„Danke Upper! Das war ein großes Geschenk für mich.“
„Der dritte Aspekt deines Archetyps ist der der hilfsbereiten Gönnerin. Du warst zuverlässig und wusstest, anderen und dir immer zu helfen. Du hattest immer eine Idee, das zu besorgen, was gerade benötigt wird. Wie ein Jäger oder Sammler wusstest du genau, was zu tun war, um versorgt zu sein.“
„Das stimmt, Upper. Ich wusste mir immer zu helfen, um aus dem Mangel herauszukommen. Außerdem, erinnere ich mich, hatte ich auch immer – selbst bei dem Quatsch, den ihr verzapft habt – das Vertrauen, dass ihr mich versorgen würdet, wenn es ganz hart kommt.“
„Das höre ich gerne, Linda. Habe ich also doch nicht alles verbockt.“
„Das habe ich auch gar nicht behauptet Upper. Vielmehr waren das die, da drüben.“ Linda zeigte abfällig auf ihre vier Welt-Gefährten die schon heimgekehrt waren.
„Linda, nicht nur dich wusstest du zu versorgen“, fügte Upper hinzu, „sondern auch andere Menschen. Das hat dir meistens sogar noch mehr Freude bereitet. Wenn du teilen konntest, warst du glücklich. Leider wurde dir auch das verübelt.“
„Nochmals danke dafür, Upper. Ich fühle mich reich beschenkt von dir.“
„Das habe ich gerne gemacht, Linda. Du weißt, du bist mir sehr nahe.“
„Und du sagst, all diese tollen Dinge wurden mir als schlecht vorgeworfen, weil ich in den ersten zwanzig Jahren meines Seins auf der Erde meinen Schatten nicht dabei hatte? Upper, habe ich dich da richtig verstanden?“
„Ja, genau. Du hattest so viel Gutes und Schönes in dir, das konnten deine Mitmenschen, die dir nahe waren nicht aushalten. Deshalb versuchten sie, wie gesagt, den schlechten Gegenpol in dir zu finden, was ihnen ja, aus bekannten Gründen nicht gelingen konnte. Zum Glück hatten dich einige, wenige meiner Notfall-Seins gefunden und dir immer mal wieder geholfen. Ich befürchte, du hättest sonst deine Reise vorzeitig abgebrochen.“
„Was sind denn nun schon wieder Notfall-Seins?“ Max schaute fragend zu Upper.
„Nun ja, das sind Seins-Anteile vom Ort der Zeit ohne Zeit, die ich zur Erde geschickt habe, falls einer meine Forscher Hilfe benötigt. Die Menschen nennen sie manchmal Engel oder Erdenengel oder himmlische Helfer.“
„Jetzt wird mir so manches klar! Ich erinnere mich: Hin und wieder gab es jemanden, der mir, aus mir unerklärlichen Gründen, etwas gegeben hat oder für mich getan hat. Ab und zu war es auch nur ein Blick, der mich von einem Fremden traf, wenn ich mich erschöpft fühlte und danach fühlte ich mich wieder besser. Jetzt wundert mich das nicht mehr. Herzlichen Dank dafür!“
„Linda, habe ich deine Frage damit ausreichend beantworten können?“
„Ja, fast.“
„Was gibt´s denn nun noch?“
„Du sprachst davon, Kanep hatte meinen Schatten in seinem Reisegepäck. Ich möchte gerne wissen, welchen Schatten mir Tomasin gegeben hatte. Und, wenn wir schon mal dabei sind: Welchen Archetyp und welchen Schatten hatte Kanep selbst?“
„Da fragst du am besten Tomasin. Er weiß es ja am besten. Und was Kanep
anbelangt, da muss ich erst noch nachdenken, ob ich dir das erzählen möchte.“
„Upper?! Darf ich dich daran erinnern, dass du an meinem verkorksten Leben nicht ganz unschuldig warst?“ Linda stand mit verschränkten Armen vor Upper, wippte ungeduldig mit ihrem rechten Fuß, zog ihre linke Augenbraue hoch und schaute dabei Upper sehr bestimmend in die Augen.
„Okay, ist schon gut, ich mach´s, ich erzähl es dir, Linda. Aber guck mich nicht mehr so an! Wenn du mich so streng ansiehst, könnte ich fast Angst vor dir bekommen. Mit dem Blick könntest du glatt Hexen und Teufel verjagen.“
„Ja, das kann ich auch!“ Während sie das sagte, lugte sie zu Heinrich und Martha hinüber. Wieder zuckten die beiden zusammen als sich Lindas und ihre Blicke trafen. Nur Hannah nickte Linda bestätigend zu.
„Tomasin, verrate Linda bitte, welchen Schatten du ihr mitgegeben hast“, forderte Upper Tomasin auf.
„Aber Upper, das geht doch nicht! Ich kann doch nicht einfach so aus dem Nähkästchen plaudern. Da könnte ja jeder daher spaziert kommen und Einsicht in seine Akte verlangen. Schließlich sind das Geheimsachen.“
„Tomasin, ich gebe dir vollkommen Recht. Nur in diesem Fall müssen wir, ich betone: müssen wir eine Ausnahme machen. Wir haben es hier mit einem Sonderfall zu tun. Noch nie zuvor ist jemand mit der Erinnerung an Zuhause auf der Erde gewesen.“
„Upper, da irrst du dich! Hast du nicht Inos …“ Weiter kam Tomasin nicht.
„Tomasin, schweig! Kein Wort! Ich will nicht mehr darüber sprechen!!! Du wirst Linda jetzt alles erzählen, was sie wissen möchte. Nicht mehr und nicht weniger – verstehst du? Schließlich hat sie viel mitgemacht. Und sie hat nicht mal mit ihrer Herkunft geprahlt. Das nenne ich tapfer! Deshalb darf sie alles wissen, was sie möchte. Auch über diejenigen, die maßgeblich auf der Erde bei ihr waren, darf sie Fragen stellen.“ Ein Raunen erhob sich. Es kam von den Anwesenden Zurückgekehrten, die Linda empfangen mussten. Sie schienen von Uppers Anweisung nicht gerade begeistert zu sein.
„Gut, wenn du das so willst, Upper?“
„Ja! Ich will das so, Tomasin! Nun mach endlich! Gib Linda die gewünschte Auskunft! “
„Aber nicht mehr!“ Tomasin stampfte trotzig mit seinem Fuß auf. Ganz so,
als wolle er damit seinem Unmut über Uppers Anweisung Luft machen.
„Ich sagte dir doch Tomasin, nicht mehr und nicht weniger.“ Upper zwinkerte Tomasin mit leicht verschwörerischem Gesichtsausdruck zu.
„Tja, Linda“, begann Tomasin „dein Schatten besteht, genau wie dein Archetyp, aus drei Aspekten. Jeder Aspekt beinhaltet einen negativen Gegenpol zum Archetyp. Da ist zunächst als erster Schatten der Knauser.“
„Was?! Ich soll geizig gewesen sein?! Ich glaube jeder hier wird dir bestätigen können, dass ich alles andere war als das. Tomasin, das ist eine unverschämte Verleumdung!“
„Mensch, Linda! Jetzt reg dich nicht so auf. Ich sagte, ich hatte dir den Schatten des Knausers gegeben. Das heißt noch lange nicht, dass du ein Geizhals warst. Hast du eben nicht richtig zugehört, als Upper Hannah die Sache erklärt hat?!“
„Leute, hört auf euch so anzukeifen! Kommt mal wieder runter! Linda, Tomasin hat Recht. Aber ich erkläre es dir gerne noch einmal: Tomasin gab dir den Schatten des Knausers – ja. Ich hatte dir den Archetyp der hilfsbereiten Gönnerin mitgegeben – so. Du hattest in deinen ersten gut zwanzig Jahren nur deinen Archetyp gelebt. Nachdem du von Kanep deinen Schatten bekommen hattest, stand dir auch der Knauser zur Verfügung. Das hatte für dich zur Folge, dass dir auf einmal all die Leute bewusst wurden, die geizig waren. Sie sind dir sehr unangenehm aufgefallen. Du hast sie automatisch abgelehnt. Diese Geizhälse haben dir aber nur, na sagen wir mal“, Upper überlegte einen Moment „oh ja, das ist ein gutes Bild – sie haben dir einen Spiegel vorgehalten. Du hast in einen Spiegel geblickt und dort deinen Schatten des Knausers erblickt. Der hat dich so sehr erschreckt, dass du ihn erst mal für dich als Trugbild verleugnet hast. Mit der Zeit, und mit Hilfe deiner Erinnerung an Zuhause, hast du dieses Trugbild aber als deinen Schatten erkennen können und ihn akzeptiert. Von diesem Zeitpunkt an sahst du andere Knauser als das an was sie waren – nämlich einfach nur Geizhälse. Sie störten dich nicht mehr, weil sie keine Resonanz mehr bei dir fanden. Indem du deinen Schatten akzeptiertest, hattest du diesen Anteil in dir erlöst, im Sinne von aufgelöst. Verstehst du? Du warst immer die hilfsbereite Gönnerin – auch mit dem Schattenaspekt des Knausers in dir. Du hast die Sache mit deinem Schatten nur leider mit deiner Ankunft hier
wieder vergessen.“
„Ach so! Ich glaube, jetzt habe ich es verstanden.“
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