1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 „Tut mir leid“, fügte sie noch hinzu, als keiner der Männer etwas sagte.
„Woran können Sie sich erinnern?“
Wieder waren sämtliche Augenpaare auf Jessica gerichtet, das machte sie nervös. Also lehnte sie sich zurück und schloss ihre Augen.
„Sie wollten auf jeden Fall zwei Männer hochgehen lassen und so wie sie redeten war klar, dass Anna lebte und sich in ihrer Gewalt befand. Sie redeten über einen alten Bunker, der mehr hergibt, als sie dachten. Der hieß Conelly oder so ähnlich.“
„Carnelly oder Conneby?“
„Kann beides sein, ich glaub’ aber eher Carnelly.“
„Welcher denn nun?“
Angestrengt dachte Jessica nach.
„Kann ich was zu schreiben haben?“ bat sie.
„Was soll denn das jetzt schon wieder?“ fragte Ben angenervt.
„Bitte lassen Sie es mich versuchen.“
Schließlich reichte Kane ihr einen Zettel und einen Bleistift. Sie setzte sich wieder auf und versuchte auf ihrem Schoß zu schreiben, was ihr natürlich misslang. Ron reichte Jessica ein Buch als Unterlage.
„…ohne den Geländewagen hast du da keine Chance, Lukas! - Wo bringen wir die Zeugin hin? - Mensch, Lukas, frag’ nicht so blöd! - Und wenn wir die Typen haben? - Einen von ihnen will Duck persönlich haben. - Wieso? - Er meinte, er hätte noch eine alte Rechnung offen. - Ist der auch in dem Versteck am Stadtrand? - Nein, den haben wir noch nicht aufgetrieben, aber wenn du dich beim Boss einschmeicheln willst, solltest du den Kerl aufgabeln. - Wie erkenn’ ich den? - Ganz einfach, groß, muskulös, Ende dreißig,…“
„Warum hörst du auf?“
Jessica sah zu Ron auf. Er hatte mitgelesen und den anderen verraten, was sie schrieb.
Die Frau legte einen Finger auf ihre Lippen und bat Ron dadurch still zu sein, denn sie musste sich konzentrieren. Dann schrieb sie weiter.
„…der Schuss in den Nacken der Kleinen hat echt gesessen! - Klar, wenn Steven was macht, dann auch richtig. - Was hat die Kleine in so nem Club getrieben? - Getanzt. - Was? - Ich denke, sie wollte sich da vor uns verstecken. - Vor uns? Das hat noch keiner geschafft. - Aber den Plan hast du dir von ihr abnehmen lassen, du Grünschnabel! - Sie hatte doch gar keine Möglichkeit, den weiter zu geben. - Das entschuldigt deinen Fehler auch nicht! Außerdem könnte sie der Frau im Club was verraten haben. - Wer ist diese Frau überhaupt? Gehört sie zu der Kleinen? - Keine Ahnung, sie steht aber auf der Abschussliste von…“
Wieder fasste Jessica mit den Händen an ihre Schläfen, niemand sagte ein Wort, dann schrieb sie weiter:
„… was war das? - Da ist doch jemand! - Bleib steh’n! - Schnell, hinterher!...“
Jessica sah auf. Verwundert las sie ihre eigenen Notizen. Während des Schreibens hatte sie nicht darüber nachgedacht, was sie zu Papier brachte, die Worte flossen von alleine und so hatte sie auch ihren Sinn nicht erkannt.
„Wieso steh’ ich auf irgendeiner Abschussliste?“
„Es muss auf jeden Fall der Carnelly-Bunker sein, um den Anderen zu erreichen, braucht man keinen Geländewagen.“
Die Männer unterhielten sich über das, was ihr Gast aufgeschrieben hatte. Ignoriert zu werden, war Jessica mittlerweile gewohnt.
„Gibt es noch etwas Wichtiges, was passiert ist?“
„Ich hab keine Ahnung was wichtig ist.“
„Und wir haben nicht ewig Zeit“, bemerkte Ben ungeduldig.
„Warum hören Sie dann nicht einfach nur zu?“ machte Jessica ihn an.
Verwundert sah er sie an, wohl zum ersten Mal hielt sie seinem Blick stand.
„Wir machen uns auf den Weg und du hörst ihr zu. Wenn Jessica was Wichtiges erzählt, ruf uns an!“ schlug Ron vor.
Die Anderen stimmten dem zu, sie hatten eine lange Fahrt vor sich.
Die Vier ließen Jessica allein. Sie stand auf und humpelte zum Bad. Als sie es wieder verließ, stand Ben vor der Tür und sah sie missbilligend an.
„Was wird das?“ fragte er vorwurfsvoll.
„Ich musste mal…“
„Nicht rumlaufen hab ich gesagt!“
„Soll ich aufs Klo fliegen?“
Wortlos kam Ben auf sie zu, hob sie auf seine Arme und trug Jessica zurück ins Wohnzimmer.
„Ich hab keine Lust wegen Ihnen das Risiko einzugehen einen Arzt zu holen!“ schimpfte er.
Wohl oder übel musste sie einsehen, dass er Recht hatte.
Jessica beobachtete, wie Ben zur Terrassentür ging und sie öffnete, um frische Luft reinzulassen.
„Ganz schön heiß heute.“
Auch Jessica schwitzte. Ben lehnte sich gegen die Wand, die Arme verschränkte er hinter dem Rücken. Dadurch spannte das Hemd so sehr, dass man jedes einzelne Stück Haut darunter mehr als nur erahnen konnte.
Wie sollte Jessica sich bei dem Anblick konzentrieren?
Also lehnte sie sich zurück und schloss erneut ihre Augen, doch sie bekam das Bild dieses Mannes einfach nicht aus dem Kopf.
„Ich hab keinen Bock ewig zu warten!“
Wie konnte sie ein derart unfreundlicher Mann bloß so schrecklich durcheinander bringen?
Es hatte keinen Sinn, sie konnte so nicht nachdenken. Also nahm sie sich Kanes Schreibblock und den Bleistift.
„Wollen Sie nicht mit mir reden?“
„Ich kann mich beim Schreiben besser konzentrieren“, verriet sie ehrlich.
Ben schüttelte verständnislos den Kopf, sagte aber nichts weiter.
Dennoch konnte Jessica nicht schreiben. Mit diesem Mann alleine in einem Raum zu sein lenkte sie viel zu sehr ab.
„Würden Sie mir eine Tasse Tee machen?“
Wenig begeistert ließ er die Frau endlich allein.
„…ich rannte auf die Lichter zu. Den Schmerz in meiner Hüfte ignorierte ich dabei. ‚Alles in Ordnung mit Ihnen?’ Ich sah auf eine Gruppe junger Leute. ‚Ja, alles bestens. Wisst ihr, ob hier irgendwo in der Nähe ein Internetcafé ist?’ Nachdem sie mir den Weg erklärt hatten, rannte ich die Straße entlang. Im Café angelangt setzte ich mich in die hinterste Ecke und sah mir diese Karte, die Anna mir gegeben hatte, genauer an. Zumindest den Teil, den ich entschlüsseln konnte.“
„Haben Sie den Originaltext irgendwo aufgeschrieben?“
Erschrocken zuckte Jessica zusammen. Ben stand hinter ihr und hatte bereits alles gelesen.
„Nein, nur gelesen.“
„Alles?“
„Nur das, was ich lesen konnte. Etwa zehn Prozent waren anders verschlüsselt. Ich schätze das war ein mathematischer Code, davon hab ich keine Ahnung.“
„Schreiben Sie weiter!“ forderte der Mann sie auf, während er zum Schreibtisch ging.
„Anna hatte gefordert, dass ich die Polizei raushalte. Nachdem ich nun so viel gelesen hatte, ergab das einen Sinn. Sie und ihr Team hatten nichts mit der Polizei zu tun, sie arbeiteten beim Geheimdienst eines anderen Landes. Zu welchem Land sie gehörten ging daraus nicht hervor. Allerdings waren Ergebnisse zu Recherchen verzeichnet, die zeigten, dass Anna einem ziemlich großen Verbrecherring auf der Spur war. Ich überprüfte einiges anhand des Internets und kam so zu der Überzeugung, dass Anna auf der richtigen Seite stand. Nun hatte ich die Wahl entweder zur Polizei zu gehen oder aber Sie aufzusuchen. Ein genauer Plan Ihres Verstecks befand sich auch auf dieser Karte. Auch wenn Anna mich gebeten hatte, die Polizei aus dem Spiel zu lassen, sah mein erster Impuls so aus, genau dort hinzugehen. Allerdings erinnerte ich mich an das Gespräch der Typen vor meiner Wohnung. Sie wollten zwei Menschen beseitigen und die Polizei hätte das sicher nicht verhindern können. Ob sie mir überhaupt glauben würden, bei meinem Ruf als Journalistin? Dennoch ging ich in Richtung Polizeistation, vor dem Eingang erkannte ich den Wagen. Es war derselbe wie der, an dem die Leute sich vor meiner Haustür unterhalten hatten.“
„…früher oder später wird sie hier auftauchen. - Was macht dich da so sicher? - Wo soll sie sonst hin? - Und wenn die Kleine ihr irgendwas verraten hat? - In der kurzen Zeit? Kein Mensch weiß, dass der alte Duck das Versteck im Osten entdeckt hat. Selbst wenn die Kleine irgendwas verraten haben sollte, ist es eh zu spät! - Wieso? - In genau sechs Stunden gehen die Beiden hoch. Wie soll die das verhindern? - Und wenn sie es doch schafft? - Dann nehmen wir sie in ihrem Hauptquartier hoch.“
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