»Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken?«
Dee schrak auf und blickte in das Gesicht ihrer Mutter, die sie anlächelte.
»Ich habe über dich und Dad nachgedacht«, gab sie zu.
»Weshalb?«, fragte Mrs Claus überrascht.
»Ich wünsche mir einfach, jemanden zu finden, mit dem ich so glücklich sein kann wie Dad und du. Aber hier am Nordpol ist es nicht gerade einfach. Es ist ja nicht so, als wären wir der Nabel der Welt.«
Ihre Mutter ließ den Brief sinken, den sie gerade gelesen hatte, als Dee hereingekommen war. »Die Liebe wird dich finden. Davon bin ich überzeugt, weil ich daran glaube. Und das solltest du auch.«
»Ich versuche es.«
»December, manchmal ist die Zeit des Wartens das Schwierigste dabei, weil es einen dazu bringt zu zweifeln. Die Sache mit Graham ist jetzt beinahe ein Jahr her. Ich weiß, dass du ihn wirklich gernhattest. Gib dir noch ein bisschen Zeit, damit dein Herz frei ist.«
»Du hörst dich an wie einem Kitschroman entsprungen.«
»Ich weiß, Schatz. Dennoch ist es die Wahrheit.«
Dee ließ sich auf den leeren Stuhl neben ihrer Mutter fallen und griff nach einem Briefumschlag, der zuoberst auf einem Stapel auf dem Schreibtisch thronte. Bevor sie ihn öffnen konnte, legte ihre Mutter ihr eine Hand auf den Arm.
»Gib die Hoffnung nicht auf. Die Liebe wird zur richtigen Zeit zu dir kommen.«
»Schon gut, Mom. Du musst mich nicht trösten.«
Und das stimmte. Sie mochte gerade ein wenig sentimental gewesen sein, aber das war vorbei. Sie hatte eine wundervolle Arbeit und ein erfülltes Leben. Ein Zuhause, in dem sie sich geborgen fühlte und geliebt wurde. Alles andere würde die Zukunft weisen.
Kapitel 2
Parker zog den Reißverschluss des Koffers zu, der vollgepackt auf dem Bett lag. Alles bereit, um am nächsten Morgen ohne großes Aufheben zum Flughafen aufzubrechen. Sein Flug ging in aller Herrgottsfrühe, sodass er bei der Ankunft am Vormittag in Ruhe den bereits bestellten Wagen abholen und damit zur Hütte fahren konnte, die er für die nächsten drei Wochen gemietet hatte. Erst an Neujahr würde er zurück nach Hause reisen.
Es war bereits das zweite Jahr, dass er Weihnachten in der Einsamkeit von Kanadas Norden verbrachte. Zum Eisfischen ging oder Skifahren. Oder einfach nur vor dem Kaminfeuer saß, genüsslich an einem Glas Whisky nippte und es sich gut gehen ließ. Keine Eile, keine Arbeit. Lediglich er und die Abgeschiedenheit. Alles, was nicht mit diesem ganzen Weihnachtskram zu tun hatte, war ihm mehr als recht.
Wie das vergangene Jahr hatte er die Einladung seines besten Freundes Bruce und dessen Frau Madison ausgeschlagen, sie an Weihnachten zu besuchen. Die beiden erwarteten zudem gerade ihr erstes Kind und konnten ihn ganz sicher nicht gebrauchen. Natürlich war es nett gemeint, doch er hätte sich die ganze Zeit wie ein Mitleidsgast gefühlt. Wie jemand, der nicht wusste, wo er an den Feiertagen hinsollte. So war es einfach nicht.
»Du musst Weihnachten nicht allein verbringen. Wir freuen uns, wenn du bei uns bist«, versicherte Madison ihm mehr als einmal. »Es besteht kein Grund dazu, zum einsamen Wolf mitten in der Wildnis zu werden, nur weil Juliette dich vor beinahe zwei Jahren verlassen hat.«
»Keine Sorge. Es geht mir gut. Und das Ding mit dem einsamen Wolf ist genau das, was ich will«, versicherte er.
Juliette. Die Frau, die ihm das schlagende Herz aus der Brust gerissen und zertrampelt hatte. Zwei Jahre zuvor verließ sie ihn genau an Weihnachten. Ohne Vorwarnung. An Heiligabend war ein Umzugsunternehmen angerückt und hatte ihre Sachen aus der gemeinsamen Wohnung geholt und sie in das Haus ihres Neuen geschafft. Parker hatte keine Ahnung, wie es ihr möglich gewesen war, die Leute dazu zu bringen, den Umzug am vierundzwanzigsten Dezember über die Bühne zu bringen. Wahrscheinlich mit viel Charme und Geld.
Er hatte sich schon zuvor nicht viel aus Weihnachten gemacht, doch seit dieser Aktion von Juliette hasste er es regelrecht.
Im vergangenen Sommer war er ihr und ihrem Kerl beim Shoppen in einer Mall begegnet. Sie war aufgedonnert und reichlich mit teurem Schmuck behängt. Gekleidet in exklusive Designerklamotten. Es war offensichtlich, dass sie das Leben an der Seite eines vermögenden Mannes genoss, der gut dreißig Jahre älter war als sie.
Als sie ihn entdeckte, stöckelte sie auf ihn zu, so schnell sie die albernen High Heels trugen. Er war zu überrumpelt, als dass er ihr rechtzeitig hätte ausweichen können. Sie krallte ihm die künstlichen Nägel in die Schultern und hauchte ihm Küsschen auf beide Wangen. Am liebsten hätte Parker sie von sich weggeschubst, aber er war zu perplex, um entsprechend zu reagieren.
»Parker, Liebling, wie schön, dich zu sehen«, flötete sie übertrieben fröhlich, als wären sie die besten Freunde.
Sobald sie ihn losließ, trat er rasch zwei Schritte zurück, um Abstand zwischen sie beide zu bringen.
»Wie geht es dir, Darling? Ich muss sagen, dass ich schon ein bisschen enttäuscht bin, weil du dich nie meldest.«
Irritiert, dann verärgert, starrte er sie an. »Hast du irgendwelche Drogen genommen? Pillen, die deinem Verstand nicht gut bekommen?«, fragte er. »Anders kann ich mir das hier nicht erklären.«
»Warum bist du nur so nachtragend?«
Parker zog eine Augenbraue hoch. »Vielleicht, weil du dich wie eine Schlampe verhalten hast?«
Er warf einen Blick zu ihrem Gönner, der am Schaufenster eines teuren Juweliers stand und dort auf seine junge Gespielin zu warten schien.
»Weshalb gehst du nicht und lässt dir noch ein paar teure Klunker schenken? Dein Sugardaddy ist sicher ganz erpicht darauf, die Kreditkarte für dich zu zücken. Wenigstens verkaufst du dich nicht billig, wie man sieht.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging davon. Erst da bemerkte er, dass er die Hände vor Wut zu Fäusten geballt hatte, die er nun lockerte. Dieses Miststück! Tat so, als wäre alles in bester Ordnung. Sollte sie glücklich werden, solange sie sich aus seinem Leben raushielt.
Als er Bruce bei einem Bier von der zufälligen Begegnung mit Juliette erzählte, schüttelte dieser den Kopf.
»Ich habe echt nie verstanden, was du an dieser Frau gefunden hast« war sein Kommentar dazu.
»Sie sieht klasse aus. Das muss man ihr lassen. Zumindest ohne die ganzen Klunker, mit denen sie sich seit unserer Trennung behängt«, erwiderte Parker.
Im Nachhinein betrachtet, fiel ihm selbst kein guter Grund ein, warum er mit ihr zusammen gewesen war. Außer der, dass er sich um den Finger hatte wickeln lassen. Juliette verstand es, das zu bekommen, was sie wollte. Und sie wollte eine Menge. Sie hatte ihre manipulative Herangehensweise zur Meisterschaft erhoben, und er war darauf hereingefallen.
»Warum gehst du nicht endlich mal wieder aus? Amüsier dich«, schlug Bruce vor. »Schlepp eine ab. Was hast du zu verlieren?«
»Ich habe darauf keine Lust. Das bringt nur Komplikationen mit sich.«
»Quatsch. Du bist ein toller Hengst. Ein One-Night-Stand bringt dich nicht in Schwierigkeiten, dafür aber deine Hormone wieder ins Lot.«
»Nein danke.«
Es war nicht so, als ob es Parker an Angeboten mangelte. Immerhin war er das, was man einen gut aussehenden Kerl nannte. Er verspürte nur kein Interesse, sich auf irgendeine Frau einzulassen. Seine Ex hatte ihm eindeutig den Wunsch nach einer Beziehung verdorben. Und sei sie noch so kurz. Zudem war er kein Typ für schnellen, unverbindlichen Sex mit einer Fremden. Natürlich flirtete er hin und wieder, doch weiter ging es nie. Nicht einmal beim letzten Sommerfest, als sich ihm die Tochter einer seiner Auftraggeber betrunken an den Hals geworfen und ihn zu küssen versucht hatte. Er hätte die Situation ausnutzen können, doch das tat er nicht. Das war nicht sein Stil. Schließlich hatte ihn seine Mutter anständig erzogen. Stattdessen hatte er die junge Frau zu ihrem Vater gebracht, der kurze Zeit später mit ihr gegangen war. Nachdem sie sich in den großen Blumenkübel auf der Terrasse erbrochen hatte.
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