam mir zum ersten Mal in den Sinn, dass ich meinen besten Freund Maurice als Freund verloren hatte und dafür nun George in mein Leben getreten war.
George fragte mich daraufhin, ob ich schon etwas in dem kleinen Ort besichtigt hätte. Ich erzählte ihm, dass ich schon zwei Mal die kleine Kirche im Ort aufgesucht hätte, diese aber jedes Mal leider verschlossen gewesen wäre.
Daraufhin beschlossen wir noch einmal gemeinsam dorthin zu gehen, um zu schauen ob die Kirche geöffnet war. George bezahlte und wir gingen los.
Wir kamen auf den Platz vor der Kirche und stellten fest, dass die Kirche wieder verschlossen war. Er bat mich daraufhin, ich sollte kurz auf dem Platz warten. Er ging an das direkt anliegende Haus und klopfte an die Tür.
Nach wiederholtem Klopfen öffnete eine Frau. George sprach kurz mit ihr und sie verschwand daraufhin wieder für einen kurzen Augenblick. Ein Pope, ein griechischer Priester, kam aus dem Haus, und ich hörte von weitem, das George mit ihm sprach. Dann kamen beide gemeinsam auf mich zu und wir gingen über den Platz zum Kircheneingang.
Mit eindringlichen Worten sprach er nochmals mit George und dann holte er einen großen alten Schlüssel hervor und schloss die Kirche für uns auf.
Ich sah ihn dankend an und George erklärte mir nun, dass es eine absolute Ausnahme sei, dass er die Kirche für uns aufgeschlossen hatte. Am Tag darauf sollte ein großes Fest stattfinden zu Ehren des Heiligen Andreas, dem Namenspatron der Kirche und George musste dem Priester versprechen, dass wir kommen würden um mit den Dorfbewohnern das Fest zu feiern. Es würde sogar ein Hoher Priester extra aus der Stadt kommen. Die Kirche wurde deswegen schon 2 Tage vorher geschmückt und sei deshalb bis zum Fest verschlossen.
Ich dachte insgeheim für mich, dass mir noch nie ein Mann eine Kirche hat aufschließen lassen.
Ich war sehr gerührt. Im Kircheninneren nahmen wir 3 Kerzen in die Hand und zündeten sie gemeinsam an.
Dann setzten wir uns in die erste Reihe der Kirchenbank und beteten.
Ich hatte Tränen in den Augen und sah aus den Augenwinkeln, dass es ihm genauso ging. Es waren unglaubliche Momente!
Als wir wieder aus der Kirche kamen machte ich ein paar Fotos im Kirchenvorhof von ihm, um sie seiner Mutter mit der Post zu senden.
Wir sahen uns noch die Mosaike hinter der Kirche an und gingen den Weg entlang zum Schulgebäude. Ich fühlte die ganze Zeit, dass es ein ganz besonderer Tag war.
An einer kleinen Brücke hielten wir an. George blieb stehen und sagte zu mir, dass ich warten sollte, er käme bald wieder. Er ging zurück in die Richtung des Dorfes.
Ich wartete und beobachtete ein paar Griechen, die auf dem Platz spazieren gingen und sich dann in das nächste Cafe setzten.
Als er zurück kam gingen wir weiter bis zur Einfahrt des Hotels.
Ich sagte ihm, dass ich alleine weitergehen möchte, damit er keine Schwierigkeiten bekäme, wenn man ihn mit einer Touristin zusammen sehe. Ich wollte nicht, dass er seinen Job verliert.
In der Straßenauffahrt des Hotels hielt er an und gab mir zwei Päckchen mit kleinen, bunten Federn daran. Die eine Feder war Rosa und die andere Feder war orange.
Er sagte, dass eines der Päckchen für meine Mutter sei und das andere Päckchen für mich.
Ich war gerührt und wollte etwas sagen, aber er lief schnell durch den Garten zurück in sein Zimmer.
Ich ging gemütlich in mein Hotelzimmer und machte eines der Päckchen auf: es war eine Kette darin, mit einem wunder-schönen Anhänger, der ein Zeichen für Leben darauf darstellte.
Mir liefen die Tränen über das Gesicht.
Dann zog ich mich schnell um und ging zu meiner Mutter auf die Liegewiese nahe dem Pool.
Ich erzählte ihr vom Vormittag und wir beschlossen etwas in der hoteleigenen Taverne zu essen.
Als wir zu unseren Sonnenliegen zurückkamen, gab ich ihr das zweite Päckchen.
Ich holte ein Buch aus meiner Badetasche und begann zu lesen. Völlig vertieft in das Buch, hörte ich sie erst beim zweiten Mal sagen: „Ich glaube, das ist für Dich.“ Ich blickte auf und nahm die Schachtel entgegen.
Ich sah auf einen lila Ring in Form eines Herzens.
Ich konnte nichts sagen, ich legte den Ring an, und er passte als wäre er für mich gemacht. Woher wusste er, dass die Farbe Lila meine Lieblingsfarbe ist?
Wie konnte er mir nach drei Stunden Kaffeetrinken einen Ring schenken?
Was hat ihn dazu bewegt?
Am darauffolgenden Tag gingen meine Mutter und ich zusam-men mit ein paar anderen Gästen, die wir im Hotel kennen gelernt hatten, in das Dorf hinein und haben das große Fest rund um die Kirche besucht.
Die anderen Gäste kamen aus Wien und noch heute pflegen wir sporadisch unseren Kontakt. Auf einer Reise nach Wien haben sie uns ihre Heimat nähergebracht und wir schwelgten in Urlaubserinnerungen bei viel Retsina in einem griechischen Lokal.
Auf dem Kirchenvorplatz waren unzählige Stühle aufgestellt. Das ganze Dorf war auf den Beinen.
Wir nahmen am Gottesdienst teil, es wurde gesungen und es roch nach Weihrauch. Wir saßen auf dem Vorplatz der Kirche auf den typischen griechischen, wackeligen Holzstühlen und lauschten den fremden Gesängen der Zeremonie.
Am Eingang zum Kirchenvorplatz saß eine Frau, die Armbän-der und Ikonen zum Verkauf anbot. Ich kaufte ein Armband und ein paar Kerzen für George, denn er musste arbeiten und konnte am Fest leider nicht teilnehmen.
Als wir später zurück in das Hotel kamen, sah ich, dass er an
der Rezeption arbeitete. Ich übergab ihm freudestrahlend die Geschenke.
Er war sehr glücklich, dass ich an ihn gedacht hatte. Alle kleinen Geschenke nahm er mit großer Freude entgegen.
Am nächsten Morgen beschloss ich, gemeinsam mit meiner Mutter, ihm ein Abschiedsgeschenk zu kaufen und wir waren uns einig, ihm zuerst ein paar Wörterbücher Griechisch/Deutsch von uns zu schenken. Wir gingen noch mal ins Dorf und betraten einen kleinen Juwelier Laden. Hier kauften wir eine silberne Kette und einen Anhänger mit der Mutter Gottes darauf für ihn. Er ist sehr gläubig und wir dachten, dass ihm die Kette bestimmt so gut gefallen würde wie uns.
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