E.W. Schreiber
Die Ahnenfrau
ein spirituell-lesbischer Liebesroman
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel E.W. Schreiber Die Ahnenfrau ein spirituell-lesbischer Liebesroman Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Impressum neobooks
DIE AHNENFRAU
E. W. Schreiber
Sues Atem ging schwer. Wie sollte sie sich entscheiden? Seit mehr als einem Jahr lag sie mit dem Gedanken schwanger zu gehen. Weit fort. Fort von ihrem Zuhause. Fort aus Österreich, fort von Klagenfurt. Sie wollte nicht flüchten. Dazu gab es keinen Grund. Mit ihrem zehn Monate alten Sohn Lee im Arm lag sie ausgestreckt in ihrer Hängematte, ihr Blick auf den weitläufigen Europapark gerichtet, der sich in seinem üppigen Grün zum Wörthersee hin streckte, überlegte sie angestrengt wie sie sich nun endlich entscheiden wollte. Ihr Herz schrie nach der Ferne, nach Weite und dem Geschmack nach Freiheit. Aber ihre Vernunft schlug zu hohe Wellen. Noch. Sie war zu jung um jetzt schon aufzugeben, zu begierig nach dem Leben, nach der Liebe, die sie verloren hatte, kurz nachdem sie mit Lee schwanger geworden war. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass ihr eine solche Chance geboten werden würde wie die, die sie von Stean erhalten hatte. Seit über einem Jahr schon lag er ihr damit in den Ohren, ihm nach Polynesien und Mikronesien zu folgen. Es wäre ihre Chance, sagte er. Sie könnte ganz neu beginnen. Ein Leben fernab aller Normen und Richtlinien, wie sie es kannte, zu führen. „Komm schon, du hast alles was du brauchst und das Zeug dazu, eine der ersten Spitzengreaderinnen weltweit zu sein“, hatte er gesagt und dass ihr untrügerischer Blick ihm viel Geld einbringen könnte. Sue erinnerte sich an Steans souveränen Gesichtsausdruck, während er zärtlich triumphierend seinen Arm um ihre Schultern legte. „Du, Lee und ich, wir drei könnten eine Familie sein, wir könnten zusammen sein, die Welt sehen, von der du so gut wie noch gar nichts gesehen hast, könntest dich finanziell in absoluter Sicherheit wiegen, dir ein Standbein schaffen, das dich endlich auch finanziell von allen Belastungen befreit. Du weißt, Sue, du hast ein gewichtiges Wort mitzureden in meinem Konzern, seit Sizilien.“ Er zog sie sanft an sich. „Und zudem, zudem liebe ich dich! Es gibt in ganz Europa keine Frau, die so perfekt zu mir passt wie du!“ Sue hörte nur Sizilien, Palermo, Catania. Diese Orte schwappten wie wilde Wellen an ihre Seele, wenn sie nur ihre Namen hörte. Zu oft schon war sie dort gewesen. Gemeinsam mit Aaron, ihrem verstorbenen Freund und Vater ihres Sohnes. Sizilien. Sie schwelgte in Erinnerung zurück an jene Orte, an die heißen Sommernächte, die salzigen Küsse auf ihrer braungebrannten Haut. Sizilien. Ein Land des Abschieds und ein Land, der nach Aarons plötzlichem Tod einen Neubeginn ankündigte. Ein Neubeginn durch Stean, der sie, ohne es zu wissen, genau an die gleichen Strände und Hotels geführt hatte, in denen sie ihre ausgedehnten Urlaube mit Aaron verbracht hatte.
Wie erstarrt war sie, als sie plötzlich vor der Cala Rossa Küste stand, die sich vor ihr ins weite Meer erstreckte. Wie oft schon war sie mit Aaron die rote Felsenküste entlang mit dem Kajak gepaddelt. Sue wusste wie sie schmeckte, die Küste, sie hatte sie gekostet, das Salz auf ihren Lippen. Und wie sie schmeckte würde sie niemals vergessen. Sie wusste wie es sich anfühlte, die steilen Klippen nach oben zu klettern, nur um im Anschluss mit einem wagemutigen Kopfsprung ins Meer abzutauchen. Sue kannte nicht nur die rote, sondern auch die weiße Küste, ein Insidertipp Einheimischer, mit denen sie durch Aarons Verwandtschaft eng und liebevoll verbunden war. Kein Tourist hatte diesen aus reinem weißen Ton bestehenden Küstenabschnitt je zu Gesicht bekommen. Er war Tabu. Zudem gab es in all den Jahren, in denen sie mit Aaron in Sizilien ihre Urlaube verbracht hatte, kaum Tourismus. Aber auch das hatte sich schnell geändernt, nachdem, was sie mittlerweile so in hiesigen Tourismusbüros in den Auslagen an Angeboten hängen sah.
Sue erinnerte sich an die schönen Zeiten, die sie mit Aaron dort verbracht hatte, und als Aaron nicht mehr war und Stean wie aus heiterem Himmel kurz nach Aarons Tod in ihr Leben getreten war, legte sich Sizilien wie eine Göttin erneut um ihre Seele. Stean hatte ihr die Insel aus einer anderen Perspektive gezeigt. Dort, wo sie früher nächtens im sanften Mondlicht die Tavernen der hiesigen Fischer besuchte, in denen sie kulinarischen Genüssen frönte, hatte ihr Stean mit seinem Business, das ihn mit den Fischern vor Ort verband, noch einmal mehr und tiefer das sizilianische Herz dargelegt. Sie glaubte bereits alles über dieses wundervolle Land zu wissen. Doch mit Stean, der seinen Finger in ihre Wunde des Verlustes legte, schwemmte das sizilianische Salz des Meeres neue Möglichkeiten in ihr Leben. Es war erstaunlich, wie sehr sie verbunden war mit diesem Land. Sue dachte, sie würde es nie mehr wiedersehen. Und dann kam Stean, bisher immer noch ihr bester Freund und Vertrauter, der sie eines besseren belehrte. „Du kannst vor der Vergangenheit nicht davonlaufen“, hatte er zu Sue gesagt, „und wenn es die Möglichkeit für dich gibt mich nach Sizilien zu begleiten, sofern du das auch möchtest, dann nimm die Chance wahr und verabschiede dich gebührend von dieser wundervollen Insel.“ Das hatte sie getan, gemeinsam mit ihrem damals gerade mal zwei Monate alten Sohn. Dass Stean sie genau an jene Plätze führte und seine Geschäftskontakte gerade dort hatte, an denen sie in Erinnerung so sehr hing, hatte sie, aber auch Stean selbst, nicht wissen können, und sie in großes Erstaunen versetzt. Irgendwo, so dachte sie damals, muss es noch einen Gott geben, der das hier gerade regelt, für mich. Es waren zu viele Zufälle zusammengekommen, um noch an Zufälle zu glauben. Der Weg hatte sie zu Stean geführt und Stean hatte sie zurück an ihre schönsten Erinnerungsorte geleitet, um sich zu verabschieden, aber auch, um neu zu beginnen.
Sie war hineingerutscht in Steans Business, als sie mit Lee, ihrem Sohn, in einer direkt am Meer gelegenen Fischfabrik, die im Obergeschoss jenes Restaurant führte, in dem sie so oft mit Aaron gespeist hatte, Thunfische in verschiedensten Größen erblickte und den Fischern bei ihrer Arbeit zusah. Steans Aufgabe war es, die Fleischqualität der Thunfische zu bestimmen und die beste Qualität an seine Kunden in Übersee zu verschiffen. Zu jenem Zeitpunkt gab es in ganz Europa niemanden, der Thunfische auf ihren Fettgehalt und ihre genaue Klasse bestimmen konnte. Thunfisch war Thunfisch, ganz gleich, welcher Klasse der Fisch auch angehörte. Die Kunst des Greadens erlernte Stean in Polynesien. So lernte Sue das Greaden von Thunfischen, indem sie die Farbe und den Fettgehalt des Fleisches bestimmte und Stean dabei zusah und ihn in der Farbbestimmung beriet. „Männer“, erklärte Stean einmal, „hätten große Probleme mit der Unterscheidung von Rot- und Brauntönen.“ Vor allem im pazifischen Raum wären viele der Männer farbenblind. Frauen hatten in dieser Domäne nichts verloren, weder in Europa noch in anderen Kontinenten, daher wäre Sue, sofern es sie interessierte, mit einer interessanten Tätigkeit als erste Frau und enorm hohem Gehalt seine Idealbesetzung. Es war neues Terrain für sie. Spannend, aber vor allem aufregend. Stean hatte sich auf den „humanen Fischfang am Haken“ und nicht den Massen- und Netzfischfang spezialisiert. Sein riesiges Businessnetzwerk spannte sich um die ganze Welt. Seine Kunden allesamt High-Society-Restaurants und Spitzenköche, mit Anspruch auf Eins-A-Spitzenqualität. Das Gold des Meeres, das sich nur wenige leisten konnten. Thunfische aus dem Mittelmeer waren in Übersee heiß begehrt und umgekehrt.
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