Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie ich mich fühlte. Die erste richtige Mugge mit Band und gleich so’n Sonderpreis abgefasst. Ich wollte die ganze Welt umarmen und das Gefühl der Unbesiegbarkeit hatte in diesem Augenblick seinen Höhepunkt erreicht. Immerhin hingen an diesem Preis zu allem Überfluss auch noch - für damalige Verhältnisse eine Riesensumme – 500 Mark mit dran. Die Kohle wurde ein oder zwei Tage später bei einer Feierlichkeit peinlichster Ausmaße im HdJT (Haus der jungen Talente) an mich ausgehändigt und von den Bandkollegen und mir bis auf einen kleinen Rest umgehend in feinste Spirituosen umgesetzt! Wenn man mal bedenkt, dass z. B. ein Gin Tonic gerade mal 1,50.- gekostet hat, kann sich ja wohl jeder vorstellen, wie wir danach aussahen… Der Grundstein für unseren nicht immer allerbesten Ruf als tapfere Alkoholvernichter war gelegt! Aber darüber wird in diesem Buch noch genug zu berichten sein.
Ab jetzt folgten teils doofe oder eben auch normale, unspektakuläre, aber auch mehr und mehr großartige, ja legendäre Konzerte. Wir spielten in Dorfsälen genau so wie in lächerlich pompösen Kulturhäusern. Diss sieht so nach Kultur aus, diss is wohl das Kulturhaus! Und immer öfter auch in Kinos oder Theatern. Ich erinnere mich natürlich an unser erstes richtig großes Ding im Kino Colosseum in der Schönhauser Allee.
Keine Ahnung mehr, wie die zwei Bands hießen, die nach uns spielten, ich kann mich nur noch erinnern, dass diese Kapellen schon so was wie etabliert waren in der Szene. Logisch, dass die relativ unbekannte Monokel Blues Band als erste spielen sollte. Auf alle Fälle war eine der Bands aus Dresden und die machten so auf super poppig, mit Plateauschuh und schicker Bühnengarderobe – war ja irgendwie „IN“ damals – Abba lässt grüssen! Wir jedenfalls spielten – wie gesagt das erste Mal vor mehr als hundert Leuten – als ginge es um unser Leben.
Die Massen tobten - und nachdem wir nach der dritten Zugabe nass geschwitzt von der Bühne torkelten war auch unser Repertoire vollkommen erschöpft. Ach je - ich glaube die armen sächsischen Kollegen wollten lieber` ne ausgedehnte Kneipentour mit Charles Bukowski machen, als NACH uns auf die Bühne zu gehen.
War jedenfalls das erste Mal, das wir (ohne Häme)`ne Band atta geschickt haben. Neben schamhaft roter Ohren ein sehr geiles Gefühl, von ca. 1000 Leuten gefeiert zu werden. Wir gehörten dazu, mehr und mehr. Und je mehr Leute zu Monokel - Happenings kamen, desto nervöser wurde die Staatsmacht. Als würde das alles nicht schon genügen, fingen wir auch noch an uns Gedanken – eigene Gedanken – zu machen. Nüscht gegen John Mayall, Canned Heat, die Allman Brothers, Free oder Willie Dixon – im Gegenteil – aber wir wollten schon irgendwie eigene Songs mit eigenen Gedanken von der Bühne rotzen. Speiche hat mich immer dazu angetrieben, unsere Ideen zu eigenen Songs zu machen. Das machte natürlich die Quarkköppe von der WIR-PASSEN-AUF-DASS-KEINER-FRECH-WIRD Abteilung nicht gerade ruhiger. `Ne Band, die egal wo sie spielt, völkerwanderungsähnliche Zustände auslöst UND eigene Ideen verbreitet: Aba Achtung!!
PET UND MICHA WERDEN ENTLASSEN
Die Erinnerung ist ja im Allgemeinen mit uns gnädig, will sagen, dass selbst die unangenehmsten Lebenssituationen Jahre später verblassen und dann nur noch die hellen Stunden im Gedächtnis haften bleiben. So kommt es dann wohl auch, dass Männer sich meist nur an die „lustigen“ Streiche während ihrer Militärzeit erinnern und die saumäßigen Erniedrigungen verdrängen, oder Leute die Scheisse, die in der DDR so ablief, kaum noch wahrnehmen in ihrer Erinnerung, sondern sich in vielen Gesprächen fast nur noch an die sicher unleugbar vorhandenen Gemütlichkeiten dieser Zeit erinnern.
Egal, trotz der Gnade einer geschönten Rücksicht erinnere ich mich noch sehr genau daran, wie unendlich unangenehm mir folgende Anekdote damals war: Nach irgendeiner Probe zupfte Basti mit verschwörerischer Miene an meinem obligatorischen Fleischerhemd, um mich dann schnell und heimlich in die nächste Eckdestille zu zerren. Ich war gespannt. Kaum lümmeln wir uns um so’n gammligen Stehtisch – nicht mal das erste Bier haben wir bestellt - schreitet auch schon seine Eminenz Speiche in’s Etablissement. Aha, denke ich mir – Termine, Absprachen, wichtige Fingerübungen, Rezeptetausch, Fahrkartenkontrolle oder die wollen mir jetzt auf die freche Fresse hau’n – mal sehen.
Nachdem beide während des ersten Bieres ein Verhalten an den Tag legten, das mit Herumdrucksen eher unzulänglich beschrieben ist, hielt ich’s kaum noch aus und forderte die Schlingel auf, endlich zu sagen, was ihnen denn so offensichtlich das Bier verhagelte. Die ganze Sache war so einfach wie schockierend: Peter und Micha sollten ausgetauscht werden, nicht etwa untereinander, sondern gegen neue, bessere Kollegen.
Rumms! Aha, so fühlt sich das also an, wenn man Entscheidungen mittragen soll, die einem nicht gefallen, unangenehm sind, zu denen man eine gehörige Portion Courage aufbringen muss. Bei Micha Werner fiel mir das ehrlich gesagt nicht sonderlich schwer, da ich nicht das Gefühl hatte, dass er mit ganzer Seele an Monokel hing. Aber Peter Schneider …?
Pet hat die Band quasi gegründet, der zwar reichlich bräsige – aber immerhin Bandname „Monokel“ war seine Erfindung und als Typ, als Kumpel fand ich Peter auch äußerst famos. Junge, Junge. Das war `ne ungeahnt schlimme Situation, in der ich da steckte. Na gut, die neuen Kollegen wurden also ausprobiert und waren tatsächlich um einiges besser.
Erstaunlich übrigens, wie gelassen und tapfer Micha und Peter das „Entlassungsgespräch“ in meiner Erinnerung aufgenommen haben. Einige Male noch in meinem Leben musste ich an solchen Entscheidungen teilnehmen, habe solchen furchtbaren Sitzungen beigewohnt und mich jedes Mal – zu mal später als Bandleader – elend gefühlt dabei, aber so schlimm wie dieses erste Mal wohl nie wieder.
Ich stelle mir vor, dass `n Massenmörder bei seinem ersten Mord noch aufgeregt ist, ja vielleicht sogar noch Gewissensbisse hat. Wenn er dann aber seine siebte Leiche in den Fluss wirft, schon kaum noch was empfindet. Ich werde in diesem Buch mit Sicherheit nie wieder so ausführlich über solche Dinge berichten, aber da dies mein erster Mord war – und dann gleich noch `n Doppelmord – wollte ich dieser Anekdote etwas mehr Platz einräumen, zumal mir die Situation damals mehr an die Nieren ging, als ich supercooles Großmaul zugeben wollte.
Die beiden Neulinge waren Detlef Nietz an der Klampfe und Ulf Voigt am Schlagzeug. Detlef hatte einen fabelhaften, sehr trockenen Humor und verlor quasi nie die Fassung. Seine Art Gitarre zu spielen kann man getrost als sehr kontrolliert und überlegt bezeichnen, was sich wohltuend mit Bastis druckvollem, bisweilen chaotischem Spiel ergänzte.Ulf Voigt galt eher als ernsthafter, intellektueller Denker – nicht unangenehm aber anstrengend. Genauso spielte er auch Schlagzeug.
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