Britta hatte von früheren Streitigkeiten hingegen nichts geahnt, weder von den eigenen Eltern noch von denjenigen von Paul, hatten die doch wie ein Herz und eine Seele gemeinsam am Mittagstisch gesessen, hatte Pauls Vater das gute Essen seiner Frau überschwänglich gelobt und von Paul zugleich erwartet, dass sich dieser um seine Frau und später auch um die Kinder in gleicher Weise fürsorglich kümmert, wie er es von zuhause gewohnt sei.
Paul hatte seinem Vater damals auch hierzu nicht widersprochen sich dann aber doch insgeheim gefragt, wie es sein konnte, dass seine Eltern nach heftigem Streit tagelang nicht mehr miteinander gesprochen und mit Eiseskälte quasi aneinander vorbeigelebt, sich dann aber urplötzlich wieder bestens verstanden hatten und überherzlich füreinander da waren.
Paul hatte seine Eltern aber ohnehin nicht recht verstanden und sich daher sehr früh von ihnen innerlich distanziert. Allein das Gekreische an so manchem Wochenende hatte ihm in diesem Moment der Hochzeitsplanung jedoch noch lebhaft in den Ohren geklungen und also hatte er sich entgegen dem Rat seines Vaters dafür entschieden, seiner Frau in jedem Fall recht zu geben, falls es einmal zum Streit kommen sollte. Auch hatte er schon der Kinder wegen bei Unstimmigkeiten immer ruhig und nicht aufbrausend sein wollen.
Und also hatte er damals gleich damit angefangen und seine künftige Frau vor seinen Eltern gefragt, ob sie nun eine große oder lieber eine kleine Hochzeit im engsten Familienkreis wünsche. Britta war auf die Frage jedoch nicht vorbereitet gewesen und Paul hatte daher für beides seine eigenen Vorstellungen auch gleich parat.
Eine Hochzeit mit vielen Gästen entspreche zwar sicherlich dem Anlass eines schönsten Tages im Leben und sei sicher auch sehr feierlich. Wenn er an die Familienfeste seiner Eltern denke, falle ihm dann aber doch nur die Schwierigkeit ein, von den vielen Nichten und Neffen, Onkels und Tanten diejenigen herauszufinden, die aus Platzgründen dann leider doch nicht mehr eingeladen werden konnten und dafür über Jahre enttäuscht und sauer waren, und dann auch noch, dass diejenigen, die zwar eingeladen waren und mehr gegessen und getrunken hatten, als auf den eigenen Teller und in das eigene Glas passte, gleichfalls enttäuscht und sauer waren, weil die Qualität nicht gestimmt oder ihren Ansprüchen eben nicht genügt habe.
Eine Hochzeit im engsten Familienkreis hingegen hatte den Vorteil, dass die Teilnehmerzahl von der Natur der Sache her bereits objektiv begrenzt ist, zugleich aber auch den Nachteil, dass es eben kein rauschendes Fest wird und man sich am Tisch hautnah gegenübersitzt, was den Boden für so mache Kränkung bieten kann, sei dies berechtigt oder unberechtigt. Paul hatte daher zu Britta gesagt: „Entscheide Du, mir ist beides recht.“
Britta hatte hingegen ihrerseits nichts entscheiden wollen, hatte sie von Paul doch auch gehört, dass es nicht wenige Ehen im weiteren Bekanntenkreis gab, die erst pompös gefeiert und dann doch sehr schnell beerdigt wurden, hingegen von solchen, die lange gehalten hatten, nur bekannt gewesen war, dass sich das Ganze relativ geräuschlos vollzog, und also hatte man schlicht im Hause ihrer Eltern gefeiert, hatte jeden eingeladen zu kommen, der mochte, und die Tür solange geöffnet gehalten, wie Platz im Garten und auf dem Grill gewesen war. Danach wurde die Musik einfach voll aufgedreht, ausgiebig gegessen und getrunken, getanzt und gesungen und die Gäste schließlich nur über die Gartentür hinausbegleitet.
Als sich am Folgetag gegen Mittag die Haustür von Brittas Eltern auftat, hatte man mühelos auch noch all diejenigen Geschenke einsammeln können, die von den nicht mehr gebetenen Gästen dort niedergelegt worden waren und bei denen man sich mit der herzlichen Bitte um Entschuldigung schlicht dahin zu erklären hatte, dass man die Klingel einfach nicht mehr gehört hat.
Keiner der Freunde und Bekannten hatte es Paul und Britta damals verübelt, nicht mehr eingelassen worden zu sein, und also hatten die beiden ihre Art zu feiern auch in den darauffolgenden Jahren so beibehalten und einmal im Sommer und einmal im Winter eine Rund-Mail „an alle“ geschickt, wonach es am kommenden Wochenende nun wieder ein Fest gäbe und kommen könne, wer wolle: „Bringt Euch bitte mit, was Ihr dafür so alles braucht!“
Mit den Jahren wurden die Gäste zwar immer weniger, doch Paul und Britta hatten diese Entwicklung nicht grundlegend in Frage gestellt, waren sie doch nach gut fünf Jahren Ehe mit Lisa zu einer Familie geworden, der die ganze Aufmerksamkeit gehört hatte.
Nach der gelungenen Hochzeit hatten sich Paul und Britta sehr schnell für ein Eigenheim entschieden, hatte Paul bei der Versicherung Karriere gemacht und sich dazu sehr häufig auch am Wochenende ins Büro aufgemacht. Für Britta nur wegen der Arbeit, für Paul hingegen irgendwann nicht mehr nur. Freilich, Britta hatte gewusst, dass über die Woche wegen der vielen Besprechungen mit den Kollegen und Kunden immer Arbeit liegen geblieben war. Freilich hatte sie auch gewusst, dass Paul nicht der Einzige war, der Karriere machen wollte.
Sie hatte daher erst gar nicht nachgefragt, warum Paul immer häufiger an den Samstagen ins Büro musste, zumal zu der Zeit, als Lisa auf die Welt gekommen war und auch als Britta wegen der Tochter nurmehr halbtags zu arbeiten hatte. Paul hatte in keiner Weise unzufrieden gewirkt und Britta schien ihrerseits froh darüber gewesen zu sein, an dem einen oder anderen Samstag auch mal was mit dem gemeinsamen Freund Stephan zu unternehmen, der sich, wie sie, sehr für Rosen interessierte und mit ihr regelmäßig nach Steinfurth fuhr.
Oder war Britta doch nur dem Beispiel ihrer Eltern gefolgt, die der Meinung waren, dass es in der Ehe besser eine klare Verteilung der Zuständigkeiten gibt: Der Mann hat alles daran zu setzen, um das nötige Geld zu verdienen, und die Frau kümmert sich um den Rest: Familie, Haus und Garten.
In jedem Fall war Britta Paul zu keiner Zeit mit irgendwelchem Misstrauen oder gar mit Eifersucht begegnet und hatte nie hinterfragt, warum Paul immer häufiger sagte, „Macht doch nichts, Du kannst Dich ja am Wochenende zum Beispiel mit Deinen Freundinnen treffen und, wenn es bei mir spät wird, zum Tanzen gehen. Ich nehme Lisa mit und bringe sie zu Deinen Eltern. Die freuen sich schon.“
Britta hatte also die ganze Zeit über keinerlei Ahnung gehabt, dass sie in Wahrheit nicht Pauls einzige Liebe im Leben gewesen war, und Paul hatte seinerseits nie gefragt, was Britta in ihrer freien Zeit tatsächlich so alles macht. Es war ihm noch nicht einmal merkwürdig erschienen, dass Britta irgendwann zu ihm gesagt hatte, dass sie sich über die Rosen, die Paul an jedem Freitag nach Büroschluss für Britta gekauft und ihr mitgebracht hatte, zwar freuen würde, eine solche Ausgabe angesichts der sonstigen Kosten für Lisas Klamotten und Spielsachen aber unnötig und unvernünftig sei, da man ja zur Genüge Rosen im Garten habe, die man vom Wohnzimmer aus ebenso gut sehen kann.
Paul hatte sich damals an die Bitte seiner Frau gehalten und ebenso daran, ihr auch sonst nicht ins Handwerk des Haushalts hineinzureden. Er hatte eben nicht derjenige sein wollen, der bestimmt, wie es läuft. Der Haushalt war allein Brittas Reich, ganz wie bei deren Eltern zuhause.
Brittas Mutter hatte ihre Tochter damals vor der Hochzeit zur Seite genommen und gesagt: „Das Wichtigste ist, dass Du Deinem Mann keine Vorschriften machst, der läuft Dir sonst weg. Genau so wichtig ist es aber, dass Du Dir in Bezug auf den Haushalt von Deinem Mann nichts sagen lässt. Der Haushalt ist allein Dein Reich, selbst wenn Du auch noch nach der Hochzeit Vollzeit arbeiten solltest. Der Haushalt bleibt in jedem Fall an Dir hängen. Den Mann kannst Du zwar hin und wieder in die Kneipe schicken, wenn er beim Kochen oder beim Abwasch stört. Aber gegessen werden sollte immer daheim und zwar genau das, was er gerne hat und was Du für ihn gekocht hast. Behalte diese Domäne also stets für Dich.“
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