„Er ist noch da“ sagte er leise „geht jetzt wieder auf Gegenkurs.“
„Tiefer, LI. Auf 160 Meter gehen. Ruder hart Steuerbord.“
Der Zerstörer lief wieder an und die Männer im Boot zogen instinktiv die Köpfe ein. Erneut droschen Riesenfäuste auf das Tauchboot ein und Martin Haberkorn hatte den Eindruck, dass die Detonationen diesmal sehr nah am Boot lagen, denn er musste sich in seiner Koje festklammern, um nicht hinausgeschleudert zu werden. Bei der letzten Explosion war das Licht ausgegangen, aber gleich flammten Taschenlampen auf. Einige der Männer im Mannschaftsraum richteten deren Strahlen gegen die Decke, sie suchten nach Lecks. Haberkorn sah in die fahlen Gesichter und obwohl es im Boot nicht warm war, lief den Männern der Schweiß über das Gesicht. Er spürte, dass sie wieder höher gingen und sich der Kurs änderte. Es blieb eine Weile ruhig, dann setzte das gewaltige Krachen wieder ein. Diesmal wurde das Boot emporgehoben und wie irr geschüttelt, Sachen der Männer flogen im Raum umher. Zu seinem Entsetzen senkte sich der Boden Richtung Grund. Als sich diese Tendenz weiter fortsetzte hörte er einen der Männer panisch sagen „jetzt haben sie uns.“
„Halt die Fresse“ wurde er von einem Maat angefahren „sie haben uns noch lange nicht.“
Das Boot kam wieder auf ebenen Kiel und stieg. Nach Haberkorns Empfinden war der Kurs wieder geändert worden. Achterbahn dachte er sich, wir fahren Achterbahn. Plötzlich gab es einen furchtbaren Schlag an der linken Seite des Bootes und einen Moment hatte es den Anschein, als würde das hunderte Tonnen schwere Fahrzeug umkippen und sich auf die Seite legen wollen. Haberkorn war, obwohl er sich mit aller Kraft festgeklammert hatte, aus seiner Koje auf die Flurbretter gestürzt. Jetzt ist es aus dachte er sich und er musste seinen Schließmuskel mit aller Kraft zusammenpressen. Das Boot richtete sich wieder auf aber sank noch tiefer.
„Hoch“ wimmerte einer der Männer „los, hoch!“
Der Maat näherte sich dem Mann mit schnellen Schritten und schlug ihm ins Gesicht.
Es krachte wieder furchtbar, diesmal wurde der Bug des Bootes angehoben, das Licht flackerte kurz auf, ging dann aber sofort wieder aus. Die nächste Detonation lag vor dem Boot und war nicht mehr ganz so dröhnend. Noch zwei Explosionen erfolgten, dann war deutlich zu hören, dass der Zerstörer ablief. Einige Zeit später gab es nochmals Explosionen aber diese lagen schon weiter weg vom Boot.
Das Boot blieb auf ebenem Kiel und drehte nach Backbord. Haberkorn hatte sich aufgerappelt und stand auf den Flurplatten neben seiner Koje. Immer noch funzelten die Taschenlampen herum, aber scheinbar war kein größerer Schaden eingetreten. Er wartete auf die nächste Attacke, aber diese blieb aus. Das Licht ging wieder an. Nach ungefähr 10 Minuten meldete sich der Kommandant.
„Wir bleiben unten und setzen uns ab. Noch zu unsicher, ob Zerstörer oben auf uns lauert. Schäden melden. Auftauchen in 30 Minuten geplant.“
In der Zentrale fragte der Kommandant den Horcher:
„Na, wie sieht es aus?“
„Zerstörergeräusche entfernen sich“ sagte der Mann lapidar „werden immer schwächer.“
„Na bitte“ meinte der Kommandant „das hat sich wohl erledigt. Bugraum: Torpedos nachladen! LI: auf 60 Meter gehen.“
Er wandte sich an den Obersteuermann.
„Was meinen Sie, Weber, sollten wir uns noch mal dranhängen?“
Der Mann sah den Kommandanten nachdenklich an, dann sagte er:
„Würde ich nicht machen, Herr Kaleun. Die wissen dass wir hier sind und werden wie die Luchse aufpassen. Man soll das Glück nicht zu stark herausfordern. Außerdem haben wir insgesamt 49 Wasserbomben abbekommen.“
„Sie mit Ihrem Aberglauben“ feixte der Kommandant „aber ich gebe Ihnen Recht. Es ist zu riskant. Wir bleiben aber in unserem Suchstreifen, vielleicht haben wir doch noch Glück. Wie sieht es mit der Batterieladung aus?“
„In spätestens einer Stunde müssen wir hoch.“
„Wie spät ist es dann?“
„20 Uhr.“
„Passt mir nicht, aber ist nicht zu ändern. Gut, wir setzen uns jetzt nach Nordost ab, horchen dann, und wenn die Luft rein ist, gehen wir hoch und laden die Batterien. Aber nur so lange wie nötig, ich habe nämlich den Eindruck, dass hier einiger Verkehr ist.“
„Siehst du“ sagte Rau „wir zuckeln jetzt schön gemütlich hier unten rum. Der Alte hat wohl eingesehen, dass es besser ist sich abzusetzen, als einen zweiten Angriff zu riskieren. Ich würde sagen, das war knapp.“
Martin Haberkorns Nerven waren immer noch zum Zerreißen angespannt. Er hatte sich nicht gehen lassen, aber die Tatsache, dass er und die anderen Männer den Angriffen des Zerstörers so hilflos ausgesetzt gewesen waren, bedrückte ihn. Das Boot stieg nach einer Weile immer höher, dann brachten es die Tiefenrudergänger auf ebenen Kiel, der Kommandant würde jetzt einen Rundblick nehmen. Wenig später wiegte sich das Fahrzeug in der Dünung und die Diesel polterten los. Haberkorn wusste, dass jetzt die Brückenwache aufgezogen war und die Männer mit ihren starken Ferngläsern die See absuchten.
„LI auf Brücke“ rief der I WO nach unten gerichtet in den Turm.
Der Mann enterte auf und wusste sofort Bescheid. Das Boot zog eine Ölschleppe hinter sich her, der Dieselgeruch war deutlich wahrzunehmen.
„Scheiße“ presste er durch die Zähne, dann sah er noch eine Weile auf die Ölspur und stieg nach unten in die Zentrale und informierte den Kommandanten.
„Der Treibölbunker an Steuerbord ist gerissen Herr Kaleun. Wir verlieren viel Öl.“
„Können Sie das reparieren?“
„Mit Bordmitteln nicht.“
„Und das heißt?“
„Wir müssen umkehren. Kriegt nur die Werft hin.“
„Wieviel Treibstoff haben wir noch?“
„Für 1.500 Seemeilen.“
„Obersteuermann, wie weit stehen wir vom Stützpunkt entfernt?“
„Zirka 1.300 Meilen.“
„Genauer! Was heißt zirka?“
„Ich müsste erst einmal die Sterne schießen.“
„Aber das zirka stimmt doch, oder?“
„Ja.“
„Na bitte, da können wir hier noch ein bisschen in der Gegend bleiben.“
„Nein Herr Kaleun“ erwiderte der LI energisch „wir können nicht mit einem lecken Treibölbunker hier bleiben. Falls wir tauchen müssen sind wir leicht zu entdecken, wir ziehen eine Ölspur hinter uns her. Ich erkläre Ihnen, dass ich Ihre Entscheidung nicht akzeptieren kann und ihr widerspreche.“
„Und Sie, Obersteuermann“ fragte der Kommandant gereizt.
„Der LI hat Recht, Herr Kaleun. Wir müssen umkehren.“
Der Kommandant sah die beiden Männer eine Weile mit wutfunkelten Augen an, dann sagte er mit kalter Stimme:
„Legen Sie den Kurs auf den Heimathafen fest Obersteuermann.“
Der Mann verließ die Zentrale und zog wütend den Vorhang zu seiner Kammer zu. Der LI sah den Obersteuermann an und sagte leise zu ihm:
„Ich bin kein Angsthase, aber mit diesem lädierten Schlitten hier weiter zu bleiben wäre doch Selbstmord. Der Zerstörer hat nur von uns abgelassen, weil wir einen Ölauftrieb haben. Sie müssen wissen, Öl kann man gut reichen und die müssen vermutet haben, dass sie uns erwischt haben. Außerdem werden sie mit starken Scheinwerfern die Oberfläche abgesucht haben.“
„Machen Sie sich keine Sorgen LI, Ihr Widerspruch war absolut richtig. Falls es Ärger geben sollte stehe ich auf Ihrer Seite.“
Die Nachricht von der Rückreise hatte sich schnell im Boot verbreitet. Wenn alles gut ging, würden die Männer in 5 Tagen wieder in den Heimathafen einlaufen können.
Fred Beyer, Westfrankreich, Sedan, 14. Mai 1940
Die drei Panzerdivisionen Guderians hatten die Maas bei Sedan überquert, obwohl die Franzosen noch 43 Brücken sprengen konnten. Da die Artillerie immer noch nachhing flogen die Ju 87 fast ununterbrochen Angriffe auf die französischen Stellungen und so konnten die Pioniere Pontonbrücken errichten, die das Übersetzen der deutschen Panzer ermöglichte.
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