Anne Swalski
Suche Stelle als Talk-Gast
- Satiren bei Funk und TV -
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Anne Swalski Suche Stelle als Talk-Gast - Satiren bei Funk und TV - Dieses ebook wurde erstellt bei
1 Suche Stelle als Talk-Gast
2 Zwischenspiel: Kölle
3 Die Schwarze Witwe
4 Ein Königreich für einen Zuschauer
5 Zwischenspiel: Frühe Bots
6 Der Kilometerzähler
7 Die Dame ohne Unterleib
8 Zwischenspiel: Die Wohnung
9 Karo von Reibach
10 Talk im Tal
11 Der Geschäftsmann
12 Zwischenspiel: Grillen
13 Feindliche Übernahme
14 Forschungsspitzen
15 Der Unsterbliche
16 Frau Knoblauch als Kulturpflanze
17 Weibliche Endungen
18 Polit-Buffet
19 Außenpolitik
20 Inländer-Feindlichkeit
21 Zwischenspiel: Herrenbesuch
22 Herr Online
23 Das karnevalistische Huhn
24 Medienfest
25 Zwischenspiel: Verstimmung
26 Kunst und Kacke
27 Nachts durch die Tundra
28 Zwischenspiel: Der Umzug
29 Nachwort: Offener Brief an den Anchorman der ‚Gentleman’s Late Night Show‘
Impressum neobooks
1 Suche Stelle als Talk-Gast
Anne Swalski
Suche Stelle als Talk-Gast
-Satiren bei Funk und TV-
Inhaltsverzeichnis:
1 Suche Stelle als Talk-Gast
2 Zwischenspiel: Kölle
3 Die schwarze Witwe
4 Ein Königreich für einen Zuschauer
5 Zwischenspiel: Frühe Bots
6 Der Kilometerzähler
7 Die Dame ohne Unterleib
8 Zwischenspiel: Die Wohnung
9 Karo von Reibach
10 Talk im Tal
11 Der Geschäftsmann
12 Zwischenspiel: Grillen
13 Feindliche Übernahme
14 Forschungsspitzen
15 Der Unsterbliche
16 Frau Knoblauch als Kulturpflanze
17 Zwischenspiel: Weibliche Endungen
18 Polit-Buffet
19 Außenpolitik
20 Inländer-Feindlichkeit
21 Zwischenspiel: Herrenbesuch
22 Herr Online
23 Das karnevalistische Huhn
24 Medienfest
25 Zwischenspiel: Verstimmung
26 Kunst und Kacke
27 Nachts durch die Tundra
28 Zwischenspiel: Der Umzug
29 Nachwort: Offener Brief an den Anchorman
Es gibt heute Prominente, die so häufig zu Talk-Shows eingeladen werden, dass sie ihren Beruf aufgegeben haben und ein zufriedenstellendes Einkommen über die Honorare als Talk-Gast verbuchen können. Sogar die Industrie- und Handelskammer war schon bei dem einen oder anderen Sender vorstellig geworden, um etwas über die Voraussetzungen für den neuen Beruf als Talk-Gast zu erfahren. Auch Personen in der zweiten Reihe des öffentlichen Lebens, wie beispielsweise Köche oder Herrenausstatter, haben erkannt, dass sie sich mit Reden vor einer Kamera ein erkleckliches Zubrot verdienen können.
So hatte auch ein Herr Möhre ebenfalls schon von dem neuen Berufsbild gehört, und nach einigem hin und her entschieden, sich als Talk-Gast zu verdingen. Es lag ihm daran, sich beruflich neu zu orientieren, denn er war Sex-Schriftsteller der mehr oder minder härteren Sorte und hatte bei sich einen Burn-Out diagnostiziert. Seit er um die fünfzig war, fiel es ihm zunehmend schwerer, sich etwas Schlüpfriges einfallen zu lassen. Immer häufiger musste er in seinen Erinnerungen nach Lampenschirmen und ähnlichem suchen, um einen neuen Story-Mix zu kreieren, den er, statt mit ‚Frühlingsrollen‘, mit ‚Augenrollen‘ nach oben begleitete. Während andere noch mit 55 eine neue Ehe eingingen, kam er sich wie leer geschossen vor.
Herr Möhre suchte also die Casting-Agentur Rhing-Gold in Kölle auf, ein Unternehmen, das u.a. Personen auf ihre Fernseh-Tauglichkeit untersuchte. Talkgäste sollten ihre Meinung zu biblischen Offenbarungen aufwerten können, flunkern erlaubt, und auch weitere Qualifikationen - wie Unterscheidungsvermögen zwischen Reden und Labern - entwickelt haben: Der Moderator darf labern, tut es aber nicht, der Gast darf auf keinen Fall labern, tut es aber manchmal doch. Nachdem Herr Möhre beim Telegen-Test ganz gut abgeschnitten hatte, er trug ein vorteilhaftes Toupet, ging es ans Eingemachte.
„Was können Sie denn?“ fragte der junge Angestellte. Auf seinem Schreibtisch standen mehrere beschriftete Boxen mit Datenträgern, und aus der ihm nächsten entnahm er eine Disc und lud sie in den Computer.
„Ich bin Schriftsteller“, antwortete Herr Möhre, glaubend, dass damit nun alles gesagt wäre. Doch der junge Mann runzelte die Stirn und suchte weiter auf dem Schirm, und als hätte er verstanden, was sein Gegenüber gedacht hatte, widersprach er:
„Das reicht heute nicht mehr.“
„Ach, was!“
„Wir müssten Sie auch in Spielshows unterbringen können, das würde dann gehen.“ Herrn Möhre wurde mulmig. Der Angestellte setzte seine Fragerei fort.
„Haben Sie irgendeine besondere Neigung oder Fertigkeit? Können Sie Sackhüpfen?“ Sein Gesprächspartner kannte das Wort in einem anderen Zusammenhang über gut.
„Sackhüpfen? Nein, kann ich nicht.“ Er schüttelte den Kopf.
„Wie ist es mit ‚auf dem Strich gehen‘? Das wird bei Spielshows häufig erwartet.“ Herr Möhre schüttelte wieder den Kopf. Nicht er. Das Thema hatte er satt.
„Schade, die Sendung ‚Kinderschreck‘ lädt auch Erwachsene ein, die für ein Spiel eine sportliche Qualifikation aufweisen können. Im Moment ist Sackhüpfen und Auf-dem-Strich-Gehen der Renner, die Leute lachen sich kaputt. Aber das ändert sich alle paar Monate. Im nächsten Quartal kann es ‚Blindekuh‘ sein.“
„Ah, ja“, sagte der Schriftsteller. Er verfiel eine Sekunde in Nachdenken, denn das Wort erinnerte ihn an etwas. Richtig, er hatte mal was geschrieben. Jahre her, aber er hatte das Stück ‚Die blinde Kuh‘ genannt.
„Was gäbe es denn noch, womit Sie aufwarten könnten?“ Der junge Mann wandte sich vom Computer ab, holte einen weiteren Kasten mit Discs vom Regal und suchte darin.
„Ich bin gut im Assoziieren“, fiel Herrn Möhre ein, „gibt es nicht Spielshows, wo man etwas erraten muss?“
„Doch, schon, aber da nehmen wir zur Zeit verarmten Adel.“
„Politische Diskussionen?“
„Dafür kommen im Moment nur Behinderte in Frage - wegen der Teilhabe. Sie müssten schon irgendetwas Besonderes können. Etwas, was andere nicht können.“ Herr Möhre überlegte angestrengt. Ihm fiel ein, dass er als junger Mann Sprachen studiert hatte und warf diese Karte ins Spiel:
„Ich kann einige Brocken Rätoromanisch sprechen …“
„Ach“, winkte der Angestellte kopfschüttelnd ab, „so oft haben wir keine Schweizer Bergvölker zu Besuch!“
„Das kann aber nicht jeder!“ erwiderte Möhre trotzig. Ihm sank der Kopf; er hatte sich vorgestellt, dass es einfacher wäre. Aber einen Angebotspool von solchen Leuten wie er einer war, gab es offensichtlich en masse. Der junge Mann stellte den Kasten zurück und holte aus einer Schublade Listen hervor und sah sie durch. Herrn Möhre war nicht klar, ob die Listen irgendetwas mit diesem Interview zu tun hatten und sagte in das Blättern hinein:
„Ich bin schon Spezialist. Aber ich möchte auf diesem Gebiet nicht mehr arbeiten.“ Er machte eine Pause und fuhr fort:
„Sieht nicht gut aus, wie?“
„Ja, sieht schwierig aus. Sagen Sie mal, was schreiben Sie denn als Schriftsteller?“ Vor diesem Augenblick hatte Herr Möhre gezittert.
„Ja, ich, wie gesagt, ich wollte da eigentlich nicht mehr arbeiten auf dem Gebiet.“
„Ach, Gott, kommen Sie, sagen Sie schon, vielleicht lässt sich da etwas machen.“ Möhre war im Zwiespalt und wand sich innerlich.
Читать дальше