Das klingt etwas ungerecht.
Wir haben noch drei Kinder.
Genau, und die sind auch schon super selbstständig.
Petra träumt von genmodifizierten Riesen-Kakerlaken.
Dann lass deine Tochter nicht so lange abends fernsehen.
Sie geht zum ersten Mal in den Dschungel.
Wir heiraten in den Reisfeldern inmitten der Zivilisation. Da gibt es auch keine Tretminen. Also entspann dich!
Ok, sieben Tage nehmt ihr Mutter, sieben Tage wir. Dann fliegt sie zurück.
Allein?
Mit Karins Mutter natürlich.
Aber nur, wenn man ihr das Schild „Wertvolle Fracht“ umhängt und die Flugbegleiterin sie nicht eine Sekunde aus den Augen lässt.
Von mir aus… Was wollt ihr geschenkt haben?
Nichts, wir freuen uns, wenn ihr kommt.
Das sagen alle.
Wir meinen es so. Ihr fliegt immerhin um die halbe Welt.
Gut, sehe ich auch so. Ich soll dich nur von meiner Frau fragen – der Form halber.
Verstehe.
Nichts für ungut, wir sehen uns im Dschungel!
Die Reaktionszeiten werden länger. Boris, mein Trauzeuge in spe, der noch nichts von der ihm zugedachten Rolle weiß, sondern erst den „Fliegt er für meine Hochzeit wirklich nach Bali?“-Test überstehen muss, fragt:
Warum noch mal Bali?
Wir wissen, dass wir diese Frage mindestens noch 100mal beantworten müssen. Das Thema Buddhismus klammern wir bewusst aus. Wir wollen unser Umfeld nicht gleich komplett überfordern und haben uns der Einfachheit halber auf die Kurzformel geeinigt:
Wegen des Spirit!
Was nicht unbedingt beim Gesprächspartner für mehr Verständnis sorgt, sondern eher nach einem Mysterium klingt. Antwort:
Ah sooooo…
Das Gegenüber gibt nicht auf:
Und natürlich wegen der Sonnenuntergänge, oder?
Ja klar, auch wegen der Sonnenuntergänge. Und erst die Aufgänge.
Das scheint Boris zu überzeugen und wird hoffentlich auch bei seiner Frau als Argument ziehen. Boris erwähnt, dass Lea mit Yoga angefangen hat. Ich gratuliere zu so viel Weitsicht und glaube fest an ihre Zusage.
Es häufen sich die Anrufe, in denen unsere Freunde alle möglichen Gründe vorschieben, damit sie nicht in den Flieger steigen müssen:
Ich habe Bandscheibe!
Wir haben im August schon Urlaub gebucht!
Unser Babysitter hat gekündigt!
Ich bekomme bei so langen Flügen Platzangst!
Ich habe eine Triple-S-Allergie: gegen Soja, Sandkörner und eigentlich auch gegen Sonne!
Verstehen wir vollkommen! lautet unsere Standardantwort, dann streichen wir den Namen von der Liste.
Bei einigen haben wir das Gefühl, dass sie vorher ein mehrstündiges Brainstorming durchgeführt haben – ihre Kreativität kennt keine Grenzen:
Bali ist ein Terroristennest. Es gibt geheime Berichte von IS-Ausbildungslagern.
Aha, und von wem weißt du das?
Ist geheim!
Oder:
Auf Bali soll es im Juli und August eine extreme Mückenplage geben!
Meinst du die nach der vernichtenden Heuschreckenplage im Mai und Juni?
Genau. Nach den Heuschrecken kommen die Mücken.
Wie es schon im Alten Testament steht, richtig?
Jonas, ich bin echt baff, wie bibelfest du bist. Dabei heiratest du doch buddhistisch!
Helen hat uns zwar ihre Unterstützung zugesichert, aber wir wollen ihr nicht die ganze Last aufbürden. Auch unterschätzt sie wohl ein wenig, was auf sie zukommt. Gerüchteweise hat sie schon mal eine Hochzeit in ihrer Villa gefeiert – und es war auch nicht ihre eigene –, aber davon gibt es kein einziges Foto. Es ist definitiv ihre erste Hochzeit mit einem deutschen Paar. Und ich bin selbstkritisch genug einzugestehen, dass das nicht ganz unkompliziert werden kann.
Also halten wir im Netz Ausschau nach Wedding Plannern, von denen Bali so viele hat wie Hindu-Statuen und -Tempel zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Uns beschleicht das Gefühl, dass auf einem Hektar Land doppelt so viele Hochzeitsagenturen wachsen wie Kokospalmen. Und alle behaupten sie, dass sie die individuellsten sind. Dabei wirken sie alle so austauschbar wie eineiige Zwillinge. Oder wie Palmen in einer Monokultur. Natürlich gibt es auch viele Büros, die für spezielle Nationen in der jeweiligen Landessprache aktiv sind und die kulturelle Passung hervorheben (treffen wir also doch noch Veronika Mayrhuber auf der Insel?). Neuester Trend: Ehemalige Bräute, die sich in ihrer Ehe langweilen, machen ein Planner-Büro auf und verkaufen die Lieferantenlisten, die sie von den Wedding Plannern auf ihrer eigenen Hochzeit bekommen haben. Wir denken nur ganz kurz über diese originelle Geschäftsidee im Anschluss an unsere eigene Hochzeit nach und stoßen dann auf einen Fragebogen, der uns stutzig macht. Eigentlich soll er uns helfen, den richtigen Wedding Planner zu finden. Aber wir haben eher das Gefühl, dass wir vor der Mafia gewarnt werden:
Verlangt der Wedding Planner ein Minimum Budget?
Will er im Voraus ausbezahlt werden?
Was ist im Basistarif enthalten – und für welche Services fallen Zusatzgebühren an?
Hält er Sie regelmäßig über die Ausgaben auf dem Laufenden?
Hat er die Erlaubnis, auf Bali zu arbeiten?
Wer ist der Kontakt vor Ort, wenn was schiefgeht?
Hat er eine Haftpflicht – wenn ja, bei welchem Versicherungsunternehmen?
Zahlt er die Lieferanten selbst oder bezahlen Sie diese direkt?
Wie sieht sein Notfallplan aus bei unvorhergesehenen Zwischenfällen?
Wir fragen uns, was unser Notfallplan ist, und was das für unvorhergesehene Zwischenfälle sein könnten: ein Priester, der kurz vor dem Ja einen Schwächeanfall bekommt? Eine neue Verordnung, die Ausländern das Recht zu heiraten verweigert? Ein Trauzeuge, der die Eheringe im Reisfeld verliert? Der Angriff einer Riesenechse aus dem Hinterhalt? An einen weiteren Zwischenfall mit dem Titel “Die Braut, die sich nicht traut” will ich gar nicht denken. Ich schlage Karin vor, dass wir erst mal überhaupt einen Plan aufstellen sollten, bevor wir uns an den Notfall plan machen. Unterdessen suche ich weiter nach dem perfekten Support.
Die Agentur mit dem knackigen Namen Say YES! hat einen interessanten Hinweis hinsichtlich der Religionszugehörigkeit:
“Should you want to marry in Bali you must declare a religion. Atheism is not recognised.”
Hier ist Bali also glücklicherweise auf demselben Entwicklungsstand wie die deutschen Behörden.
The Knot Agency schafft es, allein auf der Introseite 25mal den Begriff „package“ aufzuführen. Wir wenden uns mit Grausen ab. Schließlich landen wir bei Isle of Wedding International. Diese Agentur wird offensichtlich von Einheimischen geführt. Karin und ich haben uns ohnehin vorgenommen, eher die lokale Gemeinschaft als ausländische Agenturen zu unterstützen. Wir lesen ihr Motto:
“Sure, you could plan on your own and run the risk of a DIY Disaster – or you hire us!”
Ich schaue Karin tief in die Augen und hoffe, dass sie kein Do-it-yourself-Desaster riskieren will (nachdem schon das weihnachtliche Plätzchenbacken regelmäßig in einem Leider-verbrannt-Desaster endet). Die Website macht einen professionellen Eindruck ohne viel Schnickschnack. In der Bildergalerie fehlt überraschenderweise das obligatorische Strandfoto. Das lässt schon mal hoffen. Karin gibt mir grünes Licht, sie anzuschreiben. Ich komme in meiner E-Mail sofort zum Punkt:
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben vor, auf Bali buddhistisch zu heiraten. Eine Location haben wir und auch eine ziemlich genaue Vorstellung, wie die Hochzeit ablaufen soll. Aber sonst noch nichts. Wir sind ein sympathisches, weltoffenes Paar, das an einer individuellen Zeremonie interessiert ist, nicht an den üblichen Wedding Packages. Wie können Sie uns unterstützen?
Читать дальше