Er trat kräftiger auf das Gaspedal. Sein › Cunningham ‹ jagte um die Kurve und entschwand so für kurze Zeit den Blicken des Verfolgers. Nun handelte Bradley blitzschnell. Er trat hart auf die Bremse und ließ die Räder blockierten. Die Pneus knirschten geräuschvoll über den Sand und schon stand der Wagen. Er stellte den Motor ab, nahm den Schlüssel an sich und sprang aus dem Sportwagen
Noch war das › Ford Modell T ‹ nicht zu sehen, aber er konnte ihn bereits hören – vor allem aber konnte er die hochsteigende Staubwolke erkennen, die von dem Fahrzeug aufgewirbelt wurde.
Bradley lief auf das Unterholz zu und versteckte sich hinter dem dicken Stamm einer altehrwürdigen Eiche. Ohne sonderliche Aufregung wartete er ab. Er war neugierig: Neugierig auf den Kerl, der ihn verfolgte. Neugierig auf die Antworten, die ihm dieser Kerl geben musste, wenn er verhindern wollte, dass ihm die Schneidezähne ausgeschlagen wurden.
Der schwarze Wagen schaukelte heran.
Bradley sah ihn, als er vorsichtig hinter dem Baum hervorspähte.
Als der Fahrer Bradleys › Cunningham ‹ erblickte, trat er abrupt auf das Bremspedal. Die Pneus seines Wagens knirschten wie zuvor die Reifen des › Cunningham ‹. Das Automobil kam zum Stehen. Für einen kurzen Augenblick geschah nichts, doch dann öffnete sich der Verschlag auf der Fahrerseite und der Mann im grauen Anzug stieg aus.
Bradley nahm die Nase zurück und wartete ab.
Der Mann betrachtete den Zweisitzer. Dann richtete er sich auf, machte einen langen Hals und sah sich aufmerksam um. Der › Cunningham ‹ war offensichtlich leer. Wo war der dazugehörige Bursche geblieben? Die Blicke des Mannes streiften konzentriert über die nähere Umgebung. Auch die Eiche, hinter der sich Bradley versteckt hatte, nahm er für Sekunden in Augenschein. Doch außer deren rissigen Rinde konnte er an ihr nichts Auffälliges entdecken. Er schüttelte den Kopf und ging zu Bradleys Wagen zurück, beugte sich vornüber und sah hinein. Leer! , musste er feststellen. Er richtete sich wieder auf und blickte sich noch erneut um. Über ihm rauschten friedlich die Bäume, durch deren Blätterneer sporadisch die Sonne blinzelte. Plötzlich erhellte sie das Gesicht des Mannes und warf einen scharfen Nasenschatten auf die rechte Gesichtshälfte, während er sich am Schädel kratzte. Dabei geriet sein blondes Haar in Unordnung, doch das störte ihn nicht. Er schritt ein Stück die Straße ab und kam dadurch dicht an der Eiche des Verfolgten vorbei.
Das war der Augenblick in dem Bradley hinter dem Baum hervortrat und sich hinter dem Kerl aufbaute. »Na, mein Freund … Was wird das? Mal wieder auf der Pirsch?«
Auf der Stelle erstarrte der Mann zur sprichwörtlichen Salzsäule.

7
Doch die Erstarrung wich nach einem kurzen Augenblick. Dann wirbelte der Mann im grauen Anzug wie von der Tarantel gestochen herum. Sein Gesicht hatte einen bösartigen Ausdruck. Er machte die typische Handbewegung zum Schulterholster.
Bradley ließ ihn die Waffe gar nicht erst ziehen. Ohne Vorwarnung schlug er sofort zu und der Mann bekam seine harte Faust ans Kinn. Sein Kopf flog hoch und schnellte zurück. Um die Balance nicht zu verlieren, machte der Mann ein paar schnelle Schritte zurück. Bradley folgte ihm, hämmerte auf den Solarplexus des Fremden und zertrümmerte ihm mit vier wuchtigen Schlägen mindestens drei Rippen.
Der Mann stöhnte fürchterlich, führte eine schlechte Deckung aus und kassierte Treffer um Treffer. Nur ab und zu schlug er zurück, aber ohne Erfolg, denn Bradley wich den Hieben des Gegners geschickt aus oder blockte sie ab. Als der Mann erneut zuschlug, war er völlig ungedeckt und Bradley nutzte die sich ihm bietende Chance gnadenlos aus. Mit zwei schnellen Schlagdubletten schickte er den Kerl in den Straßenstaub.
Der graue Anzug wurde beschmutzt. Doch die Flecken störten kaum. Es kamen noch weitere Flecken hinzu: Blutflecken – denn der Mann begann, stark aus der Nase zu bluten. Noch einmal kam er auf die Beine, und noch einmal warf er sich, jegliche Vorsicht außer Acht lassend, dem kampferprobten Detektiv entgegen. Er stürzte sich mitten in einen vorbildlich geschlagenen Aufwärtshaken. Die Folgen waren vorhersehbar. Er kippte nach hinten weg und fiel aufs Kreuz.
Bradley war sofort über ihm. Er riss ihm die Beretta aus der Schulterhalfter und holte das Magazin aus der Kammer.
Inzwischen rappelte sich der Fremde auf. Er hatte sein Pulver verschossen.
Bradley drückte die Patronen aus dem Magazin und streute sie wie Saatkörner ins Unterholz. Dann schob er den leeren Munitionsrahmen in den Pistolengriff zurück. Er gab dem Fremden die nunmehr ungefährliche Waffe zurück. »Damit du mir keine Löcher in meinen Käse schießt«, bemerkte er grinsend.
Der Mann tupfte sich mit einem zerknitterten Taschentuch das Blut von der Nase. Sein Gesicht war fahl. Schweiß klebte an seinen Wangen. Schweiß und Staub.
»Jetzt mal raus mit der Sprache! Wie heißt du?«, fragte Bradley mit einem gefährlichen Knurren. Er deutete an, dass er bereit war, gleich in die zweite Runde zu gehen.
Der Fremde schwieg und schenkte ihm einen Blick unverhohlener Feindseligkeit.
Bradley fletschte ärgerlich die Zähne. »Ich frage in der Regel nur einmal«, drohte er. »Dann setzt es was auf die Vorderzähne, Kleiner. Also!«
»Ich bin Timothy Saunders«, sagte der Mann schnell. Seine Stimme wurde durch das Taschentuch gedämpft. Es war eine unangenehme Stimme.
»Und weswegen fährt der gute Timothy Saunders hinter mir her?«, wollte Bradley wissen. »Autogrammwünsche werden von meinem Sekretariat per Post erledigt … Wussten Sie das etwa nicht?«
Der Mann funkelte ihn feindselig an. »Ich will kein Autogramm von Ihnen!«
Bradley war nicht erstaunt, dass der Kerl seinen Namen kannte. »Was darf es sonst sein? Ein blaues Auge vielleicht? Kannst du gern haben.«
Timothy Saunders wendete immer wieder sein blutverschmiertes Taschentuch. Er fand bald keine Stelle mehr, die er noch nicht besudelt hatte. Und das Nasenbluten hörte immer noch nicht auf.
»Warum bist du mir gefolgt?«, bellte Bradley ihn an.
»Ich habe den Auftrag, Sie zu beschatten.«
»Jetzt mach aber einen Punkt, Freundchen.«
»Es ist aber so.«
»Du willst doch damit nicht etwa andeuten, dass wir Kollegen sind?«
Timothy Saunders nickte trotzdem. »Doch, Mr. Bradley. Ich bin Privatdetektiv wie Sie.«
Bradley zog die Mundwinkel verächtlich nach unten. Er streifte den Mann mit einem kritischen Blick. »Jetzt verstehe ich, warum viele die Nase rümpfen, wenn man sagt, dass man Privatdetektiv ist. Solange es solche Versager gibt wie dich, ist das Naserümpfen völlig berechtigt. Kannst du dich ausweisen, Kollege?«
Der Mann hatte die Blutung wider Erwarten doch stillen können. Er schob das rote Taschentuch in die Hosentasche. Dann leckte er sich über die angeschwollenen Lippen und zuckte verlegen die Achseln. »Tut mir leid, Mr. Bradley. Ich habe nicht gewusst, dass ich meine Lizenz heute brauchen werde.«
Bradley nickte grimmig. »Wie lautet dein Auftrag Kollege?«
»Ich soll Sie beschatten.«
Bradley zeigte die Zähne. »Du solltest mal einen Blick ins Handbuch für Detektive werfen. Du stellst dich beim Beschatten nämlich verdammt dämlich an. Dich würde sogar ein Blinder bemerken.«
Der Mann erholte sich merklich von den Hieben, die er bezogen hatte. Seine Haltung wurde wieder ein wenig straffer. Sein Blick bekam einen trotzigen Ausdruck.
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