»Ja, Ma’am.« Die beiden Worte waren ihm herausgerutscht, ehe er darüber nachdenken konnte, wie sie sich anhören musste. Er hatte sich nie so leicht mit Befehlen anderer angefunden. Er war ein CEO …
… Ich war ein CEO! , hallte es in seinem Kopf korrigierend nach. In den nächsten drei Monaten werde ich wohl alles andere sein … Jedenfalls niemand, der maßgeschneiderte ›Armani‹-Anzüge tragen wird …

Kapitel 6
Das Gästebett war ordentlich gemacht, das Oberbett über den roten Plüschkissen zurückgeschlagen und auf der Kommode am Fußende stand ein Flachbildschirm-Fernseher. Ansonsten war der Raum weitaus steriler als der Rest des Hauses. Abgesehen von einigen beruhigenden Kunstwerken an den Wänden wurde dem Auge nicht viel geboten – hier gab es keine Bilder von Prominenten oder Urlaubsfotos von Darleen und Christopher. Das Zimmer wies ausschließlich das unbedingt Erforderliche auf, was ein Gast für eine Übernachtung brauchte – einen Stuhl, ein Bett und einen verschlossenen Kleiderschrank, von dem er vermutete, dass er begehbar war.
Phineas hängte seine Kleidung über die Stuhllehne, wobei er seine Hose, Hemd, Unterhemd und Jacke ordentlich übereinander faltete, während er beschloss, seine Socken und Boxershorts anzubehalten.
Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Darleen mit ihm schlafen wollte, wenngleich ihm noch immer nicht klar war, warum sie darauf bestanden, dass er sich nackt auszog. Zum einen kam ihm Sex nur äußerst recht selten in den Sinn, weil er rund um die Uhr an Finanzberichte und Geschäftsverträge denken musste, sodass ihm für die schönste Nebensache der Welt kaum Zeit blieb und er sich deshalb bereits für a-sexuell hielt. Außerdem wusste er, dass sie und ihr Mann eine wirklich märchenhafte Beziehung miteinander führten. Bis zum heutigen Tag hatte er sie zwar nur beiläufig getroffen, aber vom allgemeinen Gerede her, wusste er, dass die beiden wie verrückt ineinander verliebt waren. Es war offensichtlich, warum Christopher mit ihr zusammen war. Aber die meisten Leute unterschätzten den bärtigen Multimillionär, der so dick wie sein Bizeps war, zumeist. Denn Christopher gehörte der seltenen Ausnahme eines Geschäftsführers an, die tatsächlich jeden Morgen ins Fitness-Studio ging, ehe sie in ihre Büros kamen – und das machte sich bei ihm auch äußerlich bemerkbar.
Phineas selbst war besonders sportlich gewesen. Ein schneller Stoffwechsel und seine Vorliebe für lange, stressige Arbeitstage hatten ihm einen extrem dünnen, schlanken Körper beschert, den er nur zu gern unter leicht breitschultrigen Anzügen zu verstecken versuchte. Auch ohne sich in irgendeinem Spiegel zu betrachten, machte ihn schon allein sein Nacktsein auf all die äußerlichen Mängel aufmerksam – weshalb er eher verlegen denn erregt verhielt, als ihn Darleen so erblickte.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass er so verschämt reagieren und rot werden würde, kaum, dass sie den Raum betrat.
»Prima! … Du wirst schon deutlich besser darin, Anweisungen zu befolgen«, lobte sie ihn, indessen sie die Tür hinter sich ins Schloss drückte und betrachtete. Allerdings war es kein von einem kecken Grinsen begleiteter Körperscan, sondern glich vielmehr dem prüfenden und nachdenklichen Einschätzen des zur Verfügung stehenden Ausgangsmaterials einer Künstlerin.
»Tja, nicht wirklich das, was du dir vorgestellt hast, nicht wahr?«, kommentierte er ihren Blick, seine Unzufriedenheit über seine Unzulänglichkeiten zum Ausdruck bringend.
»Stimmt, was die Anweisungen anbelangt«, lächelte sie und legte ihm ihre Hand auf den nackten Arm.
Phineas konnte sich nicht erinnern, wann eine Frau das letzte Mal seine nackte Haut auf diese Weise berührt hatte – es fühlte sich warm an, real und ehrlich. Aber auf eine gewisse Weise auch gefährlich.
»Es dürfte dir jedenfalls nicht sonderlich leichtfallen«, fuhr Darleen fort. »Du bist es gewohnt, Befehle zu erteilen, anstatt sie zu erhalten, nicht wahr?«
»Nun, es ist nicht immer so einfach«, gestand Phineas ein. »Hauptgeschäftsführer zu sein bedeutet aber nicht, dass man alles tun kann, was man will.«
Sie starrte ihn kurz an. »Bitte, warte einen Moment!« Dann nahm sie einen kleinen goldenen Schlüssel und öffnete die Schranktür, die sie nur so weit aufzog, dass sie hineinschlüpfen konnte.
Phineas ließ sich auf der Kante des Bettes nieder und streckte seine Arme abstützend zu seinen Seiten aus.
»Ich weiß genau, wie du dich gerade fühlst«, ließ sie ihn durch den Türspalt hinweg wissen. »Es ist Verwirrung, vermischt mit anderen Emotionen. Ich habe vor ein paar Jahren dasselbe durchgemacht.«
Nun, … es dürfte wohl nicht exakt das Gleiche gewesen sein , dachte er still, indessen er seine Beine kreuzte.
»Aber ich denke, das ist es, was es am Ende ausmacht. Von Anfang an musste ich Entscheidungen treffen. Ich musste lernen, wie weit ich zu gehen bereit war, … wo meine Grenzen lagen, wozu ich wirklich fähig war. Ich musste herausfinden, wer ich tatsächlich war.« Mit diesen Worten öffnete sie die Schranktür und trat heraus. Über ihrem Arm lag ein rosafarbenes, ärmelloses Kleid mit weit ausgeschnittenem Rückenteil. »Doch am Ende habe ich gelernt, was du für dich noch herausfinden wirst.« Sie hob das Kleid bis zu ihren Schultern an, sodass dessen Saum bis auf einen Zentimeter über den Boden fiel. »Nachdem du dein erstes Kleid angezogen hast, können wir mit deiner Rehabilitation beginnen …«

Kapitel 7
Mein Kleid? , schoss es ihm durch den Kopf. Ernsthaft?! In seinen Mundwinkel zuckte es spöttisch, derweil er sich mit den Fingernägeln über sein glatt rasiertes Kinn strich und verlegen, ob seiner Nacktheit, von links nach rechts sah, ehe er Christophers Frau wieder anzuschauen wagte.
Sie erwiderte seinen Blick in völliger Gelassenheit und verharrte ruhig auf der Stelle, während sie ihm das Kleid in mädchenhaftem Rosa am ausgestreckten Arm entgegenhielt.
Boah! Sie meint das tatsächlich todernst! , dachte er still. In seinen Augen funkelte es erschrocken, als ihm bewusst wurde, dass sie ihn im Grunde genommen zu ihrem Gefangenen gemacht hatte. So sehr er sich auch bemühte: Er schaffte es nicht, ihr direkt in die Augen zu sehen – in die Augen, die weitaus mehr sagten, als er in diesem Moment verstehen konnte.
Also starrte er stattdessen auf das Kleid, dessen verführerische Farbe seinen aufgeregten Herzschlag sogar ein wenig beruhigte. Ich kann das auf keinen Fall anziehen! , ging es ihm durch den Kopf, wissend, dass er sich schnellstens einen klugen und vor allem aber einleuchtenden Grund überlegen musste, um wieder an seine männliche Kleidung zu kommen. »Oh, nein, Darleen! … Das wird mir garantiert nicht passieren!«, platzte es aber stattdessen aus ihm heraus, wobei er vehement mit dem Kopf schüttelte.
»Geht das schon wieder los, Phineas?!«, seufzte sie und legte das Kleid auf das Gästebett. »Die Reha-Maßnahme wird sich leichter erklären lassen, wenn du erst einmal richtig angezogen bist. Wir sollten also endlich damit anfangen!«, stellte sie sachlich fest und strich mit ihrer flachen Hand fast zärtlich über das Kleid. »Anschließend werden wir reden.«
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