Karin ist damit beschäftigt, ihr Hochzeitskleid auszusuchen. Sie kann damit nicht früh genug anfangen und hat zwei Läden in London und Berlin als Favoriten auserkoren. Ich weise sie darauf hin, dass in München Shops mit verheißungsvollen Namen wie Bride & Pride oder Prinzessin Blütenweiß auf sie warten. Und ernte nur ein ungläubiges Kopfschütteln.
Pah, damit gewinnst du doch keine Blumenvase!
Karin hat die liebenswürdige Angewohnheit, immer wieder Redewendungen durcheinanderzubringen und sie gerne auch mitten im Schlaf neu zu kombinieren. Was auch immer sie träumt, es ist so real, dass sie in voller Lautstärke in den Schlafsprechermodus schaltet.
Mit dem heutigen Tag schaltet sie in noch einen anderen Modus: Sie beginnt ihre erste Todo-Liste.
Lea wieder am Telefon:
Jonas, ich habe mich schlau gemacht. Malaria ist kein Problem, wenn ihr das Dinner in einem geschlossenen Zelt abhaltet. Daran habt ihr ja sicher gedacht?!
Natürlich Lea. Und jeder Gast bekommt zusätzlich Insektenschutz als Vorspeise in die Suppe gerührt. Das ist ein balinesisches Ritual.
Mach dich nicht über mich lustig, Jonas. Malaria ist gefährlich!
Lea, wir haben bewusst eine malariafreie Zone ausgesucht. Du kannst wirklich froh sein, dass wir nicht am Strand heiraten – so nah am Wasser.
Ich wusste, dass du kein Romantiker bist.
Ach?
Als ich auflege, frage ich Karin sofort, ob sie mit Lea gesprochen hat.
Ja, wieso?
Wieso wollte eigentlich ich fragen.
Du machst sie mit deinen Witzen nur nervös. Sie brauchte mal eine seriöse Auskunft.
Ah, und dann wart ihr euch auch einig, dass ich kein Romantiker bin?
Schatz, das weiß ich doch. Aber macht nichts. Ich kümmere mich um den romantischen Teil, kümmere du dich um das Organisatorische und den ganzen Papierkram.
Ich akzeptiere widerwillig, auch wenn das einer Aufgabenverteilung von etwa 80/20 zu meinen Ungunsten entspricht.
Boris hat noch mal auf Lea eingeredet. Sie hat ihm das Versprechen abgenommen, dass er rund um die Uhr ein Notfallpaket bei sich tragen muss – sollte es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen in Form von Mückenstich oder Schlangenbiss oder gar zu einer gezielten Kakerlaken-Attacke kommen. Trotzdem startet er einen letzten Versuch, vermutlich von Lea inspiriert:
Wollt ihr nicht vielleicht doch am Chiemsee nachfeiern?
Boris, wenn wir 70 sind, laden wir euch zum Kaffeekränzchen an den Chiemsee ein. Jetzt geht’s nach Bali. Tut bitte nicht so, als laden wir euch ans Ende der Welt ein.
Naja, viel kommt nicht mehr hinter Bali.
Boris, ich brauche dich!
Sag das doch gleich. Ich brauche dann aber noch ein anständiges Briefing von dir.
Wofür?
Für die Zeremonie.
Immer schön lächeln. Kannst du dir bei Buddha abschauen.
Helen unterbreitet uns ein Angebot für das Menü. Wir sind lange hin- und hergerissen, ob wir auf Hühnerbrust und Melone Lust haben oder ob wir nicht doch etwas Ausgefalleneres suchen an unserem Hochzeitstag. Gleichzeitig wollen wir unsere Gastgeberin nicht vor den Kopf stoßen. Sicher ist sie sehr stolz auf ihre Küche. Aber Irrtum. Sie hat kein Problem damit, wenn wir einen externen Caterer beauftragen. Langsam aber sicher verabschieden wir uns damit von der goldenen „Alles aus einer Hand“-Regel.
Hello Mr Jonas, thank you for your request. I am glad to offer you the following packages:
Menu Package Western
Menu Package Indonesia
Menu Package Vegetarian
Menu Package crossover hippie style
Ich verbringe geschlagene zwei Stunden, um das Kleingedruckte in den Caterer-AGBs zu lesen:
Surcharge for amount of guests less than 25 pax
Surcharge for imported alcohol
Surcharge for difficult/reduced access to property
Surcharge for services on Balinese holidays
Zur Standardvokabel „Package“ lernt man auf Bali offensichtlich sehr schnell „Surcharge“ als zweite Vokabel dazu. Ich frage Karin, ob der 8.8. ein hoher balinesischer Feiertag ist. Sie zuckt nur mit den Schultern. Ein Phänomen, das ich an ihr in letzter Zeit häufiger wahrgenommen habe. Da recherchiert sie und druckt tonnenweise Infos über Bali aus und kann mir die einfachste Frage nicht beantworten. Dagegen ist sie fit in „100 recommendations for your dream wedding“, „how to become a wonderful bride“ und „10 most romantic stays for your honeymoons“. Schlagartig wird mir klar, dass wir uns über die Flitterwochen noch gar keine Gedanken gemacht haben. Ich zumindest nicht. Aber wer hat überhaupt gesagt, dass wir direkt im Anschluss flittern müssen? Warum heben wir uns das Zweitschönste nach der Hochzeit nicht für ein andermal auf?
Karin schaut zu mir herüber. Ich hoffe, dass ich nicht laut gedacht habe. Aber im nächsten Moment surft sie wieder durch die „22 most exciting wedding dresses“. Obwohl in meinen Augen alle infrage kommenden Kleidungsstücke weiß sind, klickt sich meine Zukünftige endlos durch die Farbfilter. Bei genauerem Hinschauen muss ich feststellen, dass das eine Weiß noch weißer ist als das andere. Offenbar lassen sich Millionen von feinsten Nuancen dabei unterscheiden: von schneeweiß über offwhite zu creme und blütenweiß. Diese Vielfalt freut den Markt, aber nicht den Gatten. Und von meinem Anzug ist noch gar nicht die Rede.
Wann willst du dir eigentlich mal über dein Outfit Gedanken machen? fragt Karin mich in diesem Moment und legt ihre Stirn in sorgenvolle Falten.
Erwischt. Ich versuche vom Thema abzulenken:
Kommst du voran?
Stör mich jetzt bitte nicht.
Darf ich dich am 8.8. kurz stören?
Das Kleid war doch eben noch da, jetzt habe ich aus Versehen das Fenster geschlossen. Muss ich wieder alles von vorn suchen.
Ich schließe ganz sanft die Tür.
In unserer Abneigung gegen eine bayerische Standesbeamtin oder einen Standesbeamten haben wir ganz vergessen, uns um einen buddhistischen Priester zu kümmern. Eine kurze Recherche sagt uns, dass es nur zwei größere buddhistische Tempel auf der Insel gibt – einen ganz im Norden und einen eher im Süden. Wir heiraten natürlich in der Landesmitte. Jeder Wedding Planner lässt uns wissen, dass die Priester nicht gern aus den Klöstern kommen, um in Hotels oder privaten Villen eine Zeremonie abzuhalten. Allerdings können wir ja kaum mit dem ganzen Tross quer durch die Insel fahren, um morgens getraut zu werden und nachmittags zur Feier wieder zurückzukehren. Bali ist zwar klein, aber dann wäre der Chiemsee doch die kompaktere Variante.
Zum Glück ist wieder mal auf unsere Villa-Managerin Verlass. Helen hat schier unzählige Fäden zu einem inselumspannenden Netzwerk aus Freunden und Bekannten miteinander verwoben. Sie bringt uns mit einem Priester zusammen, der offensichtlich kein Problem hat, wenn er mal aus dem Kloster rauskommt. Erst auf den zweiten Blick erkennen wir, dass Helen uns keinen Mobilfunkvertrag aufschwatzen will: Der Priester heißt wirklich Handy.
Wir nehmen sofort Kontakt auf:
Lieber ehrwürdiger Handy, wir möchten gerne buddhistisch getraut werden und die Zeremonie sehr individuell gestalten. Wir hoffen, Sie sind offen für unsere Wünsche. Wären Sie so freundlich uns zu sagen, was wir an Papieren benötigen und aus Deutschland mitbringen sollen bzw. vor Ort ausstellen lassen können?
Diese Frage haben wir schon mehrfach im Internet recherchiert und auch jeden zweiten Wedding Planner auf der Insel damit behelligt. Aber hier bekommen wir hoffentlich die Infos aus erster Hand. Wir haben beschlossen, uns immer abzusichern und auf jede Frage eine zweite Meinung einzuholen. Das erhöht zwar den Aufwand für die Vorbereitungen um mindestens 50 Prozent, aber im gleichen Maße auch die Wahrscheinlichkeit einer glücklichen und geglückten Hochzeit. Unsere Definition von „geglückt“: Wir werden offiziell getraut, alle Gäste amüsieren sich und niemand wird von freilaufenden Affen beklaut, von nachts zuschlagenden Reptilien verletzt, durch verdorbene Fischsuppen vergiftet oder wegen Ruhestörung verhaftet. Mehr wollen und erwarten wir auch gar nicht.
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