Es gab in den vergangenen Wochen zahlreiche Denkanstöße, Blogbeiträge, Tweets und sonstige Eingaben zu dieser Thematik. Bereits seit einiger Zeit gibt es in befreundeten Unternehmen mit über fünfhundert Angestellten Diskussionen darüber, wie das Problem eine Gleichstellung der Geschlechter erreicht werden kann.
An vielen dieser Gesprächsrunden habe ich teilgenommen, wenngleich ich die Ansicht vertreten, dass das Thema schlicht überbewertet wird. Leider hat die diesbezügliche Diskussion inzwischen eine Größenordnung erreicht, die sich bereits auf die Arbeit in unserem Unternehmen auswirkt – was impliziert, dass ich darauf reagieren muss: unverblümt, auf den Punkt kommend und effizient.
Was heißt das?
Es bedeutet in erster Linie, dass nichts an den Einstellungskriterien geändert wird! … ‹
Das Schreiben der Rund-Mail fühlte sich für ihn so gut an, dass er sich zufrieden in seinem Ledersessel zurücklehnte, um voller Stolz auf die Zeilen auf seinem Monitor zu schauen und den freien Platz darunter. Hm, was gibt es sonst noch zu sagen? , fragte er sich. Immerhin wurde mir die Firma anvertraut, mit der klaren Anweisung, sie so zu führen, wie ich es für richtig halte … Ich habe also völlig freie Hand! Er ließ ein leichtes, sich selbst zustimmendes Nicken folgen. Allerdings sollte ich bedenken, dass simpel bei schlichten Gemütern nicht immer funktioniert und man es ihnen am besten direkt erklärt, ehe es zu überflüssigen Rückfragen kommt.
›… Das Unternehmen sucht auch weiterhin ausschließlich die klügsten der Klügsten in seinem strengen, zeitaufwändigen Einstellungsprozess aus. Beeinträchtigende Änderungen in der Gewinnung wirklich qualifizierter Talente, würden den bereits angestellten Mitarbeitern und damit der Firma nur schaden – völlig unerheblich, ob männlich, weiblich oder was auch immer! … ‹
Mhmmm … , murmelte er in sich hinein. Dieses ›was auch immer‹ fühlt sich in der heutigen Zeit nicht wirklich richtig an , dachte er, während es ihn dazu drängte, mit der rechten Maustaste die › Thesaurus ‹ anzuklicken, um den Text zu ändern. Doch dann schrieb er seine Mail ohne Bearbeitung weiter, wie er es in seiner Gewissenhaftigkeit sonst nicht tat.
›… Darüber hinaus duldet der Vorstand keinerlei Änderungen in der Art und Weise, wie in der Firma Geschäfte abgewickelt werden. Dennoch werden alle Beschwerden oder Kommentierungen seitens der Belegschaft von unserer wunderbaren Personalabteilung berücksichtigt – die, wenn ich daran erinnern darf, zu 41% weiblich besetzt ist ... ‹
Einundvierzig Prozent, klingt doch schon ziemlich gut. Immerhin beinahe die Hälfte , ging es ihm lächelnd durch den Kopf, und bei Weitem besser als beim Rest der anderen Abteilungen.
› Jeder, der das Gefühl hat, dass seine Bedürfnisse nicht erfüllt werden, wird gebeten, seine Anliegen an die jeweils zuständige Abteilung zu richten.
Jedoch möchte ich Sie, bevor Sie eine weitere E-Mal senden, daran erinnern: … ‹
Er musste über die Ironie des letzten Satzes lächeln, ehe er fortfuhr:
›… Schlafen Sie eine Nacht, ehe Sie eine Beschwerde formulieren und gehen Sie in sich, ob diese wirklich nötig ist. Gehen Sie alle Punkte genauestens durch, die Ihrer Meinung nach tatsächlich geändert werden sollten.
Fragen Sie sich, ob ihr Arbeitsplatz – der Ort, an den Sie die Firma wochentags und in seltenen Fällen auch an Wochenenden einlädt – wirklich so komfortabel wie ihr schönes, heimeliges und geräumiges Zuhause sein muss? Vor allem in Hinblick darauf, dass Ihr Zuhause durch das Gehalt seitens der Firma bezahlt wird?...‹
Phineas ließ seine Finger einen Moment ruhen, holte tief Luft und entfernte die › All Caps ‹ in der letzten Zeile. Seit er mit der Mail begonnen hatte, war seine Verärgerung leicht angestiegen – ihm waren die beiden Praktikantinnen gut in Erinnerung geblieben, die sich lauthals über den Ruf der Firma ausgelassen hatten und deren Gespräch er ungewollt Zeuge geworden war. Diese College-Schülerinnen hatten doch tatsächlich die Chuzpe gehabt, darauf hinzuweisen, dass sie ein potenzielles Stellenangebot der Firma möglicherweise nicht annehmen würden. Ihr werdet auch garantiert keines bekommen , grollte er in sich hinein und dachte daran, dass er deren Lebensläufe direkt mit einem › abgelehnt ‹ markiert hatte. Wenn es ihnen bei uns nicht passt, sollen sie es woanders für ein Drittel des Gehalts und ein Viertel an Prestige versuchen!
Allerdings hatte diese kleine › Gerechtigkeit ‹ seinen Wunsch, die Dinge richtig zu stellen, nicht gestillt. Doch dafür würde die E-Mail sorgen, der nun nur noch eine Schlussfolgerung fehlte.
› Denken Sie also daran: Auch, wenn Sie ein geschätzter Mitarbeiter der ›Trans Global Logistics‹ sind und Ihre Einstellung ein leuchtendes Beispiel für die Firma in all ihren Geschäftsbereichen ist – Menschen machen Fehler. Seien Sie also nicht dumm, indem Sie sich unnötig beschweren oder Gerüchte in die gegen die Hand Welt streuen, die Sie füttert!
Sollte sich jemand beschweren wollen: Ich bin jederzeit verfügbar. Ich gehe mit gutem Beispiel voran, arbeite hart und hoffe, Sie tun es auch.
Phineas Hathaway, Geschäftsführer ‹

Kapitel 3
Die zwei Monate zwischen dem Absenden der E-Mail und der schicksalshaften Vorstandssitzung waren für Phineas die nervenaufreibendsten seines Lebens. Natürlich war ihm bewusst, dass er die Situation selbst heraufbeschworen hatte, auch wenn er anfangs nicht bereits gewesen war, sich das einzugestehen.
Alles hatte mit lautstarken Rufen nach seiner sofortigen Entlassung begonnen, der schnell weitere folgten, die, Salome gleich, seinem Kopf sogar auf einem silbernen Tablett forderten. Einem Wunsch, dem sich Flavius Josephus zufolge, schon Herodes Antipas › um der Eide und um derer wollen, die mit zu Tisch lagen ‹ nicht verweigern konnte, worauf er Johannes den Täufer köpfen und der Tänzerin dessen Haupt auf einer Schale bringen ließ.
Kurz darauf hatte er sich eine Reihe neuer Follower auf Twitter eingefangen, von denen sich direkt über geschätzte achtzig Prozent beleidigt fühlten und ihren Shitstorm über ihn ausgebreitet hatten, noch ehe es ihm gelungen war, seinen › Account ‹ auf › private ‹ umzustellen, indessen die restlichen zwanzig Prozent die › Wahrheit seiner Worte ‹ unterstrichen.
Erst als er die › Tweets ‹ seiner › Unterstützer ‹ las, hatte er sich zu fragen begonnen, ob seine E-Mail nicht vielleicht doch ein unüberlegter Fehler gewesen war, denn das waren durchaus keine Menschen, die er mit sich oder der Firma in Verbindung bringen wollte. So langsam hatte es ihm gedämmert, dass Teile seiner E-Mail recht kontrovers gewesen waren, und seine nachfolgende Erklärung, dass er mit ihr einen Dialog im Unternehmen anstoßen wollte, war auf taube Ohren gestoßen. Niemand wollte ihm auch nur Ansatzweise abnehmen, dass er, einer der mächtigsten CEOs in London, die richtigen Schritte einleiten wollte, wo er seine Meinung auf so klare und unnachgiebige Art zum Ausdruck gebracht hatte …
… Und noch schlimmer war, dass ihm seine Worte in jede nur erdenkliche Weise verdreht wurden. Seine schlichte Reaktion auf das dumme Gerede zweier Praktikantinnen war für ihn zu einer Jeremiade geworden, einem Klagelied, von der sich alle anderen Londoner CEOs unbedingt zu distanzieren versuchten. Männer, von denen Phineas nur zu gut wusste, dass sie in ihren patriarchalischen Ansichten noch um Einiges krasser als er selbst waren, waren sofort zu Befürwortern von Gleichheit und Gleichstellung der Geschlechter geworden, um sich eines guten Karmas zu versichern. Dabei hatten sie in ihren Unternehmen Zugeständnisse gemacht, die in Phineas Company schon seit langem Einzug gehalten hatten. Mit Sprüchen wie: »Oh, wir sehen das ganz anders wie Mr. Hathaway«, unterwarfen sie sich der Allgemeinheit, wenngleich nicht ein einziges Wort davon stimmte und ihre Pinocchio-gleichen Nasen mit jedem weiteren Kommentar noch um Einiges länger wurden.
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