Der grössere Umkreis Mwanza beherbergt eine Million Einwohner, der Citykern 200'000 Menschen. Die Region titelt die am schnellst wachsende, zweitgrösste Stadt im Land (nach Dar-es-Salam ‘Haus des Friedens‘ mit 2.700.000, Stand 2005). Zur Namensbedeutung rätselt man, dass es von ‘Wanza: Erste‘ herrühren könnte. Dies würde Sinn machen. Die Region Mwanza schien öfters Erstling von irgendwas, das werde ich mit der Zeit entdecken.
Der Lake Victoria hiess früher unter anderem Nalubaale-See. Er ist der grösste Süsswassersee in Afrika und der Zweitgrösste auf unserem Globus. Tür-an-Tür lebt man mit den Tieren der beiden kleinerer Nationalparks Saa Nane und Rubondo Island sowie der grossen, berühmten Schwester Serengeti. Mit ihren 14’763 Quadratkilometern Fläche ist die Serengeti ‘das endlose Land’ einer der größten Nationalparks der Welt, Teil des UNESCO Weltnaturerbes.
Zum Klima werden Durchschnittstemperaturen im Juli/August von 28° angegeben. Als ich im April lande, geht es gegen Ende regionaler Regenzeit zu. Frierend schläft es sich unter der dünnen Wolldecke bei 15°.
Über die Gesundheit gibt es zu berichten, dass es das Modell Einzel-Arztpraxen nicht gibt. Neben einigen öffentlichen und privaten Spitälern existiert eine psychiatrische Klinik; von deren fünfzig Plätzen sind knapp die Hälfte besetzt. Trotz der größeren Rehabilitierungsnachfrage von denjenigen, welche unter Alkohol und Drogenmissbrauch leiden, bleibt diese Möglichkeit bis anhin geschlossen. In Tanzania leben etwa 1.4 Mio. Menschen mit HIV/AIDS (2008). Kein Zehntel davon sind Kinder; die Rate der Infizierten zeigt sich stetig rückläufig. Der grösste Sterbegrund bei Kindern unter fünf Jahren ist Malaria.
Die Deutschen hatten die Kolonie von 1880 bis 1916 inne. Die Inder übernahmen das Land Tanganjika. Zusammengeschlossen mit Zanzibar entstand 1964 der Staat Tanzania.
‘Zuhause‘ nenn ich ein eigenes Dreizimmerhaus - einfach luxuriös! Der Garten rundherum zeigt sich bisher als der Grösste, Grünste in der neu entstehenden Backsteinsiedlung der PPF (Parastatal Pension Found, halbamtliche Pensionskasse). Die Menschen ziehen in die 800 tupfgleich aussehenden Häuschen ein. Überall wird (an-)gebaut, werden Bäume gefällt und gackern frische Hühnerställe. Den Dorfnamen eselbrückige ich als ‘eckigen Kuss’: Kiseke. Kiseke liegt irgendwo fünfzehn Fahrminuten von Mwanza aus Richtung Flughafen rechts hinein ins Nowhere. Man fährt an schmucklosen, einstöckigen Lehmhäusern und Backsteinläden vorbei und buckelt über sieben Kilometer sandige, deformierte rote Strassen - wobei man diese kaum als Strassen bezeichnen kann, eher Wüstenpisten. Mary (zu den Mainactors später) fliegt in meiner ersten Woche geschäftlich nach Dar-es-Salam. Ich begleitete sie an den Flughafen und fahre ohne Instruktion heimwärts. Oha, meine Premieren: Linksverkehr, Vehikel ein Kopf höher als ich, breiter sowieso, überdies besagte Strassen. Huuiii, hat das Spass gemacht, es hat nur einmal durchgespult!
Mein Daheim, Kiseke PPF Nummer 255, ist das private Gästehaus der Tanzanierin Josephine. Sie wohnt nebenan, weilt vielfach in Arusha. Als erste Mieterin heisst das: mein Asyl ist sozusagen völlig nackig. Aus Marys Fundus steht zur Kommode ein Himmelbett (man nennt den hellen Schleier auch Moskitonetz), afrikamustrige Vorhänge und im Nebenraum ein halbstabiler einteiliger Holzschrank. Aus Josephines Besitz zieren im Wohnzimmer zwei moderne, zwei traditionell geschnitzte Stühle, ein gusseiserner Tisch (wohlbemerkt: nur Gestell, ohne Deckplatte) und in der Küche ein zweiplätziger Gaskocher und … das war’s!
Die leckeren Abende verbringe ich chillig bei Mary. Sie wohnt vier Gehminuten von mir entfernt - Korrektur: ich von ihr. Sie bedauert, ihre Küche sei simpel, sie hätte gerne mehr Abwechslung. Also mir schmeckt es vorzüglich: Bohnen- & Bananeneintöpfe, Chicha (Spinat), Wali (Reis) oder Ugali (Maisbrei) mit Beef, Kuku oder Samakis (Fische). Davon der Tilapia mundet sehr delikat; der Fischkopf, wo Mary wonnestrahlend reinbeisst (die fettigen Augen sollen das Beste sein), den überlasse ich ihr. Im Dunkeln draussen leiste ich gerne Pura und Jadida Gesellschaft, während sie kochen. Es braucht alles seine Zeit. Polepole, langsam, werden ohne Eile in der Handfläche haltend werden die Zwiebeln, Tomaten geschnitten, die Bohnen gewaschen, der Chicha gezupft. Bis die zylindrigen Holzkohlengefässe ‘Tschakel‘ genug Hitze abgeben, braucht es ein gemütliches Weilchen, sodass zwischenzeitlich auch die frischen Dessertfrüchte behutsam geschnitzt werden. Auch ich fahre polepole runter vom europäischen Gestürm. Ich bewege mich gemächlich und organisiere Dinge und den Haushalt ohne jegliche Hektik. Tut das gut!
Wau, ich habe einen Hund. Josephine hätte einen, sofern sie da wäre. Warum nahm sie ihn aus ihrem Dorf Singida mit? Er sollte zurück zu seiner Familie. Der junge savannenfarbene Kerl hockt ganz allein, den ganzen lieben langen Tag in einem luftdurchlässigen Minibacksteinhäuschen, einem Quadratmeter! Er winselt vor sich hin und mich zum Erbarmen an. Der weisspfotige Sox ist zu Bedauern. Ich nehme ihn oft aus seinem Käfig. Übermütig freudig tollt er und fighten wir rum. Gegebenenfalls, falls Sox nun den Sinn des Holzstockes hier kapiert, werden meine langgezogenen spielerischen Beiss-, Kratzspuren an Unterarmen und Waden verschwinden.
Die Leute in Kiseke und in Mwanza-Town begegnen mir höflich zuvorkommend. Inside Hauptmarkt agieren sie fordernder - hoffnungsvoll auf ein lukratives Geschäft. Allerorts sind die Menschen schlicht schwarz. Wo ich durchgehe vernehme ich: ’Mzungu’ (Weissgesicht) oder am Markt ’Rafiki’ (Freund). Ohne dieses Mzungu, würde ich vergessen, dass ich Eine bin. Erst, wenn ich was aus meiner Tasche nehme und meine helle Haut sehe, denke ich, gar eine fade Farbe, die eines kleinen Schweinchens! So oder so, ich fühl mich einfach schon jetzt sauwohl hier!
Das Feilschen um Ware gestaltet sich heiter, wo ich (noch) kein Kiswahili kann, die Leute null Englisch. Swahili/Kiswahili (Suaheli/Kisuaheli) stammt vom arabischen sãhil ’Küste ’ oder ’Grenze ’. Diese Bantu ist die am meist verbreitete Verkehrssprache Ostafrikas. Als tendenziell sprachtalentiert, sollte ich mich bald verständigen zu können.
Nsajigwa (welcher gästelockende Touren kreieren soll) präsentiert mir in der ersten Woche eines seiner Programme - er führt erst Eines, nachdem er seit bald zwei Monaten in Mwanza agiert. Er komme aus dem südlichsten Süden Tanzanias, absolvierte ein Kurznaturstudium (mehr weiss er nicht dazu) und war unterwegs als Touristenführer in Dar-es-Salam. Über die Bauten, welche ich dort sah, kennt er allerdings keine Infos dazu.
Wir fangen frühmorgens mit einer ersten Daladalafahrt an: eine halbe Stunde enges, farbiges Chaos in einem bunt beschrifteten Kleinbus! Die Tour starten wir an der Seepromenade in der Citymitte, sie misst kurz - die Promenade – und liegt einladend eindrücklich mit den Felsformationen am und im Wasser. Die erste Attraktion, der markante Granit, ufernah majestätisch erhabener Bismarck-Rock. Die Deutschen benannten den Outcrop nach Otto von Bismarck, dem ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches. Über den Hügel Capripoint wandern wir an Herrschaftshäusern vorbei. Jetzt wird der Antrag von Eva am MTTF-Meeting klar: Sie will die Rocks unter Schutz stellen lassen. Es frieselt schaurig, wie teils die einzigartigen Felsformationen für neue Villen abgetragen werden. Man sollte diese mehr in die Häuser einbauen; genau das macht den Rock-City-Charme einzigartig.
Читать дальше