1 ...7 8 9 11 12 13 ...26 Eden kann ihre alte Vergangenheit nicht nachvollziehen und verstaut dieses Thema in die dunkelste Ecke ihres Gehirns, das es aufweisen kann. Sie will jetzt nur noch hier raus und ihren Kleiderschrank auffüllen.
In der Garage angekommen, stellen sich ihre Nackenhaare auf, als sie den kackgrünen Kombi sieht. Das ist doch wirklich nur ein schlechter Albtraum. Am liebsten würde sie zu Fuß gehen, aber dann hätte sie einen zweistündigen Fußmarsch vor sich. Dieser Albtraum ist also noch schlimmer.
Schweren Herzens ergibt sie sich ihrer aussichtslosen Situation, steigt in den Wagen und lässt ihn ängstlich an. Keine Explosion oder Knall, sehr gut.
Langsam rollt sie aus der Garage, bleibt stehen und wirft einen Blick in den Rückspiegel, um zu beobachten, wie sich das Tor vollständig schließt. Sie holt schnappend Luft und glaubt ihren Augen nicht zu trauen. Hektisch reißt sie die Wagentür auf, stolpert aus dem Auto und stürzt in die Garage zurück. In der Dunkelheit tastet sie nach einem Lichtschalter und betätigt ihn. Schlagartig entweicht ihr ein stöhnendes Japsen. Ihr Puls steigt, ihr Herz beginnt freudige Luftsprünge zu machen. Wie ein Kleinkind beginnt sie auf der Stelle zu hüpfen und klatscht quiekend in ihre Hände.
»Ja, ja, ja, ja, ja‼«, quietscht sie und tritt näher an die schwarze Night Rod. Ein Motorrad, das kaum schöner, edler und kraftstrotzender sein kann, präsentiert sich Edens Augen. Vor lauter Freude werden diese sogar feucht.
»Du warst ja doch nicht so scheiße‼«, lobt sie ihr altes Ich und tritt näher an das Motorrad. Noch nie hat sie so eine tolle Harley gesehen und hätte auch nicht gedacht, dass sie so ein Schmuckstück in ihrer eigenen Garage stehen hat.
Mit bebendem Herzen geht Eden langsam auf das Motorrad zu, hebt eine Hand und führt diese ehrfürchtig zitternd an die Maschine. Kaum berühren ihre Finger das Leder des Sitzes, atmet sie schwer aus und versucht ihren Herzschlag zu kontrollieren. Sie gibt unterlegen, aber gerne, nach wenigen Sekunden auf und inhaliert einfach nur den Anblick, der ihr geboten wird. Dann fällt ihr ein, weshalb sie sich auf den Weg gemacht hat. Sie atmet enttäuscht ein, weil sie definitiv neue Kleidung braucht. Da kommt sie nicht drum herum.
»Du bleibst brav hier. Nicht abhauen«, schimpft sie liebevoll mit der Harley, setzt sich schweren Herzens wenige Augenblicke später, in die alte Kombischüssel und kämpft mit sich, diesen Wagen nicht gleich zum Schrotthändler zu bringen. Zu mehr ist es eh nicht mehr zu gebrauchen. Sie würde sogar noch oben drauflegen, nur damit sie das Stück Metall vernichtet weiß.
Nach zwei Stunden und mit mehreren Einkaufstüten bewaffnet, kehrt Eden in das Horrorhaus zurück und schmeißt die erste Waschmaschine an. Die Night Rod in der Garage hat sie mit Sicherheit nicht vergessen. Wie könnte sie auch? Sie wird heute Nacht davon träumen, das weiß sie. Morgen, ja morgen wird sie sich diesem edlen Stück voll und ganz widmen. Sobald Ryan aus dem Haus ist, wird sie sich aufpolieren, auf das Leder schwingen und dann nach Soma fahren. Sie riecht jetzt schon den Wind. Er wird ihr während der Fahrt ins Gesicht wehen. Wie sehr sie sich da schon drauf freut.
Sie fragt sich aber dennoch, wie sie an so eine Maschine gekommen ist. So ein gutes Stück kostet eine Stange Geld. Auch wenn sie noch keine persönlichen Daten von sich im Kopf hat, weiß sie auch so, dass man beim FBI nicht genug Geld verdient. Und Ryan mit seinem Redakteur Gehalt? Mit Sicherheit bringt er auch nicht genug Geld mit nach Hause. Zusammengerechnet dürfte es ungefähr so viel sein, dass sie sich dieses Haus leisten können und vielleicht zweimal im Jahr einen Urlaub genießen. Wo hat sie aber das Geld für eine Harley Davidson her?
Skeptisch über sich selbst, wandert Eden planlos durch das Haus und landet in ihrem Puppenzimmer. Der eine Müllsack von gestern steht noch immer im Raum. Den hat sie ja wegen dieser Jill nicht mehr nach draußen bringen können. Das wird sie aber nachholen. Gleich nachdem sie ihre finanzielle Situation gecheckt hat. Merkwürdig findet sie das schon.
Sie setzt sich an den Schreibtisch, der auf der anderen Zimmerseite steht und blickt sich suchend um. Ein Computer, Scanner, Drucker und ein Telefon. Über dem Schreibtisch hängt ein Regal auf dem mehrere Ordner stehen.
»Kontoauszüge«, liest Eden laut und rupft einen Ordner mit dieser Beschriftung vom Regal. Gleichzeitig schaltet sie mit einem Knopfdruck den Computer an. Neugierig blättert sie herum und stellt schon nach wenigen Minuten etwas Merkwürdiges fest. Alle paar Wochen hat sie auf ihr Konto Einzahlungen mit unregelmäßig, aber verdächtig hohen Summen. Mal sind es zwanzigtausend Dollar, dann fünfzigtausend und hin und wieder kleine Beträge von ein paar tausend. Was zur Hölle ist das? Und von wem erhält sie das Geld? Es steht kein Name geschrieben und das Geld wurde immer bar auf das Konto eingezahlt. Von wem? Vor allem aber, warum?
»Da stimmt doch irgendetwas nicht«, murmelt sie vor sich hin und sieht aus dem Augenwinkel, dass der Computer startklar ist. Sie klickt eine geraume Zeit hin und her, stellt zwischendurch eine neue Waschmaschine an und wälzt sich weiter durch ihr Eigentum, das ihr fremd vorkommt. Sie findet mehrere Ordner, mit Dateien und kann diese sofort zuordnen. FBI. Sie hat tatsächlich FBI Dateien auf ihrem privaten Computer? Wie leichtsinnig war sie eigentlich? Und sie will tatsächlich ein Agent sein? Da ist ja ein Kindergartenkind schlauer als sie.
Kopfschüttelnd klickt sie auf eine Datei und nimmt sofort ihre vorherigen Gedanken zurück. Passwortgeschützt. Sie überlegt einige Zeit, findet aber kein passendes Wort, das ihr schlau und clever genug erscheint, dass man es als Passwort nutzen könnte. Sie versucht einige belanglose, erhält aber keinen Zugriff auf die Dateien.
»Mist‼«, flucht sie, fährt den Computer herunter und zieht stattdessen den Ordner mit den Kontoauszügen wieder zu sich. Ihr kommt ein Gedanke, als sie sehen kann, wie viel Geld sich derzeit auf ihrem Konto befindet. Das ist eine gute Idee, eine verdammt gute! Sie wird diese Idee gleich morgen in die Tat umsetzen und da es sich um ihr eigenes Konto handelt, braucht sie sich um keinen Streit mit Ryan zu sorgen. Es ist immerhin ihr Leben und Geld!
Gegen Abend hat sie sämtliche neue Wäsche gewaschen und zum trocknen aufgehängt. Weiße Blusen, helle und dunkle Jeans, die aussehen, als wenn sie schon völlig ausgetragen wären. An den Knien zerrissen und aufgeschlitzt. Mehrere Schulterfreie weiße Unterhemden, die sie unter den Blusen tragen wird und unzählige Hosenanzüge. Die meisten in weiß, aber auch ein paar schwarze, hellgraue und sogar ein rotes Cocktailkleid. Es gefiel ihr beim ersten Anblick so sehr, dass sie gar nicht lange nachdachte und ihre Kreditkarte zog. Sie war froh, dass sie schlau genug war, zuvor noch ihre Unterschrift zu üben. Diese entnahm sie der Hochzeitsurkunde, die sie in einem Schrank neben den ganzen Hochzeitsfotos fand. Ihre Intelligenz scheint also keinen Schaden genommen zu haben. Da funktioniert offensichtlich noch alles.
Als Ryan am Abend zu Hause eintrifft, ist Eden schlagartig von seinem Dauergrinsen genervt. Wenn sie könnte, würde sie…! Egal, sie erträgt es, versucht zu sich selbst zu finden und mit ihren bisherigen Erkenntnissen klarzukommen. Nach und nach ihr Leben aufzudecken, jenes umzukrempeln und neu aufzubauen. Denn das was bisher dort stattgefunden hat, wird so nicht mehr weiter funktionieren. Schon gar nicht, mit diesen ganzen Sex-Toys. Da wird sie mit Ryan definitiv noch drüber reden müssen. Dafür kann er sich eine andere suchen, die dieses Spielchen mit ihm ausübt. Sie braucht das nicht.
Ryan stellt den beiden zwei Schachteln vom Chinesen auf den Tisch. Keiner von ihnen hatte Lust zu kochen und somit entschieden sie sich, Essen zu holen.
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