Dabei ist Visker berufliche Vita unverfänglich. Gemäß Urteil und eigenen Recherchen begann Visker 1988 bei der Hamburgischen Landesbank eine Banklehre. Danach berufsbegleitendes Studium an der Universität of Wales. 2001 stieg er zum Stellvertreter Schiffsfinanzierungen auf und wurde 2003 Leiter Immobilien in der fusionierten HSH. Ab Januar 2007 rückte er in den Vorstand auf, zuständig für Firmen- und Immobilienkunden. Visker kündigte als Einziger der Angeklagten im August 2011 selbst. Heute ist er geschäftsführender Gesellschafter der Münchner ABG Unternehmensgruppe.
Nach Gaby Münchhalffen ergriff als Letzter Verteidiger Norbert Gatzweiler das Wort für seinen Mandanten Peter Rieck. Dem Vorwurf der Untreue trete Rieck mit Nachdruck entgegen, sagte er. „Die Anklageschrift verstelle den Blick auf die Tatsache, dass die Vorstände nicht eigennützig gehandelt haben, sondern als Angestellte der Länder“ mit dem Ziel, mit Wegfall der Gewährträgerhaftung die Liquidität der Bank sicherzustellen, sagte Gatzweiler. Riecks beruflicher Werdegang war dem Verteidiger ebenfalls wie bei Münchhalffen keine Erwähnung wert.
Rieck heuerte nach seinem BWL-Studium 1978 bei der Landesbank Schleswig-Holstein in Kiel an. 1995 Wechsel zur Investitionsbank Schleswig-Holstein. Nur drei Jahre später zog er an die Elbe und wurde stellvertretender Chef der Hamburgischen Landesbank. Nach der Fusion der Hamburgischen Landesbank mit der Landesbank Schleswig-Holstein blieb er Mitglied des Vorstands. 2007 wurde er stellvertretender Vorstandschef der HSH. Rieck wird gemeinsam mit Friedrich 2009 entlassen und betreibt seither in Hamburg eine Beraterfirma.
Stattliche Gehälter und Boni für die HSH-Crew
Es ist schon erstaunlich: Da werden sechs Männer als Vorstände berufen, die die Bankenaufsicht als vorstandsfähig einstuft und die für diesen Job fürstlich entlohnt wurden, aber keiner übernimmt Verantwortung für sein Handeln als Vorstand, wenn es darauf ankommt. Keiner übernimmt wenigstens im Nachhinein eine Teilschuld.
Im Krisenjahr 2007, ist im Geschäftsbericht 2008 zu lesen, erhielt der HSH-Vorstand mehr als 4,1 Millionen Euro feste Vergütung, dazu Tantiemen in Höhe von mehr als 3,6 Millionen Euro. Welche Vergütungen davon auf die Angeklagten entfiel, schlüsselte der Geschäftsbericht nicht auf.
Wer hat wann unterschrieben?
zwischendrin
Das entscheidende Dokument im Verfahren ist die in Englisch gehaltene Vorstandsvorlage, die die Angeklagten unterschrieben und damit Omega55 genehmigten: die „credit application“[11]. Zu ihr gehörten eine Einschätzung der Abteilung Neue-Produkte-Neue-Märkte und ein Votum der Riskofachleute. In welcher Reihenfolge die Angeklagten diesen Kreditantrag genehmigten, ist ein wichtiges Detail im Verfahren - vor allem für die Verteidigungsstrategien der Anwälte.
Zwischen dem 17. und 20. Dezember 2007 haben die Angeklagten wie folgt gezeichnet:
1. Peter Rieck, Vorstand Immobilien, am 17. Dezember
er hat die Sache zum „Eilbeschluss“ erhoben
2. Hartmut Strauß, Risikovorstand, unterschrieb auch am 17.
3. Hans Berger, Vorstandschef, erhielt die Vorlage am 19.
4. Bernhard Visker, Vorstand Firmenkunden, ebenfalls am 19.
5. Dirk Jens Nonnenmacher, Finanzvorstand, ebenso 19.
als Letzter unterschrieb
6. Joachim Friedrich, Kapitalmarktvorstand, am 20. Dezember

Die Unterschriften in der Vorstandsvorlage.
Die Anklageschrift weist Joachim Friedrich als zuständigen Ressortvorstand für Omega55 und Peter Rieck als Ressortvorstand des betroffenen Bereiches Immobilien aus. Rieck war Vorstand für die Immobiliensparte, aus der die meisten Kredite für Teil-A stammten. Friedrich dagegen verantwortete die Kapitalmarktsparte. Seine Mitarbeiter hatten in London in der Financial Institutional Group (FIG) das Geschäft ausgearbeitet, in Abstimmung mit der Rechtsabteilung, dem Credit-Risk-Management, der Abteilung Neue-Produkte-Neue-Märkte (NPNM), dem Rechnungswesen, dem Accounting. Das heißt: Die zuständigen Ressortvorstände haben als erstes und als letztes unterschrieben.
Anmerkungen:
[11] Die Vorstandsvorlage im Anhang dieses Buches oder auf der Website zum Buch unter: http://drnounddieunschuldigen.de
D I E W I C H T I G S T E N Z E U G E N
Tag 03: Erster Zeuge sagt aus
Mittwoch, 31. Juli 2013
Als ersten Zeugen hat das Gericht den Mann geladen, der in der Londoner HSH-Niederlassung die Vorstandsvorlage für das im Zentrum der Anklage stehende Geschäft Omega55 federführend koordiniert hat. Es ist der Bankkaufmann Marc S., 37 Jahre alt. Richter Tully betonte, dass gegen S. nicht ermittelt werde, und er die Wahrheit zu sagen habe.
Marc S. erschien in Bankermontur - dunkler Anzug, randlose Brille, blau-grün gestreifte Krawatte; ein Mann mit früh ergrauten Haaren und weichen Gesichtszügen. S. antwortete zögernd, wog seine Worte ab, sprach leise. Er hatte sich einen Rechtsbeistand mitgebracht, einen Anwalt. Mit seinen früheren Vorgesetzten vermied er Blickkontakt, obwohl er seitlich zu ihnen saß. Ein Verteidiger hatte das angeregt, dass die Zeugen den Angeklagten und Verteidigern nicht den Rücken zukehren, wenn sie der 8. Großen Strafkammer gegenüber sitzen, sondern dass sie seitlich Platz von ihnen nehmen.

Die Berufsrichter der Strafkammer: Volker Bruns, Marc Tully, Malte Wellhausen (v.l.)
Der Zeuge S. gab an, er habe 1998 bei der HSH eine Banklehre absolviert und sei im April 2006 zum Gruppenleiter der Niederlassung London befördert worden, der Financial Institutional Group FIG. Die erste Befragung von Marc S. führte der Vorsitzende Richter Marc Tully, unterstützt von Richter Volker Bruns. Ich gebe die Befragung im Folgenden nur in Auszügen, sinngemäß und zusammengefasst wieder:
Richter Marc Tully: An was erinnern Sie sich bei Omega55?
Marc S: Omega55 war artverwandt mit einem Geschäft, das wir vorher gemacht hatten. Außerdem habe ich es als Neugeschäft eingestuft. Ungewöhnlich war, dass ich in London damit beauftragt wurde - von meinem Vorgesetzten Luis Marti Sanchez -, weil für Geschäfte, die das Eigenkapital der Bank entlasten sollten, eigentlich eine andere Abteilung zuständig war. (Eine Abteilung der HSH in Kiel.) Mit solchen Transaktionen hatte ich selten zu tun. Meine Aufgabe bei Omega55 war die Vorlage für den Vorstand zu koordinieren und gemeinsam mit meinen drei Mitarbeitern den Analyse- und Bewertungsprozess zu steuern.
Omega55 war 2007 auch nicht das einzige Eigenkapitalentlastende Geschäft. Wir hatten mehrere abzuarbeiten, wie „Ruby“, eine Transaktion mit der Investmentbank Lehman Brothers und „St. Pancras“ mit der Hypo Real Estate. Eigenkapital-Entlastungen waren ein sehr prominentes Thema zu dieser Zeit, und sie wurden regelmäßig am Ende eines Jahres vorgenommen.
Tully: Gab es allgemein die Aufgabe, nach Kapitalentlastungen zu suchen?
Marc S: Der Niederlassungsleiter in London, Sanchez, sollte Ausschau halten, wie man das Eigenkapital von Risiken entlasten könnte. Ich sollte mit meinem Team dabei helfen.
Tully: An wen hatte Marti Sanchez direkt zu berichten?
Marc S: Ich glaube an Kapitalmarktvorstand Friedrich, ich vermute das.
Tully: Wann ist Omega55 ins Gespräch gebracht worden und wem oblag das Projektmanagement?
Marc S: Oktober 2007 war das. Es war aber keine Abteilung federführend. Es wurde bei uns verwaltet. Ich habe am Ende viel koordiniert, aber ohne offizielle Anweisung, das zu tun.
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