»Stopp, Leute! Es handelt sich um Diplomaten. Wir dürfen hier zunächst keine Beweismittel mehr sichern, bis wir das Einverständnis des polnischen Konsulates oder Unterstützung der polnischen Behörden haben!«
Allgemeines Stöhnen bei den Einsatzkräften zeugte von dem Unmut, den diese Nachricht auslöste. Denn nicht nur die Spurensicherung würde bis auf Weiteres vor Ort bleiben müssen, auch für die Bergungseinheiten, die Feuerwehr und die uniformierten Kollegen bedeutete der Fund, dass der Einsatz jetzt ein offenes Ende hatte. Ja, selbst die Straßensperre und die Umleitung mussten weiter bestehen, bis der Unfallort vollständig geräumt war. Berner wandte sich an eine junge Kollegin, die interessiert in der Nähe stand.
»Haben Sie in Ihrem Fahrzeug einen Scanner?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber in dem Kastenwagen dort drüben ist einer.«
Sie folgte Berner zu dem Fahrzeug, während Polocek ihr Mobiltelefon zückte.
»Ja, Helen? Wir schicken dir gleich zwei polnische Diplomatenpässe per Mail. Die Inhaber sind unter den Todesopfern hier beim Unfall im Höllental. Kontaktiere doch bitte die Behörden und sag uns Bescheid, wie das weitere Vorgehen ist. Super, danke!« Sie gesellte sich zu Berner, der gerade mit Gummihandschuhen dabei war, die Pässe wieder in die Tüten zu packen.
»Jetzt heißt es warten«, meinte sie und setzte sich auf die Trittstufen des Kastenwagens. Sie beobachteten, wie alle an den Arbeiten Beteiligten etwas Entspannung suchten, sich im Schatten hinsetzten, eine rauchten, oder mit den Handys ihre Familien oder Lebensgefährt*innen anriefen.
Polocek griff in ihre Tasche, förderte eine Tüte Eukalyptusbonbons zutage und bot ihrer Kollegin und Nico Berner davon an. Beide griffen zu, und als sie sich selbst eines der Bonbons in den Mund schob, registrierte sie, dass im Radio des Polizeiwagens John Lennons Imagine lief – was in einem krassen Kontrast zu den schrecklichen Bildern stand, die sie immer noch im Kopf hatte. Nachdem sie alle schweigend auch noch What a wonderful World, My Day, Crocodile Rock und Somethin‘ Stupid gehört hatten, klingelte Poloceks Telefon.
»Das ist Helen«, informierte sie. »Das ging jetzt aber verdammt schnell.« Mit dem Mobiltelefon am Ohr stand sie auf und entfernte sich einige Meter von dem Einsatzfahrzeug. Als sie nach wenigen Minuten zurückkam, wartete Nico Berner bereits mit neugierigem Blick.
»Es wird immer bizarrer«, begann Polocek. »Die Polen haben nach ein paar Minuten zurückgemeldet, dass es keine Diplomatenpässe mit diesen Seriennummern gäbe und dass die Nummern auch nicht in den Algorithmus passten, mit denen die echten Ausweise erstellt würden.« Sie klappte das Handy zu und ließ es in ihre Tasche fallen.
»Sie behaupten, dass es sich nur um Fälschungen handeln kann und lassen uns deswegen freie Hand bei der Bearbeitung des Falles.«
Nico Berner zerbiss den letzten Rest seines Bonbons.
»Oder aber sie verleugnen ihre Mitarbeiter, deren Mission angesichts der sichergestellten Waffen mehr als zweifelhaft war. Beides höchst nebulös. Ich wette, dass weder Fingerabdrücke noch DNA-Vergleiche etwas bringen.« Er wandte sich an die wartenden Kollegen.
»Okay Leute, es geht wieder los! Wir machen da weiter, wo wir vorhin aufgehört haben!«
Von der Anstrengung des Tages gezeichnet, aber mit erkennbar hoffnungsvoller Stimmung, begaben sich die Helfer wieder auf ihre Positionen und nahmen die Arbeit wieder auf. Auch Berner und Polocek fanden sich bei dem zerstörten Land Rover ein, beobachteten die KTUler bei der Arbeit und nahmen Fundstücke in Augenschein. Einer der Beamten, der am Kofferraum zugange war, rief die beiden zu sich.
»Bevor wir das eintüten, wollen Sie sicher schon mal einen Blick darauf werfen!«
Bei näherem Hinsehen wurde den Ermittlern klar, dass ihr Kollege von einem der Aluminiumkoffer sprach, dessen Deckel durch den Unfall weggerissen worden war. Trotz der Wucht des Aufpralls lagen einige Gegenstände gut sichtbar auf dem Boden des Behältnisses. Neben zwei Paar Gummihandschuhen, einem Paar aus Wildleder und diverser Stofffetzen zog eine Tüte die Aufmerksamkeit der beiden Polizisten auf sich. Darin befand sich, deutlich zu erkennen, ein Hartgummipenis mitsamt darübergestülptem Kondom. Beides war blutverschmiert, desgleichen ein Paar Latexhandschuhe, die ebenfalls in der Tüte lagen.
»Was zum Teufel ist das?«, zischte Polocek und Berner schüttelte entsetzt den Kopf. »Was ist bloß passiert, bevor die beiden von dem Rumänen plattgemacht wurden?«
Still warteten die beiden, bis ein weiterer KTUler ein Schild mit der Nummer 63 neben den Koffer gestellt und mit seiner Digitalkamera aus verschiedenen Winkeln einige Aufnahmen gemacht hatte. Nachdem ein letztes Mal der Blitz aufgeleuchtet hatte und der Mann in Weiß das Ergebnis auf dem Kontrollmonitor mit einem Nicken und einem zufriedenen Grunzen abgesegnet hatte, holte er eine Beweismitteltüte hervor, drehte sie auf links und stülpte sie über seine rechte Hand. Geschickt nahm er den Penis aus dem Koffer, zog die Tüte zu und reichte sie Polocek. Diese nahm sie entgegen, warf jedoch nur einen oberflächlichen Blick darauf und reichte sie an Berner weiter, der mit den Schultern zuckte und sie dem Kollegen zurückgab. Sie wandten sich wieder der Kiste mit den anderen Beweismitteln zu. Eine Tüte mit einem unversehrt wirkenden Handy erregte Berners Interesse.
»Ist das das einzige Mobile , das Sie gefunden haben?«, fragte er den nächststehenden Kollegen.
»Nein, schauen Sie mal in die andere Kiste. Da ist noch eines. Noch nicht mal ausgepackt.«
Karen Polocek angelte den Karton aus der anderen Box.
»Okay, die beiden Handys haben Vorrang. Bei dem gebrauchten möchte ich wissen, wem dieser Anschluss gehört, welche Nummern in den letzten vier Wochen angerufen wurden, beziehungsweise welche Nummern angerufen haben. Vielleicht können Sie noch andere Daten extrahieren. Bei dem neuen ermitteln Sie bitte anhand der IMEI, wo und wann es verkauft wurde. Das und alles andere in unser Büro.«
Der Mann im Schutzanzug nickte geflissentlich. Berner deutete auf den Hartgummipenis.
»Davon wüssten wir bitte, wer der Hersteller ist und wo man die Dinger kaufen kann. Und eine komplette Blutanalyse, also Blutgruppe, DNA und Toxikologie. Wir brauchen soviele Infos, wie wir kriegen können.«
»Geht in Ordnung, wir schicken alles ans LKA-Labor nach Stuttgart.«
»Ist bereits eine Halterabfrage des Unfallfahrzeuges veranlasst worden?«, fragte Karen Polocek.
»Die Kollegen in Blau wollten das eigentlich erledigen.« Der Gefragte deutete auf den Einsatzwagen der Verkehrspolizei.
»Gut«, entgegnete Berner. Dann lass uns das einsammeln, was wir mitnehmen können, und zurück zum Präsidium fahren. Die werden ganz schön Augen machen…«
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