Irgendwann begann ich gegen diese Last aufzubegehren, sammelte Kraft und Mut und entledigte mich ihrer. In diesem Moment fühlte ich mich befreit und war zu aufrechtem Gang in der Lage.
Kleingemacht zu werden, um die eigene Kraft herauszufordern und zu erfahren? Ist dies das paradoxe Wirkprinzip dieser Psychotherapie? Oder war es die Auflösung verdrängter Erlebnisinhalte und Gefühle, wie es die psychoanalytische Theorie behauptet? Bewusstwerdung, begleitet von starken Emotionen, habe ich nicht erlebt. Mir kam die Therapie vor, wie eine lange Entdeckungsreise in alle Bereiche meines damaligen und früheren Lebens. Dabei wurden Zusammenhänge zwischen Ereignissen, Handlungen und Gefühlen sichtbar. Sie durchzogen die persönliche Geschichte wie ein immer dichter werdendes Netz roter Fäden. Ich hatte über Dinge nachgedacht, die mir im wahrsten Sinne des Wortes im Traum nicht eingefallen waren.
Die neugewonnen schmerzlichen und erfreulichen Erkenntnisse über mich und meine Welt hatten im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Selbstbewusstsein geschaffen. War es dies, was es mir ermöglichte, Neues zu riskieren? Ergaben sich daraus die Fortschritte im Studium und privaten Leben? Waren sie Ursache oder Wirkung oder beides zugleich - ein sich gegenseitig aufschaukelnder Prozess? Diese schwierige Frage, wie viele andere auch, konnte ich nicht beantworten. Selbst wenn, was wäre gewonnen? Mir ging es gut, ich fühlte mich stark.
Wegen dieser positiven Erfahrungen teile ich nicht die sarkastische Bemerkung des österreichischen Literaten Karl Kraus aus dem Jahr 1913. Er behauptete, dass Psychoanalyse jene Geisteskrankheit sei, für deren Therapie sie sich hält. Dennoch ist meine Skepsis gegenüber den Theorien und Methoden der Psychoanalyse geblieben. Entscheidend für mich sind nicht die einzelnen Therapiemethoden und -theorien, sondern die in allen Formen vorhandene Selbsterfahrung, die durch eine neutrale, aufmerksame und sachkundige Begleitung initiiert und moderiert wird sowie die Ermutigung, neues Verhalten auszuprobieren und zu unterstützen.
Ich wünsche jedem, einen solchen Prozess zu durchlaufen, ohne sich selbst als Problemfall oder als psychisch krank definieren zu müssen. Das wäre dann eine Unterstützung der persönlichen Entwicklung oder eine Wellnesskur für die Seele.
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