Charlotta Pinot
Vergessenes
Blut
ώ
Roman
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Epilog
Danksagung
Impressum
Vergessenes Blut – Band 1
Copyright: © 2015 by Charlotta Pinot
E-Mail: Charlotta.Pinot@gmail.com
Website: www.facebook.com/CharlottaPinot
Twitter: @CharlottaPinot
Verlag: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
Covermotive: www.de.fotolia.com / ©aiisha ©Aarrttuurr
Coverdesign: © 2015 by Charlotta Pinot
ISBN: 978-3-7375-6640-7
Dieses eBook einschließlich aller Teile ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.
Sie verbirgt sich in der Dunkelheit;
lauert in Kleiderschränken und Kellerräumen.
Sie umschweift die Geistreichen,
macht aus Angsthasen Helden und aus Schurken
Prinzen auf weißen Rössern.
In bitteren Stunden spendet sie Trost;
schürt die Hoffnung derer,
die sie lange verloren glaubten.
Sie gibt Zuversicht, Liebe, weil sie alles sein kann,
einfach alles ist:
Der Wunsch nach dem Unbekannten,
das Zeugnis des Unvorstellbaren,
die heimliche Sehnsucht nach dem Verbotenen.
Sie ist dein Herz, deine Individualität und deine grenzenlose Inspiration.
~ Sie ist deine Fantasie ~
Prolog
Der raue Asphalt brannte unter ihren Fußsohlen. Kein Wunder, sie rannte schon seit Stunden, als wäre der Teufel hinter ihr her.
Um kurz zu verschnaufen, stoppte sie an der nächsten Kreuzung und hielt sich an einem Straßenschild fest. Mit dürren Fingern umklammerte sie den Pfeiler und lehnte sich erschöpft dagegen.
„St. Andrews“ – verflixt, wo war sie nur? Diese Straße wirkte wie leer gefegt, geradezu geisterhaft. Kein Mensch war zu sehen und das gesamte Viertel verströmte eine schaurige Abgeschiedenheit.
Gitter an den Häuserfenstern und meterhoher Stacheldraht auf den verwahrlosten Zaunkronen verliehen dieser Gegend einen vertrauten Anblick, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Hinter einem Zaun raschelte etwas im Gebüsch.
Ihr Puls begann sofort, zu rasen.
Oh nein, hatten die sie etwa gefunden?
Da, schon wieder.
Sie spitzte die Ohren und schlug sich panisch beide Hände vor den Mund, um nicht versehentlich laut loszuschreien. Ihr Herz hämmerte wie verrückt und dann stürzte sie los. Nur weg von der beleuchteten Straße, hastete sie in die Finsternis.
Sie lief, so schnell sie konnte, doch wäre das niemals schnell genug, sollten die ihr wirklich auf den Fersen sein.
Der Wind frischte etwas auf und trieb Tränen in ihre Augen. Viel zu heiß und trocken war die salzige Brise, die von der Meerseite herüberwehte. Nun flatterte ihr schmutziges Hemd wie ein Fähnchen über ihre spitzen Knochen, welche ihren kindlichen Körper in den einer alten Frau verwandelten.
Außer diesem einst weißen Fetzen Stoff, der ihr seit Jahren als Kleidung diente und einem 20 Dollar Schein in der mageren Faust, trug sie nichts weiter bei sich.
Abgehetzt bog sie in eine dunkle Gasse und suchte Schutz hinter einem der stinkenden Müllcontainer, die überall herumstanden. Hätte sie doch bloß das Messer nicht verloren, dachte sie.
Mit angezogenen Beinen und beiden Armen fest um die Knie geschlungen, schloss sie die Augen und zählte in Gedanken von Hundert rückwärts. Ihr stoßweiser Atem würde sie verraten, sollte einer der Verfolger in ihre Nähe gelangen. Sie musste sich beruhigen und absolut still sein.
Mucksmäuschenstill.
Ansonsten war alles umsonst. All die Qualen ihrer Flucht und derer, die sie zurücklassen musste, wären vergebens gewesen.
Die halbe Nacht war sie orientierungslos durch den Wald geirrt, bis sie endlich eine Straße erreicht hatte. Fast hätte der Lkw sie überfahren, als sie sich mit wild rudernden Armen vor das Fahrzeug geworfen hatte, um auf sich aufmerksam zu machen. Zum Glück durfte sie bis nach Los Angeles mitfahren und der Trucker hatte nicht die Polizei gerufen oder das Jugendamt alarmiert. Oder weiß Gott Schlimmeres.
Sie riskierte einen kurzen Blick in die Gasse und stellte erleichtert fest, allein zu sein.
Vorsichtig begutachtete sie ihr Versteck genauer, denn es machte den Eindruck, als wäre dieser Schlupfwinkel bereits bewohnt. Auf dem schmierigen Boden lag eine alte Matratze mit einer vergilbten Decke darauf, welche vermutlich einmal himmelblau gewesen sein musste. Es war nicht gerade einladend, aber weitaus besser als die Hölle, aus der sie geflohen war.
Dann erweckte eine unförmige Silhouette ihre Aufmerksamkeit, an der sich das wenige Licht brach. Ein absichernder Blick in jede Richtung … und los …
Schnell krabbelte sie zu der Bäckertüte, die wahrscheinlich aus der überfüllten Mülltonne gepurzelt war, und freute sich über den schimmligen Inhalt. Ihr Magen protestierte, aber sie wusste, dass sie nicht mehr lange durchhalten würde, ohne etwas zu essen.
Es schien, als hätten die Jäger einen anderen Weg eingeschlagen und für diesen kurzen Moment fühlte sie sich sicher. Müde streckte sie sich auf dem Boden aus und starrte hinauf in die sternenklare Nacht. Wie sehr hatte sie die frische Luft und den Himmel vermisst. Er glitzerte wie ein schwarzer See aus Millionen kleinen Edelsteinen und verlieh ihrer ausweglosen Situation etwas Beruhigendes.
Sie wünschte sich, dass alles gut werden würde. Dass dieser Augenblick ihr neues Leben einläutete und sie nie wieder an diesen schrecklichen Ort zurückkehren musste.
Jedoch befürchtete sie, dass es so nicht kommen würde. Sie musste weiterkämpfen, immer weiter und weiter.
Aber wo sollte sie die Kraft dazu hernehmen? Sie konnte sich doch jetzt schon kaum noch auf den Beinen halten. Diesen Kampf konnte sie nicht alleine aufnehmen. Niemals. Nur wie sollte sie das schaffen und wer könnte ihr helfen? Die Polizei?
Selbst mit ihren 14 Jahren war sie nicht so dumm zu glauben, dass sie ihrer Geschichte Beachtung schenken würden. Am Ende landete sie noch in einem dieser Heime, von denen man ihr erzählt hatte.
Und wie war es eigentlich möglich, dass die nie gefasst wurden? Dass niemand von ihrer Existenz wusste? Sicher, sie hatten da so ihre Tricks. Doch ohne einen Verbündeten bei den Behörden war das alles nicht möglich, dachte sie.
Sie waren überall. In Kindergärten und Schulen, in der Bank. Arbeiteten in Fabriken und Büros, waren in der Politik und Wirtschaft beschäftigt. Bosse von großen Firmen, Menschen der Öffentlichkeit.
Aber keiner erkannte sie wirklich. Niemand wusste, wer sie waren und was sie taten. Nur sie wusste es. Sie und die vielen anderen, die man unter der Erde gefangen hielt.
Sie brauchte jemanden, dem sie vertrauen konnte und der ihr glauben würde – es schien aussichtslos. Jedoch waren ihre Fluchtpläne das auch immer gewesen und hier war sie nun dank der Hilfe eines Fremden.
Verängstigt und hungrig, aber frei.
Sie drehte sich, die Arme dicht um ihren Körper geschlossen, auf die Seite und bettete ihren Kopf auf der zerknüllten Papiertüte, in welcher das ranzige Brötchen gelegen hatte. Kurz bevor sich ihre schweren Augen schließen wollten, erblickten sie etwas, das unter der Matratze hervorlugte.
Neugierig tastete sie danach und hielt plötzlich eine ockerfarbene Wildledermappe in den Händen. Sie begutachtete sie von allen Seiten und wischte sich die dreckigen Finger vorsichtshalber an ihrem Hemd ab, bevor sie die Zettel herausfischte. Sie waren sauber und ordentlich sortiert und passten nicht an diesen schmutzigen Ort.
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