Ich wachte ein paar Mal auf und fühlte, dass der Ofen eine wohlige Wärme in den Raum brachte.
George schlief und irgendwie konnte ich das alles gar nicht glauben was in meinem Leben geschah. Ich lag nun hier, in seinem Bett, und schlief irgendwann sanft ein.
Am nächsten Morgen machte Theodora mir einen griechischen Kaffee. Sie zeigte mir stolz ihre Häkelarbeiten, sie waren wunderschön. Im Laufe der Jahre hatte sie eine ganze Truhe voll mit wunderschönen Decken bestickt und viele davon umhäkelt.
Nach dem Kaffee fuhren George und ich zum Supermarkt im Ort und kauften uns ein bisschen Proviant für den Tag. Zwei große Äpfel, Kekse und etwas zu trinken. Ich nahm noch ein Glas Oliven für daheim mit.
Als erstes fuhren wir nach Vergina um uns das Museum, das unter einem Hügel lag, und die Grabbauten von Phillip II anzuschauen.
Es war ein sehr beeindruckendes Museum, das in einen Hügel hinein gebaut worden war. Es war im Museum ganz dunkel und nur die Ausstellungsstücke wurden angeleuchtet.
Eine Treppe führte hinunter zu den original freigelegten Gräbern und George nahm meine Hand und führte mich sicher die steinerne Treppe nach unten.
Nach dem Museumsbesuch und einer kleinen Pause im hellen Sonnenlicht fuhren wir weiter in die südwestlichen Ausläufer der Zentralmakedonischen Ebene bis wir nach Veria kamen.
George zeigte mir die Stadt und die Sehenswürdigkeiten. An den Mosaiken der Apostel Paulus Predigtstelle verweilten wir eine halbe Stunde und sahen uns die Mosaiktafeln genau an. Es war erneut eine unglaubliche Stimmung und wir genossen im Anschluss einen Frappé an einem nahegelegenen großen Platz, saßen in der Sonne und spürten ihre Wärme auf unserem Gesicht.
Immer wieder fanden wir auf unseren Touren gemütliche Tavernen und die ganze Bandbreite der griechischen Küche stand auf unseren Tischen.
Die Rundfahrt ging weiter und wir besuchten die Wasserfälle in Edessa, auch Stadt des Wassers genannt.
Überall machte ich zahlreiche Fotos und ich war gespannt diese Bilder später in meinen Händen zu halten. Zu dieser Zeit hatte ich noch keine Digitalkamera und die Spannung wuchs bis zu dem Tag als ich die Fotos abholte. Diese Spannung ist heute leider verloren gegangen.
An dem Tag kamen wir bis nach Naoussa, einer größeren Stadt und bekanntes Weinanbaugebiet, am westlichen Rand der Zentralmakedonischen Tiefebene gelegen.
Voller Eindrücke und vielen Momenten, an denen ich eintauchen konnte in die noch touristisch ruhigeren Orte, kamen wir am Abend glücklich und erschöpft, in Georges Zuhause, zurück.
Seine Familie brachte mir viel Vertrauen, Liebe und unendliche Gastfreundschaft entgegen. Überall wo wir hinkamen, Freunde von ihm trafen, oder kleine Läden besuchten, fühlte ich mich herzlichst willkommen.
In einem Augenblick, als ich gerade den Wagen geparkt hatte, schaute er mich an und sagte mir, dass er sich gar nicht so gut fühlte. Ich fragte ihn warum und er er-klärte mir, dass er doch so wenig Geld habe und mir gar nichts bezahlen konnte. Ich sah ihn an und sagte ihm, dass ich ihm Folgendes jetzt nur einmal sagen würde.
Ich hätte das Hotel, den Wagen und das Essen bezahlt mit meinem Geld, aber was ist schon Geld im Vergleich zu dieser wunderbaren Zeit, die wir nie vergessen werden.
Diese gemeinsame Zeit die nie mehr zurückkehren wird. Er zeigte mir sein Leben, sein Land, seine Kultur, ich durfte das alles erleben. Das Leben ist ein Geben und ein Nehmen, ein Geschenk. Alles kehrt zu einem zurück.
Wir sprachen danach nie mehr über Geld.
Es gab Momente auf den Fahrten, in denen haben wir wie verrückt gelacht, manchmal nur der Musik im Radio gelauscht und manchmal auch mitgesungen. Ein anderes Mal haben wir eine Diskussion gehabt, sind lauter geworden oder wütend. Zwei Kulturen, zwei fremde Menschen. Mann und Frau. Zwei Sprachen und eine Dritte in der wir uns unterhielten. Das war nicht immer einfach.
George wollte mir etwas bieten und hatte sich in den Kopf gesetzt mich zu einer Kirche oben in den Bergen, zu bringen. Agia Soumela, südlich von Veria, im Bermion Gebirge gelegen.
Es war November und in den Bergen hatte es geschneit. Die kleinen, unbefestigten Straßen waren voller Schnee und Eis. Natürlich gab es hier keinen Winterdienst. Und selbstverständlich hatte ich auch keine Winterreifen am Mietauto.
Hätte ich vorher gewusst wo er hinfahren wollte, hätte ich ihn gefragt, ob er lebensmüde ist. Wir fuhren durch unzählige, kleine verschneite Orte und schon auf der Hauptstraße hatte der kleine Mietwagen so seine Probleme.
George meinte es sei alles kein Problem. Ich sah ihn nur an, als er mir sagte, ich sollte auf eine schmale kleine Straße abbiegen, die bergauf führte.
Er hatte schließlich noch nicht einmal den Führerschein, geschweige denn dass er sich mit Autos auskannte.
Ich fing an zu diskutieren und wollte sofort zurück fahren aber er beharrte darauf weiter zu fahren, es sei doch kein Problem. Wir wollten schließlich zu einer Kirche, die eine der drei wichtigsten Ikonen der Orthodoxie, die der heiligen Maria, beherbergte. Er meinte, wenn man zu einer Kirche fährt, ist Gott bei einem und es kann nichts passieren.
Ich hoffte nur still bei mir, dass Gott das auch hörte.
Also fuhren wir über schneebedeckte, eisglatte Straßen in das Gebirge zur Agia Soumela.
Am Parkplatz, der voll war mit rutschigen Eisplatten, hielten wir an und stiegen langsam aus. George drehte sich zu mir um und sah mich mit einem breiten Grinsen an. „Siehst Du, es hat doch alles super geklappt.“
Als wir in die Kirche kamen, roch es nach Weihrauch. Der Weihrauchnebel hatte die ganze Kirche durchzogen. Die Kirche war überfüllt mit Menschen die beteten und der Pfarrer sprach ununterbrochen Gebete.
Es war sehr beeindruckend und George zeigte mir, nachdem wir auch Kerzen angezündet hatten, einen Platz hinter der Kirche an dem es heiliges Wasser gab, dass wir uns ins Gesicht tupften und tranken. Es war eiskalt.
Als wir über die Eisplatten auf dem Boden zum Parkplatz zurückgeschlittert waren, kaufte ich noch ein paar Kleinigkeiten im anliegenden Kirchenladen.
Auf dem Weg zurück nach Naoussa fiel George ein, dass es noch einen landschaftlich reizvollen Ort in der Umgebung gab, und somit fuhren wir erneut hoch in die Berge. Es war zwar kalt aber hier lag noch nicht soviel Schnee.
Oben angekommen erwartete uns eine großartige Landschaft mit einem Fluss, in dem kristallklares Wasser floss, vielen alten Bäumen und einem Park, in dem eine kleine Kapelle stand.
Wir hielten an einem Parkplatz der zu einem Hotel gehörte.
Wir gingen erst gemeinsam durch den Park und als ich alleine über eine kleine Brücke weiterging, kam mir ein alter Mann entgegen, der mich vor einer kleinen Kapelle ansprach. Er wollte wissen, wo ich denn herkäme und lud mich ein, mit ihm einen Kaffee zu trinken. Ich habe ihm mit meinen paar Worten griechisch, die ich konnte, auf seine Fragen geantwortet, lehnte aber den angebotenen Kaffee höflich ab.
George war ein bisschen abseits des Weges und telefonierte ununterbrochen auf seinem Handy.
Auf dem Rückweg durch den Park beschlossen wir im Hotel etwas Warmes zu trinken und weil es langsam dunkel wurde, fuhren wir kurze Zeit später zurück nach Kria Vrissi.
Am letzten Abend kamen seine Cousine und deren Mutter zu Besuch.
Ich packte meinen Koffer und saß in seinem Zimmer. Ich war sehr traurig, dass ich wieder nach Deutschland abfahren musste. Da kam Theodora ins Zimmer und brachte mir Geschenke, die für mich und meine Mutter waren. Sie schenkte mir viele ihrer wunderschönen, feinen Häkelarbeiten. Kleine Deckchen und liebevoll umrandete Stoffservietten. Ich war so gerührt und musste ununterbrochen weinen. Die Menschen, die am wenigsten hatten, gaben mir noch Geschenke mit.
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