in Vertretung Erik Schreiber - Die Uebergabe der Festung Mannheim an die Franzosen
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Herausgeber
Erik Schreiber
Saphir im Stahl
e-book 085
Erscheinungstermin: 01.12.2020
© Saphir im Stahl
Verlag Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Simon Faulhaber
Lektorat: Peter Heller
Vertrieb: neobooks
Die Uebergabe
der
Festung Mannheim
an die Franzosen
nach Grundsätzen des natürlichen Gesellschaftsrechtes
sowohl als des allgemeinen deutschen Staatsrechtes
zur
Beleuchtung des rechtlichen Gutachtens
des Herrn Grafen Karls von Strengschwerdt.
Keinem göttingischen Professor sondern allen
deutschen Patrioten
gewidmet
von
keinem Grafen, aber von einem ehrlichen
Reichsbürger
Gedruckt, nicht zu Regensburg, aber auf dem
deutschen Reichsboden
1796.
Non studium belli sed par quod semper habemus,
Libertas et Caesar erunt.
Lucanus
Mein Herr Graf!
Ich beehre Sie hier mit einem Titel, unter welchem Sie sich als der Verfasser des rechtlichen Gutachtens: Die Uebergabe der Festung Mannheim an den Reichsfeind betreffend, vor dem Publikum zu verhüllen für gut fanden, mit einem Titel, der Sie in Wahrheit etwas sonderbar kleidet. Ich will übrigens nicht untersuchen, ob Sie irgend eine verborgene Absicht dabei haben, daß Sie sich gerade zum Grafen stempelten. Ich erkläre mir die Sache so ziemlich natürlich. Die Herren von Ihrem Handwerk nehmen es mit den Titeln nicht so genau. Nicht wahr, wenn ich nicht irre, Herr Graf, so kostet jetzo der Grafenbrief in der Reichskanzlei 5962 fl. 30 kr.? schreibe fünftausend neunhundert fünfzig zwei Gulden dreisig Kreutzer. Doch Ihre gräfliche Würde könnte auch etwas anderes bezwecken. Sie wollen vielleicht dem Kaiser einen kleinen Wink geben von den Erwartungen, die Sie nach Abschluß eines glorreichen Friedens auf Ihre großen Verdienste bei der Leitung einer äußerst complicirten und öfters sehr verschobenen Maschiene, zu begründen glauben? Auf Ihre Verdienste, die Sie sich besonders durch die Abfassung Ihres rechtlichen Gutachtens zu erwerben wähnen, worin Sie das auffallende Betragen seines, und des Reichs-Feldrnarschalles nach der Uebergabe von Mannheim gegen einen der ersten Reichsstände, und sein schuldloses Land, vor dem größeren Publikum rechtfertigen wollen? Ja, mein bester Herr Graf! Wenn Sie hierüber das unpartheiisclie Deutschland befriediget hätten, so gestehe ich Ihnen ein, daß Sie mehr als ein Grafendiplom gegen baare Bezahlung verdient hätten. Allein wenn es hierin auf die Stimme sachkundiger Männer ankommt, so fürchte ich, werden Sie, sich noch unter der Bürgercanaille gedulden müssen. Sie haben zwar mit einem strengen Schwerde den Knoten zerhauen, aber aufgelöset haben Sie ihn nicht. Ihr Jus publicum scheint wirklich einen starken militärischen Zuschnitt bekommen zu haben, man glaubt allerdings von der Trommel aus Ihrem Hauptquartiere manches dabei zu hören. Sie verstehen mich schon, was ich meine. Sobald man dem Wink eines solchen Generals folgen muß, so lernt man, sich mit seinen sonst angenommenen Grundsätzen auf eine sehr geschickte Weife zu retiriren, und sucht neue auf, die in dessen Absichten passen. Sie haben es ja aus der Erfahrung, wenn die Armee auf dem graden Wege nicht fortkommen kann, so sucht sie ihr Heil auf einem Schleichwege zu versuchen.
Sie haben zwar Ihre Schrift den beiden würdigen Göttingischen Lehrern, Herrn Pütter und Martens, zur öffentlichen Prüfung gewidmet, Sie wissen wohl, daß die Göttingische Professoren besonders glimpflich mit den Herren Grafen umzugehen pflegen, daß sie dieselben sogar vor andern ehrlichen Leuten in ihren Vorlesungen absöndern, sie nach dem Muster des Reichstages mit einer eignen Grafenbank beehren, und bei jeder Vorlesung die Hochgebohrnen Herrn Grafen besonders anzureden pflegen. Der Herr Graf haben vielleicht deßwegen vorzüglich für dienlich gefunden, sich an diese beiden Männer zu wenden, um von daher um so gewisser mit aller Schonung behandelt zu werden, und sogleich den vollen Beifall Ihrer gräflichen Machtsprüche aus beiden Backen zugeblasen zu bekommen. Wenn Sie Herrn Pütter aus seinen Schriften und Vorlesungen etwas genauer kennten, wenn Sie wüßten, wie sehr derselbe, immer für Reichsständische Freiheit eifert, wie sehr er dahin arbeitet, das köstlichste Kleinod der deutschen Fürsten, ihre Landeshoheit, gegen so manche in neuern Zeiten gewagte illegale Eingriffe ungekränkt zu erhalten, so hätten Sie wohl vor der Hand wenig Trost von einer Pütterischen Prüfung der in Ihrer Schrift ohne allen Beweiß aufgestellten Grundsätze erwarten müssen. Herr Pütter und Martens schweigen, und werden Sie wohl keiner Antwort würdigen; allein schliessen Sie aus dem Stillschweigen derselben nur nichts zu Ihrem Vortheile. Lassen Sie sich nur nicht einfallen, das bekannte: Qui tacet, consentire videtur, für sich anzuwenden; denn hier möchte es wohl an dem, dum loqui debuisset, fehlen. Das währe ja warlich unseren Professoren bei ihren ohnehin mühseligen Geschäften noch gar eine Hebammenarbeit zugemuthet, wenn sie allen Herrn Grafen auf ihre Auffoderungen antworten müßten.
Wollen Sie aber, mein lieber Herr Graf! sich mit einigen Gedanken über Ihre Schrift begnügen, die ein wohlmeinender Reichsbürger bei den wenigen Stunden der Muse, die ihm seine sonstigen Berufsgesehäfte übrig lassen, niederschreiben konnte, so sollen Sie, auf gut östreichisch gesprochen, von Herzen Patron seyn. Wenn ich gleich keine Cavaliersparole verbürgen kann, so gebe ich doch Ihnen hiebei mein Ehrenwort, daß ich weder von einem höhern Winke geleitet, die Sache aus einem vorgezeichneten Gesichtspunkte betrachtet, noch daß mich irgend eine Leidenschaft geblendet, noch blinder Patriotismus irre geführt habe. Doch, was sage ich Patriotismus? Was bediene ich mich, eines Wortes, das bei einem Manne, der einen Posten, wie Sie begleitet, wo nicht schon Beleidigung, doch Stoff zu Mißverstandnissen in sich enthält? Ich wollte nur versichern, daß nicht Cicero pro domo schreibe.
Um Ihnen aber denn doch eine kleine Probe, zu geben, wie man in Göttingen über den ganzen Krieg mit dem Hause Oesterreich gegen die französische Nation denket, um Ihnen zu zeigen, daß die Göttinger als ein Volk betrachtet, mit der französischen Republik keinen Krieg wollen, noch wünschen, daß sie selbst allen dießfalls einseitig getroffenen widrigen Maasregeln ihres eigenen Landesherrn auf das nachdrucksamste und feierlichste widersprochen, daß sie also wohl noch weit weniger solchen Handlungen ihre Zustimmungen geben können, wodurch ein zeiticher Reichsgeneralfeldmarschall den Souverain in einem Reichsständischen Lande zu spielen sich herausnimmt, alle landeshoheitlichen Rechte über den Haufen zu werfen sucht, und sich nicht entblödet Churfürsten des Reichs, wie gemeine Soldaten fein militärisch herumzuhudlen: will ich im Anhänge Nro 2. ein merkwürdiges Aktenstück beifügen, was besonders wegen der Originalität der ächtdeutschen Gesinnungen, die daraus hervorleuchten, unter den Bürgern unseres deutschen Vaterlandes weit bekannter zu seyn verdient, als es noch bis jetzo ist.
Einleitung.
§. 1.
Sie haben, Herr Graf! in Ihrem rechtlichen Gutachten über die Uebergabe der Festung Mannheim an den Reichsfeind, unsern Juristenfakultäten, Spruchkollegien, Schöppenstühlen, Dikasterien, Rechtskollegien, Scabinaten, Dingstühlen, und allen Rechtsgelehrten ein neues Muster für die künftige Abfassung ihrer Gutachten aufgestellet. Die allgemeine Meinung unserer Praktiker gieng seither immer dahin, daß eine Reform durchaus, nöthig sey. Sie haben wirklich die Ehre hier als Reformator aufzutreten. Man hat sich seither immer in unseren rechtlichen Gutachten bemühet, die erheblichen Zweifelsgründe (rationes dubitandi) kürzlich vorzutragen und durch Gegengrüncle zu heben. Man hat die eigentliche Motive, warum so, und nicht anders gesprochen werden müsse, die (rationes decidendi) sorgfältig auseinander gesetzet. Allein Sie gehen hier Ihren eignen Weg. Zweifeln ist Ihre Sache nicht, und Ihre Behauptungen, mit den nothigen Beweisen zu versehen, finden Sie für unnöthig. Sie stellen Ihre Prämissen als Orakelsprüche hin, und ziehen alsdann Ihre beliebigen Konsequenzen heraus. In Wahrheit eine wichtige Reform, die nur aus dem Hauptquartiere kommen konnte! Aber wie wäre es, Herr Graf! wenn man Ihnen zeigte, daß sich selbst noch an diesen Ihren für ausgemacht angenommenen Prämissen zweifeln lasse, daß folglich ihre daraus abgeleiteten Schlußfolgen auf keinen festen Grund und Boden sich stützen, und daß auch selbst auf den Fall, wenn man Ihnen Ihre Prämissen zugeben wollte, doch wenigstens Ihre Konsequenzen nicht die Probe aushalten.
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