1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 2. Zwei gehen auf Konfrontation, die anderen versuchen Kooperation.
Bernhard Visker (Ex-Firmenvorstand) und Peter Rieck (Ex-Immobilienvorstand) haben die Verteidiger Münchhalffen und Gatzweiler engagiert. Die Anwälte betreiben in Köln eine gemeinsame Kanzlei und sind miteinander verheiratet. Sie sitzen im Prozess nebeneinander und sind diejenigen, die sichtbar auf Konfrontation zur Strafkammer gehen. Gaby Münchhalffen stellt fortlaufend Anträge, rügt das Gericht, unterbricht mit Anmerkungen die Befragungen und Reden des Vorsitzenden Richters. Norbert Gatzweiler steht ihr darin in nichts nach. Er schließt sich ihren Anträgen an und umgekehrt. Beide diskutieren ausgiebig mit dem Gericht selbst Kleinigkeiten in einem teils rauem Ton. Gatzweiler redet auch gern ohne Mikrofon dazwischen, von anderen fordert er aber ein, sie mögen doch bitte laut und deutlich sprechen.
Die Verteidiger von Nonnenmacher, Friedrich, Strauß und Berger dagegen bemühen sich meist um einen ausgesprochen höflichen Ton gegenüber der Großen Strafkammer. Sie haben bis jetzt kaum Anträge gestellt. Wenn sie etwas sagen wollen, zeigen sie kurz auf oder bitten um das Wort. Sie schlagen vor statt zu fordern wie Münchhalffen und Gatzweiler.
3. Die Verteidiger sind sich nicht grün.
Als die Anwälte Münchhalffen und Gatzweiler an diesem 4. Prozesstag massiv den englischen Schriftsatz von Omega55 monierten - wegen der Übersetzung, bewertender Fragen, unleserlicher Skizzen etc. - meldete sich der Anwalt Nonnenmachers, Heinz Wagner, und meinte sinngemäß: Er könne die Aufregung jetzt nicht verstehen, und er bitte das Gericht, mit der Befragung fortzufahren.
Blog-Kommentar
9. August 2013 @ 20:27 von: bescheidwisser
Nun - im Vorstand versammeln sich generell nicht die „fünf Freunde“, sondern es ist eher mE ein Haifischbecken. Warum soll sich das ausgerechnet vor Gericht ändern ?
Tag 05: Quälende Beweisaufnahme
Freitag, 9. August 2013
Die gängigen Medien haben sich aus der Beweisaufnahme des HSH-Prozesses ausgeklinkt. Das Gericht beschäftigte sich seit dem dritten Tag in der Befragung von Marc S. mit komplizierten Detailfragen. Es ging um RWA-Entlastungen, Single Tranche Collateralized Debt Obligations, CDOs, Call Options, Liquiditätsfazilitäten, Backstopps, CLN’s, Tranche sizes ... Vieles, was der Zeuge erklärte, ergab für mich erst durch die nächsten Zeugen einen Sinn.
Bankerdenglisch ohne Ende
Das Vokabular der Banker ist dazu quälend und der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln. Die großen (Wirtschafts-)Blätter schickten kaum mehr Reporter in den Gerichtssaal, die Nachrichtenagenturen dpa und Reuters entsandten nur für die ersten Stunden Redakteure. Spätestens ab Mittag beobachtete nur noch ich als Journalistin das Geschehen im Landgericht. Mich interessierte, wie sich die Richter voran arbeiteten, was die Zeugen sich trauen würden zu sagen, wie sich Verteidiger und Angeklagte verhielten. Wie überhaupt ein Strafprozess abläuft. Ich wollte das Puzzle selbst zusammensetzen, auch wenn die Stunden auf den harten Stühlen im Zuschauersaal lang wurden und ich zu vieles auf Anhieb nicht verstand. Ich blieb. Auf was die Redaktionen warteten? Auf Dirk Jens Nonnenmacher alias Dr. No. Dass er sich erhebt und zum Untreue-Vorwurf äußert. Zwar polarisiert der Mathematiker mit seinem Auftreten und seiner Vergangenheit als späterer Vorstandschef der HSH. Er steht aber keineswegs im Zentrum dieses Verfahrens. Da stehen andere, wie Ex-Immobilienvorstand Peter Rieck, Kapitalmarktprofi Joachim Friedrich und vielleicht noch Hans Berger als Vorstandsvorsitzender des Jahres 2007. Die Namen und Gesichter dieser Männer aber sind der Öffentlichkeit nicht so präsent.
Satz für Satz durch die Vorstandsvorlage
Bei der Beweisaufnahme mit Marc S. ging die 8. Große Strafkammer auch an diesem Verhandlungstag das entscheidende Dokument, die Vorstandsvorlage zu Omega55, Satz für Satz weiter durch. Die Richter ackerten sich durch die Absätze, Grafiken und Rating-Tabellen. Und der Zeuge zog mit. Er wirkte an diesem Tag kompetent und kooperativ, aber auch stets bemüht, nichts zu sagen, was ihn belasten könnte. Vorsichtig und überlegt antwortete er, kein einziges Mal impulsiv.
Weil die Vorstandsvorlage zu Omega55 in englischer Sprache gehalten ist, deshalb auch „credit application“ heißt, hatte die Verteidiger von Peter Rieck, Norbert Gatzweiler, gleich am ersten Befragungstag von Marc S. verlangt, dass die „credit application“ für den Zeugen als deutsche Übersetzung vorliegen müsse. Der Prozess finde schließlich in Deutschland statt und Gerichtssprache sei deutsch.
Lesen mit verteilten Rollen
Der Vorsitzender Richter lehnte dieses Ansinnen aber insofern mit dem Hinweis ab, wenn alle Prozessbeteiligten Englisch sprächen, sei es in Ordnung, wenn das Original zu Rate gezogen werde und dazu eine Übersetzung. Und so verlief die Befragung von Marc S. direkt zur Vorstandsvorlage so: Richter Bruns las die ersten Sätze der Vorstandsvorlage in Englisch vor. Danach zitierte der dritte Richter Malte Wellhausen die deutsche Übersetzung, ergänzt um Verbesserungen von Nonnenmachers Anwalt Wagner. Denn dieser wiederum hatte angemahnt, die Übersetzung sei in vielen Punkten fachlich falsch. Anschließend bat Richter Bruns den Zeugen, zu erklären, was die Sätze inhaltlich bedeuten, was unter dieser Grafik und jener Tabelle zu verstehen sei. Diese Prozedur wurde an diesem 5. Tag leicht modifiziert. Richter Bruns las nur noch die englische Fassung vor und fragte gleich.
Das Gericht sprach unter anderem an, welche Abteilung berechne, wie hoch bei Geschäften wie Omega55 die Kapitalentlastung ausfalle; wie wahrscheinlich er eine Kündigung von Teil-A im April 2008 gehalten habe, welche Bedeutung eine „Tranchen-Size“ in einer Verbriefung wie der STCDO in Teil-B habe und wann die Vertragsunterlagen zu Omega55 vollständig vorlagen. Und: Richter Bruns fragte Marc S., ob der Begriff „corporates“ - englisch für Unternehmen - in der HSH auch „financials“ - also Banken - mit einschloss. (Dieser Aspekt sollte im weiteren Prozessverlauf immer wichtiger werden.) Marc S. antwortete darauf sinngemäß: Der Begriff „corporates“ beinhalte bei CDOs auch „financials“, also Banken. Er verstand und verstehe unter „corporates“ folglich Handel, Industrie und Banken.
Das hieße: Wenn in einem Finanzprodukt der HSH wie bei der STCDO in Teil-B von Omega55 von „corporates“ die Rede war, war für den Zeugen Marc S. damit auch von „financials“ die Rede, also von Anleihen und Kredite von Banken, nicht nur von Unternehmen.
(Die Angeklagten wollen das gänzlich anders verstanden haben, denn die hohen Verluste bei Omega55 verursachten vor allem die Banktitel im Geschäft. Dazu aber später mehr.)
Verteidiger fahren Richter Tully über den Mund
Je länger dieser Verhandlungstag dauerte, umso öfter beanstandeten die Strafverteidiger die Richterfragen und gingen dazu über, sich lauthals einzumischen, manche gestellte Frage selbst zu beantworten und sogar den Richtern reinzureden. Der Anwalt von Risikovorstand Strauß, Reinhard Daum, zum Beispiel, hielt es nach der Mittagspause nicht mehr aus und fing an, mit Richter Bruns zu diskutieren.
Bruns wollte die Aussagekraft einer Tabelle in der Vorstandsvorlage und die dort aufgeführten Ratings verstehen. Ratings sind wie Schulnoten für Bankgeschäfte. Ein dreifaches A signalisiert ein extrem sicheres Geschäft, ein dreifaches C ein Schrottpapier. Bruns fragte beim Zeugen mehrfach nach, ob es zum Beispiel zutreffe, dass trotz gutem Ratings ein Kredit ausfallen könne. Daum erzürnte das offenbar. Er warf ein, das tue nichts zur Sache. Und: Er wisse nicht, was der Zeuge hier soll; seine Rolle sei ihm nicht klar. Soll er kommentieren oder Historie darstellen, sei er Sachverständiger oder Informant? In das Hin-und-Her mischte sich Anwalt Wagner, Strafverteidiger Kury und Staatsanwalt Wegerich mit ein, bis der Vorsitzende Richter ordnend eingriff.
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