»Verfluchtes Geld!«, murmelt Kim durch die Wassertropfen der Dusche, atmet tief durch und blickt an ihrer Haut entlang. Dass sie diesen Schritt wirklich getan und ihrem Körper diese Aktion zugemutet hat, kann sie selbst noch nicht glauben.
Sie spürt, wie sich ihr Magen bei dem Gedanken schmerzhaft zusammenzieht und legt beruhigend eine Hand auf die Haut. Minutenlang genießt sie ihre Hand, bis sie sie weiter nach unten führt und zwischen ihre Beine gleiten lässt. Als sie sie an ihrem Schritt spüren kann, zuckt sie erschrocken zusammen. Für den Bruchteil einer Sekunde hat sie das Gesicht von Mark vor sich.
»Ganz ruhig bleiben!«, flüstert sie leise, atmet erneut tief durch und belässt ihre Hand im Schritt.
»Ich werde das schon überstehen! Es war doch gar nicht so schlimm!«, grinst sie sarkastisch und übt eine leichten Druck auf ihre Vagina aus. Das erste Mal in ihrem Leben hat sie diesem Teil ihres Körpers etwas angetan, was sie nicht von Herzen wollte. Jede bisherige dort stattgefundene Berührung war gewollt oder herausgefordert. Jetzt war es zwar auch gewollt, aber aus völlig anderen Gründen. Und dieser Gedanke treibt ihr Tränen in die Augen.
»War doch gar nicht so schlimm!!«, haucht sie. Sie spürt wie ihr Gewissen die Oberhand über ihr Gefühlsleben gewinnt und die ersten Tränen über ihr Gesicht laufen.
»War doch gar nicht so schlimm!!«, weint sie und sinkt kraftlos in der Duschwanne zu Boden.
»War doch gar nicht so schlimm!!«, trauert sie wimmernd um sich selbst und ihre Vagina, die diesen Job ungewollt und ungefragt ertragen musste.
Kims Traum und Schweinchen Babe
G egen zwei Uhr nachts, tippt Kim flink eine Zahlenkombination in die Sicherheitsanlage eines Gebäudes. Sie schließt nach dem aufleuchten eines kleinen grünen Lämpchens die Tür auf, huscht durch den schmalen Spalt und zieht die Tür hektisch hinter sich zu. Blind aber sicher, tastet sie nach einem Lichtschalter, betätigt ihn und wartet einige Sekunden. Nach und nach springen wenige Leuchtstoffröhren an. Sie dreht sich in die Halle. Sofort wandert ein glücklicher und zufriedener Ausdruck über ihr Gesicht. Ihre Lippen formen sich zu einem zuckersüßen Lächeln, die Augen strahlen vor Glück. Stolz blickt sie in das sechshundert Quadratmeter große Geschäft und genießt den Anblick, der ihr geboten wird. Das ist der Grund, weshalb sie diesen Nebenjob begonnen hat! Das ist der Grund, weshalb sie sich diesen Qualen aussetzt! Das ist ihr Leben! Dieses Geschäft ist ihr Leben und ihr größter Traum. Ein Traum, den sie in die Realität umgesetzt hat. Es sollte kein Traum mehr bleiben. Kim eröffnete vor über einem Jahr eine Buchhandlung.
Stolz wandert sie mit ihren Augen über die vielen Regale, in denen unzählige Bücher stehen und ihre Geschichte geschlossen für sich behalten. So lange bis jemand den Umschlag öffnet und beginnt die Buchstaben zu kitzeln, damit diese, die dort befindliche Story, freiwillig herausgeben.
Lächelnd wandert Kim ein paar Schritte durch die Halle und ist stolz auf das was sie geschaffen hat. Denn sie hat nicht nur einfach eine normale Buchhandlung eröffnet. Sie wollte etwas anderes machen. Etwas Besonderes! Etwas, was es so noch nicht gibt!
Als Kunde ist sie immer genervt, wenn sie in einer Buchhandlung steht und ihr Genick kurz vorm Bruch ist, wenn sie den Kopf schief legen muss, um den Buchrücken eines Buches lesen zu können. Sie stört die Reizüberflutung der überfüllten Regale. Kim fühlt sich immer so erschlagen von dieser Auswahl an Büchern, dass sie sich dazu entschloss, so eine Buchhandlung nicht zu eröffnen. Die Kunden sollen sich wohl fühlen und sicher sein, dieses Buch (dass sie in ihren Händen halten) wirklich kaufen zu wollen und nicht, weil es ihnen auf dem Weg durch das Geschäft durch einen monströsen Aufbau regelrecht ins Gesicht springt. Sie will den Kunden die Freiheit und Option geben, ihre Wahl sorgfältig zu treffen.
Kim stellte ein völlig neuartiges System und eine ausgeklügelte Verkaufsstrategie auf. Im gesamten Geschäft stehen kleine Sitzgruppen. Entweder normale Stühle mit Tischen, Sessel oder hin und wieder eine Couch. Der Kunde kann sich aus den liebevoll gefüllten Regalen ein Buch aussuchen und sich überlegen, ob er es sofort kauft oder vorerst eine gemütliche Lesestunde nimmt. Kim ließ ein Programm entwickeln, dass die Kunden an diesen kleinen schnuckeligen Laden liebevoll binden. Man muss kein Mitglied mit jährlichen Gebühren werden, erhält aber trotzdem nach dem ersten Kauf, oder der ersten Leseprobe eine Karte. Somit können sie sich in dem Geschäft ihrer Liebe zu Büchern widmen. Wenn der Kunde noch unentschlossen über einen eventuellen Kauf ist, zieht er einfach seine Mitgliedskarte und das ausgesuchte Buch über einen im Tisch eingebauten Scanner. Das System registriert beides und der Kunde kann sich kostenlos eine Stunde in die Zeilen der Geschichte vertiefen. Wenn er sich dazu entschließt nach dieser Stunde das Buch zu kaufen, kann er dies natürlich machen. Will er aber sitzen bleiben und weiterlesen, bucht das System auf dessen Mitgliedskonto einen Verkauf von zwei Dollar. Je länger der Kunde also in dem Buch im Laden liest, umso teurer wird es für ihn. Dies passiert öfters, als Kim in die damalige Kalkulation einberechnete. Denn in dieser gemütlichen Situation und der vertieften Stimmung der Zeilen, schwindet die Zeit schneller, als dem einen oder anderen Kunden lieb ist. Somit verdient Kim manchmal mehr an den Lesestunden, als das Buch an sich wert ist. Das System rentiert sich, weil sie eine strategische Glanzleistung mit in ihre Idee eingebracht hat. Den Kunden wird in der Zeit der Lesung Kaffee, Tee und sogar Kuchen kostenfrei gereicht. Somit wird es für die Leute noch gemütlicher und die Zeit vergeht schneller als sie glauben.
Kim genießt jeden Tag aufs Neue den Anblick der zufriedenen Kunden, wie sie in den Sesseln sitzen und in den Büchern blättern, um dieses dann später zu kaufen. Sie nutzt die Leidenschaft der Kunden, die Magie der Bücher und finanziert sich somit ihr Leben. Trotzdem kann sie bis heute noch keine schwarzen Zahlen verzeichnen, weil sich dieses System noch nicht genug verbreitet hat und viele Leute diesem skeptisch gegenübertreten. Aber die Kunden, die wöchentlich erscheinen, wissen was sie an diesem kleinen gemütlichen Geschäft, mit diesem schon wohnlichen Ambiente haben. Sie verbringen gerne ihre Zeit in dem Laden. Es ist keineswegs auf Kommerz ausgelegt, sondern nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden abgestimmt.
In ihren eigenen Laden verliebt, wandert Kim durch die Regale und genießt den Duft der Bücher, der sie wie eine frische Parfümwolke umgibt. Langsam sinkt sie in einen der Sessel und lässt ihre Augen über ihren Traum wandern. Sie hat ihn wirklich wahrwerden lassen und weiß, dass sich dieser kleine Laden früher oder später rentieren wird. Er wird schwarze Zahlen schreiben und noch weit darüber hinaus. Sie muss nur Geduld haben. Die hat sie, aber leider nicht die Rechnungen, die tagtäglich im Laden oder zu Hause eintrudeln. Sie hat all ihre Ersparnisse in diesen Traum gesteckt und hat dafür ihr Privatleben vollkommen zurückgenommen. Vor einiger Zeit entschloss sie sich aber, dieses zu ändern und kam auf diese beschissene Idee, ihren Körper zu verkaufen. Um ihren Laden halten zu können und um zu leben. Ohne auf den Titel zu achten, schnappt sie sich eines der Bücher, die mit dem Cover nach vorne weg im Regal präsentiert werden. So wirken diese ansprechender für den Kunden.
Kim setzt sich in einen Sessel zurück und beginnt zu lesen.
Sie bemerkt nicht wie die Zeit verfliegt und schießt erschrocken im Sessel hoch, als sie das bekannte Piepen der Sicherheitsanlage hört, wenn diese unscharf geschaltet wird. Gleich darauf hört sie wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wird und dann geht die Personaltür auf.
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