Nun aber saß sie hier in diesem amerikanischen Angeber-Auto, fuhr völlig sinnlos durch die Nacht und zog sich vor einem fremden Mann aus. Was war in sie gefahren? Welche Macht übte dieser Graf auf sie aus? Ob er wohl mit der Kanzlerin auch so umsprang?
Sie hatte die Knöpfe der Bluse geöffnet und zog sie aus. Da saß sie nun mit ihrem weißen BH, der in der Dunkelheit leuchtete. Bis hierhin war sie bereit, diese Verrücktheit mitzumachen, aber nun sollte es Schluss sein.
Doch der Graf war nicht zufrieden. Er nippte wieder an dem Sektkelch und flüsterte: „Bitte auch den Büstenhalter.“
Suzan wollte widersprechen, nach dem Sinn dieser törichten Aktion fragen, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.
„Bitte…“, sagte er eindringlich.
Obgleich sich alles in ihr sträubte, griff sie nach hinten und öffnete den Verschluss. Der BH fiel auf ihren Schoß, und ihre Brüste standen leuchtend weiß von ihrem Körper ab.
„Danke“, flüsterte er wieder. „Und nun die Hose. Bitte!“
Suzan wollte erneut protestieren, sich wieder anziehen, den Wagen anhalten lassen und aussteigen. Sie würde mit ihrem Mobiltelefon ein Taxi rufen und nach Hause fahren. Dieser Mann war ein Verrückter, ein Perverser. Wahrscheinlich war er sogar gefährlich. Sie hatte alle Vorsicht außer Acht gelassen und war ohne Personenschutz im Dunklen zu einem fremden Mann, den sie kaum kannte, ins Auto gestiegen.
Doch sie sagte nichts, presste die Lippen aufeinander und begann, die Knöpfe ihrer Hose zu öffnen. Als sie sich von dem Sitz ein wenig erhob, um die Hose abzustreifen, bemerkte sie, dass sie erregt war. Und sie ärgerte sich noch mehr über sich selbst. Dann war sie völlig nackt. Sie sah auf ihre Scham herunter und schämte sich.
„Du darfst es jetzt machen“, sagte er sanft.
5
In dieser Nacht schlief Suzan Bergstoh nicht eine Minute. Sie hörte das leise Schnarchen ihres Mannes, während sie sich von einer Seite auf die andere wälzte. Was war nur in sie gefahren? War sie von allen guten Geistern verlassen? Hatte sie den Verstand verloren?
Sie hatte sich im Auto eines fremden Mannes zu exhibitionistischen Sexspielen verleiten lassen. Wenn sie jemand gesehen oder gar fotografiert hatte, war sie erledigt. Paparazzi gab es schließlich überall, und für so ein Bild wäre von den entsprechenden Redaktionen bis zu einer Million gezahlt worden.
„Die Frau Minister auf der Straße beim Sex Spiel ertappt!“
Eine tolle Schlagzeile – und sie wäre sogar wahr gewesen.
Wie hatte der SPIEGEL einmal geschrieben? „Es ist eine Welt, in der Berühmtheit als Ware gehandelt wird.“
Ihr Wert als Ware wäre ins Unermessliche gestiegen. Sie musste unbedingt den Kontakt zu diesem perversen Grafen abbrechen. Sie würde keine Sekunde mehr mit ihm allein verbringen. Diese Eskapaden waren Vergangenheit. Sie würde sich nun wieder zusammenreißen.
Während sie so im Bett lag und verzweifelt zu schlafen versuchte, fiel ihr eine Episode aus ihrer Schulzeit ein. Es war im Abiturjahr gewesen. Die Klasse war auf einen Schulausflug nach Italien gefahren. Der sie begleitende Klassenlehrer hatte Mathematik unterrichtet. Die weibliche Begleitung war eine Lehrerin aus der Parallelklasse gewesen, die vor dem Mathekollegen großen Respekt gehabt hatte.
Suzan wusste nicht mehr genau, wie es dazu gekommen war. Sie hatten alle zusammen ein Weinlokal besucht und auf dem Nachhauseweg war sie, ohne dass die anderen es bemerkt hätten, mit dem Lehrer zurückgeblieben. Und dann hatte er sie geküsst und ihr unter den Rock gefasst. Sie hatte es damals nicht nur geduldet, sondern sogar genossen. Anschließend hatte sie alles ihrer Freundin erzählt. Die war wahnsinnig neugierig und aufgeregt gewesen.
O.K., dachte sie, der Vorfall damals war noch verständlich. Schließlich war der Lehrer eine Respektsperson gewesen, und es hatte ihrer Eitelkeit enorm geschmeichelt, dass er sich mit ihr abgab. Aber heute leitete sie ein wichtiges Ministerium, eine gigantische Behörde. Heute müsste der Lehrer stolz sein, wenn sie ihm überhaupt die Hand gab.
Bei dem Wort Hand fielen ihr wieder die Hände des Grafen ein. Diese weichen, langen, gepflegten Finger. An sein Gesicht konnte sie sich nur schwer erinnern, aber die Hände standen ihr ganz plastisch vor Augen.
Hatte ihr der Lehrer damals einen psychischen Schaden zugefügt, sodass sie sich heute nicht gegen diesen anmaßenden Grafen wehren konnte? Was war das überhaupt für ein Graf? Eine seltsame, eine dubiose Gestalt. Und da war auch noch die Bundeskanzlerin Kruschka. Sie kannte den Grafen scheinbar recht gut. Ob er wohl mit ihr auch diese Spielchen trieb?
Am nächsten Morgen war sie müde und schaffte es erst gegen acht Uhr im Büro zu sein. Natürlich brachte die Verspätung ihren ganzen Tagesplan durcheinander. Nur einmal, als sie stark erkältet gewesen war, hatte sie sich eine derartige Undiszipliniertheit gestattet.
Als sie sich mit schwerem Kopf hinter ihren Schreibtisch setzte, fiel ihr Blick auf die Orchideen. Sie rief die Sekretärin und ließ die Blumen entfernen.
„Ich habe nun lange genug auf diese Dinger gestarrt“, bemerkte sie dabei.
„Aber sie sind noch immer sehr schön“, sagte die Sekretärin. „Darf ich sie im Vorzimmer aufstellen?“
„Nein!“ war die barsche Antwort. „Ich möchte, dass sie weggeworfen werden.“
Müde griff sie zur Unterschriftenmappe, öffnete den teuren Parker Füller und machte sich an die Arbeit. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Finger und auf den Ring mit dem blauen Brillanten, der seit gestern Nacht dort steckte. Als sei sie bei etwas Unanständigem ertappt worden, verbarg sie sogleich mit ihrer linken Hand den Ring.
Dieser Ring war das endgültige Zeichen ihrer Blödheit. Als sie wieder vor ihrer Wohnung angekommen waren, und sie bereits aussteigen wollte, hatte ihr der Graf diesen Ring entgegengehalten und sie mit seiner weichen Stimme gebeten: „Bitte trage ihn ab jetzt ständig.“
Sie hatte nicht geantwortet und auch nicht nach dem Sinn dieses Geschenkes gefragt, sie hatte sich den Ring übergestreift und war dann wort- und grußlos aus dem Auto gestiegen und ins Haus geeilt.
Sollte sie dieses Symbol ihrer Unterwerfung nun tatsächlich tragen? Sie verschob die Entscheidung auf später und vertiefte sich erst einmal in die Post.
Sie hatte die erste Mappe erst zur Hälfte abgearbeitet, da wurde sie von der Sekretärin unterbrochen. Ein Bote habe wieder Blumen gebracht, erklärte sie und stellte sieben langstielige Rosen vor Suzan auf den Tisch.
Ein kleines Couvert war an einen Rosenstiel gebunden. Die Ministerin öffnete es und heraus fiel die bekannte Visitenkarte mit der Bemerkung: „Um die Lücke zu füllen, die die weggeworfenen Orchideen hinterlassen haben.“
Was war das für ein Mann? Was wollte er von ihr? Was wusste er? Aber noch wichtiger war ihr die Antwort auf die Frage, warum tat sie alles, was er ihr befahl? Warum erregte er sie so sehr?
Ihm selbst konnte es doch nicht um sexuelle Befriedigung gehen. Er machte nicht die geringsten Anstalten mit ihr zu schlafen oder sich auf andere Weise befriedigen zu lassen. Sie hatte nicht einmal eine Erektion bei ihm gesehen.
‚Vielleicht sollte er eine dieser blauen Pillen nehmen‘, dachte sie und schmunzelte ungewollt. ‚Wahrscheinlich ist er impotent und gewinnt ein perverses Vergnügen, wenn er Frauen in solche Situationen bringt. ‘
Andererseits, wie ein alter Lustmolch sah er nicht aus und gerierte sich auch nicht so. Welche Absichten verfolgte er? Was sollte das Ganze? Galt sein Interesse ihr als Ministerin oder ihr als Frau? Aber alle diese Gedanken hatte sie bereits in den langen Nachtstunden hin und her gewälzt, ohne eine Antwort zu finden.
Da standen nun die Rosen vor ihr und zogen ihre Blicke auf sich. Obgleich sie es mit all ihrer Energie versuchte, war Suzan nicht in der Lage, sich auf die Post zu konzentrieren. Endlich gab sie auf. Sie rief die Sekretärin. Diese sollte im Vorzimmer der Bundeskanzlerin anrufen und um die Adresse des Grafen Manderscheidt bitten. Doch sie erhielt die ablehnende Botschaft, dass diese Adresse nur mit Zustimmung der Kanzlerin selbst mitgeteilt werden dürfe.
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