Nun fuhren wir ein in den Hafen, der von einem großen, sich weit ins Meer hinausziehenden steinernen Wall ganz gegen die Wogen gesichert war. Am Landungsplatz stand neben den Häusern zum Aufbewahren der Amlais ein schönes, gut gehaltenes Bai, aus dem einige schlaftrunkene Männer und Mädchen herauslugten, die durch den ungewohnten Lärm aus ihrer Mittagsruhe aufgescheucht worden waren. „Hackeve, Freund“, rief mein Bruder einem derselben zu, „hier ist Doktor gekommen, um Ebadul zu besuchen; zeige ihm den Weg nach Aidil hinauf, während ich das Amlai in das Haus bringe. Wir wollen hier einige Tage bleiben.“ - „Wirklich? Nun dann komme, Doktor.“ - „Und wo treffe ich dich wieder, Arakalulk?“ - „Ich habe meinen Freund hier, bei dem ich bleiben werde; ich komme aber zu, dir ehe es Abend wird. Good bye.“ - „Good bye.“
Wir waren bald in Aidil, dem Hause des Ebadul. Der Weg dahin führte in einigen Windungen steil den Berg hinan; er war vortrefflich gehalten. Überall sah man die Spuren des ausgedehnten Handels von Coröre. Wo ich einen Blick in die am Wege stehenden Häuser tat, bemerkte ich eine Menge Kisten und große Kochschüsseln, allerlei europäische Gerätschaften, Messer und Gabeln in Massen und selbst Teller aus Porzellan. Zahlreiche Truthühner und Gänse liefen hier wie in Armlimui, im Dorfe herum. - Aidil selbst lag auf der Höhe, wie immer mit einem ziemlich großen Platz davor, der zum größten Teil durch die Gräber ihrer Vorfahren eingenommen war. Gegenüber dem Hause stand ein bedecktes langes Gerüst; seitwärts davon eine Hütte, die offenbar nur provisorisch hier aufgeschlagen war. Eine Anzahl Menschen saßen darin, und auch im Hause Ebadul's fand ich eine große Gesellschaft um die Frau des Königs versammelt. In ihrer nächsten Nähe die Weiber und Kinder; am entgegengesetzten Ende mehrere Männer, die offenbar gleich mir zu Besuch gekommen waren.
„Ich bin hierher gekommen“, begann ich, „um Ebadul zu besuchen und Coröre zu sehen; das ist ein so berühmter Ort, den musste ich doch kennen lernen, ehe ich wieder nach Angabard zurückkehre.“ - „Nun, da kommst du gerade zur rechten Zeit, Doktor“, erwiderte die Frau Ebadul's, „Aituro ist jetzt hier, um für seine kranke Frau ein Opfer zu bringen dem großen Kalid von hier. Da seitwärts in dem kleinen Hause, da wohnen die Gäste; und hier gerade vor uns wird übermorgen ein großer, ganz neuer Tanz aufgeführt. Ihr da, ihr Mädchen, bringt Doktor doch zu trinken, und er wird auch Hunger haben. Du musst hier im Hause bleiben“, fuhr die Frau gutmütig fort, „ich habe dich viel zu fragen, und du kannst hier besser schlafen als im Bai. Da in der Ecke magst du dein kleines Haus aufschlagen, in das du immer des Nachts hineinkriechst.“ - „Schon gut, Frau Ebadul's, ich werde hier bleiben. Dein Mann kommt wohl erst spät nach Hause? Da es noch hell ist, will ich jetzt einen Gang durchs Dorf machen. Da kommt gerade Arakalulk, mich abzuholen.“
Es war ein herrlicher Abend. Auf den breiten Wegen und freien Plätzen lagen schon die tiefen langen Schatten der einbrechenden Dämmerung, und die letzten Strahlen der scheidenden Sonne vergoldeten die Gipfel der Bananen- und Brotbäume, der Palmen und Papayas, die in üppigem Wachstum malerisch geordnet die Häuser umgaben. Überall heiteres Spiel der Kinder auf Straße und Plätzen; watschelnde Gänse und kollernde Truthähne, Hühner und Enten drängten sich in Scharen friedlich zwischen den Menschen herum. Auf der Anhöhe, halb in Bäumen versteckt, stand ein schönes Bai; in seinen Fenstern saßen zahlreiche Armungul, unter denen einzelne mich schon in Aibukit und Kreiangel gesehen haben wollten. Dann umgab dichtes Gebüsch die Straße, die immer höher anstieg; auf einer großen Wiese grasten Hunderte von Kühen und Stieren, und zwischen den Wald hindurch fiel mein Blick auf die spiegelnde Fläche des nahen Meeres. Ich wollte über die starke Umzäunung wegsteigen, da ich so lange kein Rindvieh in der Nähe gesehen hatte und dies gewiss die Abkömmlinge jener Tiere waren, welche die Ostindische Compagnie vor nun reichlich siebzig Jahren an Ebadul von Coröre schenkte. Aber der Freund meines Bruders warnte mich. „Die Tiere sind sehr böse; niemand von uns darf auf die Wiese. Wenn Cabel Schils Ochsen haben will, so müssen wir sie schießen. Früher liefen sie frei im Dorfe herum; aber da sie bald wild wurden, einige Leute verwundeten und unsere Gärten zerstörten, so haben wir sie hier auf die Wiese getrieben und den Zaun gemacht, dass sie nicht mehr heraus können. Es wäre besser gewesen, wenn Cabel Wils uns die Tiere nicht gebracht hätte; sie nützen uns doch nichts. Aber Ebadul will sie nicht alle töten; er sagt, das sei ein Andenken an den ersten Rupack von Angabard, der den Knochenorden bekommen hätte.“ - Die Sonne war längst in ihr Haus eingekehrt, und die Dämmerung wich rasch der einbrechenden Nacht. Hier und da begegneten uns schon Männer mit angezündeten Fackeln, mit deren grellem Lichte der blaue Schein des vollen Mondes merkwürdig im Dunkel der Nacht kontrastierte. Als ich in Aidil wieder ankam, fand ich Ebadul schon nicht mehr vor; er war nur kurze Zeit in seinem Hause gewesen und hatte sich bald nach eingenommener Mahlzeit mit Aituro in sein Bai begeben.
Früh am nächsten Tage ließ ich mich durch Arakalulk in das Bai der Rupacks führen, um hier Ebadul meinen Besuch abzustatten. Der gutmütig aussehende, wohlbeleibte und etwas ältliche Fürst saß bereits emsig bei seiner Arbeit. „Good morning, Ebadul, sagte ich, nachdem ich der Sitte gemäß schweigend ins Bai gestiegen war und mich ihm gegenüber nieder gehockt hatte, „schon so früh so fleißig?“ „Ja Doktor, das ist mein Gebrauch so, ich bin sehr geschickt im Drillen der Taue, und ich als König muss meinen Leuten ein Beispiel geben. Bringst du Neuigkeiten?“ - „Nein, Ebadul, ich komme, hier Neues zu hören und zu sehen; was sollte sich auch in Aibukit Wichtiges ereignen? Wir wollen bald abreisen nach Manila; und ich wollte Palau nicht verlassen, ohne dein Land gesehen zu haben.“ - „Mein Land? das hast du auch in Ngirrarth (Mit diesem Namen bezeichneten die Bewohner von Coröre den Staat Aibulit mit seinen Vasallenstaaten; das Wort „Aibukit“ hörten sie im Gespräch ebenso ungern wie einige andere (auka rack), für welche im Süden andere Bezeichnungen im Gebrauch sind) gesehen, ich bin König von ganz Palau.“ - „Nun ja, ich meinte auch nur diese Insel hier und ganz besonders den Kokeal. Einer von deinem Volk hat mir viel davon erzählt, und nun bin ich neugierig geworden, die Inseln des Kokeal selbst zu sehen.“ - „Das kannst du tun, Doktor, ein Amlai wirst du schon finden, und weit ist es nicht von hier. Doch nun komm mit nach Aidil, heute kannst du doch nicht mehr fort - siehst du die Wolken dort? Es wird bald regnen - und in meinem Hause will ich dir etwas Schönes zeigen, das book von Cabel Wils.“
Es war hohe Zeit, dass wir gingen. Die Kronen der Palmen rauschten schon mächtig im anziehenden Sturmwinde, und zwischen den düsteren Wolken blickten nur kleine Fetzen des blauen Himmels durch. Bald fielen auch große Tropfen schwer auf die Blätter der Bäume. Über die Straßen eilten Kinder und Weiber, um in ihre Wohnungen zu kommen, und als wir durch die niedrigen Türen von Aidil eintraten, hatte der Sturm seine volle Gewalt entfesselt. Dem furchtbaren, von der Windsbraut gepeitschten Guss folgte bald ein stetiger, kräftiger Regen und hielt, mir sehr zur Freude, die Gäste aus dem sonst immer vollen Hause meines königlichen Wirtes fern.
Ebadul gab bald seiner Frau den Befehl, das Buch aus der Kiste zu holen. „Siehst du, Doktor, das ist das book, das uns Cabel Wils schickte, als Libu dort in Angabard gestorben war. Das zeige ich nur guten Freunden und großen Rupacks; es ist ein kostbares Gut, und wir halten es höher, als die steinernen Beile und Meißel, mit denen unsere Eltern ihre Häuser zimmerten und die Amlais aushöhlten. Solche Beile haben sie auch in Ngirrarth, aber das book ist nur hier. Da, Doktor, nimm es um drin zu lesen, wenn du Lust hast; ich muss jetzt fort, und nachher kannst du mir erzählen, was alles darin steht.“
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