1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 Tully: Omega55 bestand aus zwei Teilen, Teil-A und Teil-B. Mit Teil-A hat die HSH Risiken an die BNP Paribas abgegeben und damit ihr Eigenkapital entlastet. In Teil-B wiederum hat die HSH Risiken von der BNP in die eigene Bilanz aufgenommen, ihr Eigenkapital also belastet. Worin liegt da die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit?
Marc S: Wenn die BNP Paribas Risiken abnimmt, zahlt die HSH dafür an sie eine Prämie (für Teil-A). Bei Teil-B ist es umgekehrt. Da zahlt Paribas eine Prämie an die HSH. Als Risikoversicherer ist die HSH aber Verlustrisiken ausgesetzt.
Bruns: Warum wurde Teil-A mit Teil-B verknüpft?
Marc S: Weil dieses Geschäft eine günstigere Risikoentlastung für die HSH war als andere Maßnahmen.
Tully: Haben die Vorstände während der Planungsphase über Omega gesprochen?
Marc S: Soviel ich weiß, gab es viele Telefonate zwischen meinem Vorgesetzten Marti Sanchez und Kapitalmarktvorstand Friedrich. Besonders besprochen wurde die Risikoentlastung, wie sie aufsichtsrechtlich zu bewerten sei. Das wurde in der Rechtsabteilung bearbeitet. Omega55 war ein prominentes, ambitioniertes Projekt in der HSH und es wurde immer wieder diskutiert, ob die Entlastung des Eigenkapital aus aufsichtsrechtlicher Sicht wirklich funktioniert. Wurde kontrovers diskutiert. Die Rechtsabteilung hat letztlich gesagt: Ja, es ist aufsichtsrechtlich eine Entlastung.
Tully: Wieso wurde die Abteilung Neue-Produkte-Neue-Märkte (NPNM) eingeschaltet?
Marc S: Das habe ich angestoßen, damit Omega55 abgebildet werden kann. Und es war auch immer von beiden Teilen die Rede, von Teil-A und Teil-B. Der Fokus von NPNM lag aber auf dem A-Teil, weil die Liquiditätsfazilität in Teil-B nichts Neues für die HSH war, kein neues Produkt.
Tully: Wann hat die Rechtsabteilung Omega55 beurteilt?
Marc S: Soweit ich mich erinnere - Mitte Dezember. Wir haben immer kommuniziert, dass es bei Omega55 Teil-A und Teil-B gibt. Für die Rechtsabteilung war das eine wesentliche Frage, ob das Rückholen von Risiken aufsichtsrechtlich okay ist. Das hat die zuständige Juristin Vera S. geprüft. Für mich war aber klar, dass Omega nicht nur die Bilanz entlastet, sondern auch belastet.
Tully: Ist das nicht ein inhärenter Widerspruch? Erst Entlastung von Risiken dann Belastung mit Risiken?
Marc S: Für mich ist das kein Widerspruch. Weil die Entlastung des Kapitals in der Immobiliensparte anfällt (über Teil-A) und die Belastung in der Sparte Kapitalmarkt (Teil-B) und jeder seine eigenen Budgets und Zielvorgaben hat.
Tully: Schaut keiner auf das Gesamtbild der Bank?
Marc S: Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) erhält von uns eine Gesamtquote. Die Steuerung der verschiedenen Abteilungen und Sparten wie Immobilien, Kapitalmarkt oder Financial Institutional Group korrespondiert zu den vereinbarten Zielvorgaben, Geld zu verdienen. Nicht jedes Geschäft wird geprüft, ob es aufsichtsrechtlich okay ist und ob es die Bank als Ganzes im Eigenkapital beeinflusst.
Tully: Hat die zuständige Mitarbeiterin der Rechtsabteilung auch Teil-B geprüft?
Marc S: Ja, die Rechtsabteilung hat gegensätzliche Wirkungen von Omega55 geprüft. Und dann sagte die zuständige Juristin Vera S.: Die Eigenkapital-Entlastung kann vorgenommen werden.
(An dieser Stelle fragte Richter Tully leider nicht nach, ob das „Ja“ aus der Rechtsabteilung auch bedeutet habe, dass Omega insgesamt aufsichtsrechtlich in Ordnung und günstig für die HSH war, oder nur Teil-A. Würde die Rechtsabteilung Omega55 als Ganzes so bewertet haben, hätte das den Vorstand entlastet. Die genannte Juristin Vera S. verneinte die Version von Marc S. später bei ihrer Zeugenbefragung, siehe 17. Tag.)
Tully: Hielten Sie das, was die Rechtsabteilung gesagt hat, für sinnvoll; war es plausibel für Sie?
Marc S: Ich habe die Einschätzung zur Kenntnis genommen. Die Frage habe ich mir aber auch mit meinem gesunden Menschenverstand gestellt.
Tully: Wurde mit der Rechtsabteilung auch erörtert, wie Omega55 zu bilanzieren ist?
Marc S: Das war ein wesentlicher Punkt der Analyse und es wurde entschieden, dass Teil-B wie eine Art Kredit behandelt werden soll. Die BNP Paribas meinte, Teil-B wäre wie ein Kredit zu verbuchen, und die HSH sah das genauso.
(Der Zeuge meint hier mit „Teil-B“ vermutlich die 400-Millionen-Liquiditätsfazilität für die STCDO. Wird ein Geschäft als Kredit erfasst, werden nur tatsächliche und wahrscheinliche Verluste in der Gewinn- und Verlustrechnung GuV sichtbar. Kreditderivate wie Verbriefungen werden anders behandelt. Bei ihnen müssen Wert- beziehungsweise Preisschwankungen in der GuV sofort erfasst werden. Diese hängen von Angebot und Nachfrage ab.)
Tully: Wurden die Vorstände vorab über Omega55 informiert?
Marc S: Kapitalmarktvorstand Friedrich wurde informiert, zu anderen kann ich nichts sagen.
Für Marc S. war damit der erste Tag vor Gericht gegen 14 Uhr zu Ende. Er wurde mit dem Hinweis, man sehe sich am nächsten Verhandlungstag wieder, entlassen.
Der Seitenwechsler
Marc S. ist ein Zeuge von herausragender Bedeutung. Er hatte bei der HSH 1998 seine Lehre als Bankkaufmann absolviert, wurde 2006 Gruppenleiter in der Niederlassung London. Gruppenleiter war damals die unterste Führungsebene in der HSH, genannt auch M3-Leiter. Darüber rangierten die Bereichsleiter M2, die Abteilungsleiter M1, zu guter Letzt der Vorstand.
S. hat inzwischen beruflich die Seiten gewechselt und die HSH 2011 per Aufhebungsvertrag verlassen. Er arbeitet inzwischen bei der Nachfolgerin des Bankenrettungsfonds Soffin, der FMSA. Das birgt eine gewisse Ironie, weil die HSH ohne die rettenden 30 Milliarden Euro Soforthilfe des Soffin Ende 2008 nicht überlebt hätte.
Handschriftliches im Gerichtssaal
Im Gerichtssaal ist es uns Journalisten - und auch dem Publikum - übrigens nicht erlaubt, Laptops zu benutzen. Nur die Strafkammer, Staatsanwaltschaft und Verteidigung dürfen technisch voll ausgerüstet sein. Wir Beobachter sind gezwungen, per Hand mitzuschreiben. Erstaunlicherweise fertigen aber auch die meisten Verteidiger und auch die Richter ihre Notizen handschriftlich an; nur Staatsanwalt Fink tippte unermüdlich auf seiner Laptop-Tastatur, was ihm wichtig erscheint.
Blog-Kommentare
1. August 2013 @ 17:38 von: bescheidwisser
Danke für die Zusammenfassung, das ist sehr interessant !
Schade, dass der Richter nicht danach gefragt hat, ob die Prämien bei diesem Geschäft aus der Sicht von Herrn S. im marktüblichen Rahmen gelegen haben.
1. August 2013 @ 20:44 von: Dani
Doch das hat er! Ich staune. Marc S. aber hat darauf ausweichend und für mich nicht eindeutig nachvollziehbar geantwortet. Das hänge von zu vielen Dingen ab wie Marktstimmung, Volumen, Rating der Bank etc. S. hat manchmal nur ein, zwei Sätze auf Fragen gesagt. Für meinen Geschmack zu wenig. Als Journalist in so einem Prozess nicht selbst Fragen stellen zu dürfen, ist eine besondere Art der Geduldsprobe.
Tag 04: Schlagabtausch und Erinnerungslücken
Dienstag, 6. August 2013
Tag der Verteidiger
Die Anwälte von Bernhard Visker und Peter Rieck - Gaby Münchhalffen und Norbert Gatzweiler - haben die Richter an diesem Tag weder ins Fragen noch den Zeugen Marc S. ins Reden kommen lassen. Mindestens zwei Drittel der Zeit seiner Befragung nutzten die Verteidiger zum Stellen von Anträgen oder Einlegen von Widersprüchen und Einfordern von Kammer-Entscheidungen. Richter Tully entschuldigte sich dafür bei dem geladenen Zeugen Marc S., „dass es manchmal länger dauert in einem Strafprozess, weil es Auseinandersetzungen über Dinge gibt, die dazu führen, dass man nicht sofort weiter machen kann“.
Zeuge mit Erinnerungslücken
Es war aber auch der Tag eines Zeugen, der sich oft nicht erinnern und manches wesentliche Detail in der Vorstandsvorlage zu Omega55 nicht erklären konnte. Dabei hat er die Vorlage koordiniert und vorab mit unterschrieben. Außerdem wusste der Zeuge, dass es an diesem Verhandlungstag um das entscheidende Dokument des Prozesses gehen würde, um den mehrseitigen, englischen Schriftsatz, auf dem Omega55 dem Vorstand vorgelegt worden war und den die sechs Vorstände nacheinander im Eilbeschluss und Umlaufverfahren unterschrieben haben. Er hatte ihn vom Richter beim letzten Termin in Kopie erhalten. Marc S. war also bekannt, um was es ging. Dennoch offenbarte er Wissenslücken. Aus Selbstschutz? Oder wusste er es wirklich nicht. An seiner Mimik ließ sich die Antwort nicht ablesen.
Читать дальше