Nachdem sie sich die Hände geschüttelt und den von Mutter bereitgestellten Kaffee getrunken hatten, meinte der Mann lächelnd: „Das ist ja geradezu ein konspiratives Treffen, zu dem Sie mich eingeladen haben. Gibt es einen Grund für diese Geheimniskrämerei?“
In der Tat hatte die Ministerin all ihre Erfindungsgabe aufgebracht, um zu vertuschen, dass sie diesen Professor traf. Sie hatte aus Telefonzellen angerufen, anonyme E-Mail-Accounts eingerichtet und war sich dabei reichlich blöd vorgekommen. Aber ihre Angst vor dem Grafen hatte alles dominiert. Diese Angst konnte sie natürlich gegenüber dem fremden Mann nicht zugeben, deshalb ging sie auf die Frage nicht ein, sondern sagte nur lauernd: „Nun da bin ich. Was erwarten Sie von mir?“
„Das weiß ich eigentlich auch nicht so genau. Sie sind lediglich die Einzige, die mir in meiner Verzweiflung eingefallen ist.“
„Worum geht es eigentlich?“
„Das ist rasch berichtet. Wie Sie ja allzu gut wissen, habe ich mich durch meine Kritik am CO 2-Dogma selbst zum Enfant terrible gemacht. Als Folge bekam ich natürlich keine Forschungsgelder mehr und die Studenten blieben von meinen Veranstaltungen fern. Schließlich galt ich nun als unzurechnungsfähiger Spinner. Auch alle meine Doktoranden sind abgesprungen. Es macht sich nicht gut im Lebenslauf, wenn man bei einem Irren promoviert hat.
Andererseits läuft mein Gehalt als C3-Professor weiter. Schließlich bin ich auf Lebenszeit verbeamtet. Ich habe ein Anrecht auf Hilfsassistenten. Außerdem kann ich kostbare Laborzeit beanspruchen. Bei den Kollegen drängen sich jetzt Studentenmassen, und ich nutze die großen Laborräume nur mit einem kleinen Häufchen Studenten. Das ist der Universitätsleitung, der Verwaltung und vor allem den Kollegen natürlich ein Dorn im Auge.“
„Warum stilisieren Sie sich eigentlich zum Märtyrer?“ entgegnete ihm die Ministerin ärgerlich. „Zweifel an der CO2 Hypothese werden inzwischen doch auch von namhaften Wissenschaftlern geäußert. Sie stehen also nicht allein! Was also wollen Sie von mir?“
„Es ist schon richtig, dass sich immer mehr angesehene Leute gegen diesen wissenschaftlichen Unsinn auflehnen, der leider sehr viel Geld einbringt. Aber, wenn Sie sich mit diesen Namen beschäftigen, so werden Sie feststellen, dass alle nicht mehr im Berufsleben stehen. Erst nachdem sie emeritiert waren oder Altersruhegeld bezogen, fanden sie den Mut, für die Wahrheit einzutreten. Ich habe dies dummerweise bereits während meiner aktiven Zeit gemacht und muss nun die Konsequenzen tragen.“
„OK“, sagte die Ministerin trocken. „Ihre Tage in der Uni sind ein Spießrutenlaufen, aber das haben Sie sich selbst eingebrockt, und existenziell sind Sie doch abgesichert.“
„Ja, bisher“, war die kleinlaute Antwort. „Doch nun soll es mir an den Kragen gehen. Man klagt mich der Fälschung von Forschungsergebnissen an, um mich endlich zu beseitigen.“
„Und, ist etwas dran?“
„Unsinn, natürlich nicht.“
„Was sollen Sie denn gefälscht haben?“
„Na, was schon? Die Klimadaten, natürlich. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!“
„Was sagt eigentlich Ihre Familie zu Ihrer Rolle als Wissenschaftsclown?“
„Meine Frau hat sich schon vor Monaten von mir getrennt. Sie wohnt jetzt allein in unserem Haus. Ich selbst habe nur noch ein kleines Appartement. Dort lebe ich aus Koffern.“
Suzan aß ein Stück von Mutters selbstgebackenem Kuchen und stellte fest, dass er zu süß war. Mutter hatte es wieder einmal zu gut gemeint und mit dem Zucker nicht gespart.
Angewidert stellte sie das halb gegessene Stück ein wenig zu heftig auf den Tisch zurück und sagte barsch: „Sie machen auf mich einen ganz vernünftigen Eindruck. Wie kommen Sie dazu, alle ihre Kollegen und Kolleginnen des Irrtums oder gar der Fälschung zu bezichtigen? Sie allein gegen alle? Haben Sie tatsächlich die Weisheit gepachtet? Steckt dahinter nicht eine gehörige Portion Größenwahn?“
Der Professor versuchte sich zu beherrschen, aber es war nun unübersehbar, wie stark seine Nerven beansprucht waren. Es gelang ihm nicht mehr, seinen gelangweilten, halb spöttischen Ton beizubehalten. Er sprang auf und lief auf und ab.
„Nun so ganz allein stehe ich gar nicht da. Es mehren sich die Stimmen, die die gleichen Fragen stellen wie ich. Aber nur Leute, die pensioniert sind und ihre wissenschaftliche Karriere längst hinter sich haben, wagen die Wahrheit beim Namen zu nennen. Allerdings werden sie genauso wenig gehört und ebenso verteufelt wie ich. Vor einiger Zeit hat man die E-Mails der CO 2-Päpste gehackt und veröffentlicht. Dort wurde unmissverständlich zugegeben, dass meine ach so honorigen Kollegen die Klimadaten gefälscht haben.“
„Ich weiß, das habe ich auch gelesen“, murmelte sie.
„Doch hat dies etwas geändert. Die Lügen werden weiterverbreitet, so als ob nichts geschehen wäre. Aber Ihr Argument vom Wahrheitsanspruch der Mehrheit möchte ich mit dem Aphoristiker Lichtenberg kontern: Was jedermann für ausgemacht hält, verdient am meisten untersucht zu werden.“
Er kramte in seinen Unterlagen und zog endlich eine Klarsichthülle mit einem Zeitungsartikel hervor. Den überreichte er theatralisch der Ministerin. Es war eine Seite aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. Januar 2010, in der eine Modellrechnung aufgemacht wurde.
„Wenn in der BRD überhaupt kein anthropogenes CO 2 mehr erzeugt wird, wenn also Deutschland auf der Welt nicht mehr existieren würde, hat dies einen Einfluss von 0,00004712 Prozent auf die Gesamtproduktion von CO 2 unseres Planeten.“
Noch während Bergstoh diesen Artikel las, hielt er schon die nächste Kopie aus dem Kopp-Verlag bereit. Sein Gesicht war rot vor Eifer. Dort stand als Interpretation zu der Modellrechnung (kann jeder nachlesen):
Im Klartext: Wenn in keinem deutschsprachigen Dorf mehr ein Ofen brennt, alle Industrie stillgelegt ist, auch der Bundespräsident nur noch mit dem Fahrrad fährt, dann ersparen wir der Erde damit »gigantische« 0,00004712 Prozent CO 2 . Wir können stolz auf uns sein, wie viel Industrie und Arbeitsplätze wir für dieses Ziel schon vernichtet haben. Hauptsache, es ist politisch korrekt. Hurra, wir haben es bald geschafft. Denn mit immer neuen Vorgaben und Kostenstellen ruinieren wir nach den Bauern jetzt auch unsere Industrie und Arbeitsplätze.
Suzan lächelte in sich hinein. Sie ging nicht auf die provokanten Artikel ein, sondern fragte mit strenger Stimme weiter: „Wie sind Sie eigentlich in diese Rolle geraten. Welcher Teufel hat Sie geritten der Michael Kohlhaas der Klimaforschung zu werden?“
„Mehr durch Zufall. Ich habe einen Aufsatz über das Waldsterben gelesen.“
„Was hat denn das Waldsterben damit zu tun?“
„Alles und nichts. Die Panik ist damals genauso von den Medien gemacht und an den Haaren herbeigezogen worden wie heute die CO 2-Katastrophe. Haben Sie in den letzten Jahren noch etwas vom Waldsterben gehört? Nein, natürlich nicht. Dem Wald geht es so gut wie lange nicht. Ich habe mich damals amüsiert, wie sich ein ganzes Land an der Nase herumführen lässt. Oder denken Sie an das berühmte Ozonloch? Wie wurde mit dieser pseudowissenschaftlichen Erkenntnis die Menschheit in Angst und Schrecken versetzt. Doch keiner von den Unheilpropheten hat jemals seinen Irrtum zugegeben. Und inzwischen werden längst neue Säue durchs Dorf getrieben. Da gibt es weltweite Seuchen wie die Vogelgrippe oder die Schweinegrippe, an deren Impfungen mehr Menschen sterben als an den Krankheiten selbst. Aber es wird gut daran verdient.
Das Waldsterben war jedenfalls für mich das Schlüsselerlebnis. Von ihm schloss ich auf die prognostizierte Klimakatastrophe und erkannte die gleichen Mechanismen. Damals war doch auch jeder ein moralisches Schwein, der am Untergang des deutschen Waldes zu zweifeln wagte. Heute fordern einige meiner Universitätskollegen sogar, die Leugnung des CO 2-bedingten Klimawandels unter Strafe zu stellen.
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