Mit eigentümlicher Empfindung nahm ich das mir wohlbekannte Buch in die Hand, das nun schon mehr als siebzig Jahre hier bewahrt worden war. Wie oft wol mochte jener Ebadul, der Wilson seinen Sohn mitgab, damit er im fremden Lande etwas lernen solle, das Bildnis seines toten Sohnes betrachtet haben! Wie manche Träne hatte unbemerkt in stillen Augenblicken wohl die Mutter über ihren verlorenen Liebling vergossen! Zwar dem Volke zeigen durften sie ihren Schmerz nicht; galt es doch von jeher in Palau für eine Eigenschaft vor allem der Fürsten, weder Schmerz noch Zorn, weder Überraschung noch Ärger erkennen zu lassen oder ihm andern als würdigen Ausdruck zu geben. Wohl empfinden auch diese „wilden Kopfjäger“ - die wir so gern mit christlicher Nächstenliebe („Gnade vor eurer Liebe“ - Gesammelte Novellen in Versen von Paul Heyse (Urica, S. 146)) an unsere Kriegführung gewöhnen möchten - Regungen des Mitleids und der Teilnahme für andere; auch ihnen klopft ein Herz in der Brust, und der tiefsten, leidenschaftlichsten Erregung und Hingabe sind auch sie so gut fähig wie höher begabte und weiter fortgeschrittene Völker. Aber in die gewissenhafteste Erfüllung der alten Gebräuche setzen sie alle ihren höchsten Stolz; darum drängen sie ihre Gefühle gewaltsam zurück, denn es ist „schlechte Sitte“, der inneren Erregung auch leidenschaftliche Worte zu leihen. Als Ebadul, der Vater jenes Libu, von dem Tode seines Sohnes hörte, sagte er, nur mühsam seine Fassung sich erhaltend: „Es ist gut, es ist gut.“
Man sah dem Buche die rührende Pietät an, mit welcher dieses Völkchen an allem hängt, was seine Väter betrifft; kein Blatt war zerrissen oder beschmutzt, der Einband so sauber, als hätte er die ganze Zeit her in dem Schranke eines Bibliothekars gestanden, der seine Bibliothek als ein kostbares, durch keine Hand eines Lesers zu entweihendes Heiligtum betrachtet, Die Bilder zeigte mir Ebadul's Frau, sie erklärte mir alle mit innigstem Behagen; wie gönnte ich der guten Frau die kleine Freude. Dann ließ sie mich weiter blättern; ich vertiefte mich in die reizende Erzählung vom Ende des jungen Prinzen. Geliebt von allen, die ihn kannten, starb er im fremden Lande mit stoischer Ruhe; und seinem Andenken widmete die mächtige Ostindische Compagnie ein eigenes Monument auf dem Kirchhofe zu Rotherhithe. Fast gedankenlos las ich die auch im Buche mitgeteilte Inschrift: „To the Memory of Prince Lee Boo, a native of the Pelew, or Palos islands; and son to Abba Thule, Rupack or King of the Islands Coroora“ - halt, was ist das, habe ich recht gelesen? Rupack oder King der Insel Coröre (Coroora)? So bezeugen also die Engländer selbst, dass Ebadul nicht König von ganz Palau ist - jetzt aber tut er doch immer, als ob er solcher sei? Nachdenkend, wie wohl dieser Widerspruch zu lösen wäre, blättere ich weiter; da auf einmal fällt zwischen den letzten Blättern ein Manuskript heraus. Was mag das sein? Beim Himmel, das ist interessant! „Eine Konstitution von Palau“ und hier daneben „Ein Handelstraktat zwischen Ebadul, König der Palau-Inseln, dem Fürsten von Coröre und Andrew Cheyne!“
Wie freute ich mich nun des Regens, der mir Zeit gab, eine Kopie dieser interessanten Dokumente zu nehmen. Es waren nur Kopien; die Originale waren angeblich, wie ich später erfuhr, im englischen Konsulat in Manila deponiert. Hier mögen beide für Verständnis und Beurteilung der dortigen Verhältnisse so wichtigen Dokumente ihren Platz finden unter Beibehaltung der englischen falschen Schreibweise der einheimischen Namen.
Hier einige Auszüge aus dem umfangreichen englischen Text des Abkommens, dass der schottische Kapitän Andrew Ceynemit dem König Abba Thule von Corror beschlossen hatte:
1.
A Treaty of Commerce between Abba Thule King of the Pelew Islands and the Nobles of Corror on the part and Andrew Cheyne, owner and commander of the British Barge „BLACK RIVER PACKET“ and proprietor of the Island of Malaccan, Pelew Islands, on the other part.
Article 1. King Abba Thule and the undersigned Nobles of Corror hereby grant the said Andrew Cheyne, his heir, successors and assings the sole and exclusive right and privilege of purchasing all the biche de mer, tortoise shell and aoll other exporting, or that may be raised from the soil hereafter, such as coffee, sugar etc. for five hundred moons, reckoning from the date of this Treaty. At the expiration of this time this Treaty may by renewed or the trade declared open, as may be most advantageous to the Corror Government. ...
Art. 18. We Abba Thule King of the Pelew Islands and the undersigned Nobles of Corror, hereby declare that we have not received any goods, money or article whatever from the said A. Cheyne, or from any other person, as an equivalent for granting or to induce us to grant him these concessions, but that it is entirely our own free act and deed, done in the belief that by having a fair and regular system of trade established, it will confer a lasting benefit on ourselves and promote the ultimate peace and welfare of all classes of our subjects. ...
Regulations
5. Should the present Governor of the Ngirrarth District (Aibukit), and who is a Corror chief, fail in making his people carry out the provisions of the Treaty of Commerce made by us with Capt. Cheyne, or allow his people to abtain arms or ammunition he shall be succeeded by a more competent person.
Deutsch:
Handelsvertrag zwischen Abba Thule, dem König der Pelew-Inseln, und den Adligen von Corror und Andrew Cheyne, Eigentümer und Kommandant des britischen Bark „BLACK RIVER PACKET“ und Eigentümer der Insel Malaccan, Pelew-Inseln, auf der anderen Seite Teil.
Artikel 1. König Abba Thule und die unterzeichnenden Adligen von Corror gewähren dem besagten Andrew Cheyne, seinem Erben, seinen Nachfolgern und seinen Hinterbliebenen das ausschließliche und ausschließliche Recht und Privileg, alle anderen Biche de Mer, Schildkrötenpanzer und andere Exporte zu kaufen. Danach wird der Boden für fünfhundert Monde wie Kaffee, Zucker usw. angehoben, wobei vom Datum dieses Vertrags an gerechnet wird. Nach Ablauf dieser Zeit kann dieser Vertrag verlängert oder der Handel für offen erklärt werden, was für die Corror-Regierung am vorteilhaftesten ist. ...
Vorschriften:
5. Sollte der derzeitige Gouverneur des Bezirks Ngirrarth (Aibukit), der ein Corror-Chef ist, es nicht schaffen, dass sein Volk die Bestimmungen des von uns mit Capt. Cheyne getroffenen Handelsvertrages durchführt, oder seinen Leuten erlaubt, Waffen oder Munition zu erhalten Ihm wird eine kompetentere Person nachfolgen.
Art. 18. Wir, Abba Thule, König der Pelew-Inseln und die unterzeichnenden Adligen von Corror, erklären hiermit, dass wir keinerlei Waren, Geld oder Gegenstände von dem genannten A. Cheyne oder einer anderen Person als Gegenleistung für die Gewährung oder Einleitung erhalten haben. Wir gewähren ihm diese Zugeständnisse, aber es ist völlig unsere eigene freie Handlung und Tat, in der Überzeugung, dass ein faires und regelmäßiges Handelssystem einen dauerhaften Vorteil für uns bedeutet und den endgültigen Frieden und das Wohlergehen fördert von allen Klassen unserer Fächer.
Dr. Semper zog nach dem Studium dieser Texte den Schluss:
„Wenn wirklich die Bestimmungen jener Konstitution und des Traktats ausgeführt werden, so ist Cheyne de facto König von ganz Palau.“
Begegnung mit Kapitän Alfred Tetens
Читать дальше