Dabei schob er ihr seine Karte in die Hand, bevor sie endgültig davoneilte.
IV.
Katja verbrachte ihre Pause in der Cafeteria des Krankenhauses. Heute Vormittag hatte sie erhebliche Schwierigkeiten bei der Konzentration auf die einfachsten Dinge verspürt; ihre Gedanken zwischendurch kehrten immer wieder zu Hendrik zurück, dessen Nähe sie heute Morgen in eine pulsierende Aufregung versetzt hatte, die immer noch anhielt.
Als sie sich im Toilettenspiegel aufmerksam betrachtete, sich prüfend über die Wangen strich, wünschte sie sich in diesem Augenblick, es wären seine Hände, die sie spürte, und nicht nur in ihrem Gesicht sondern auch an ihrem ganzen Körper, erst ganz zart aber auch hin und wieder fester zupackend.
Ihre Wünsche machten ihr klar, dass sie ein großes Verlangen nach dem jungen Polizisten hatte.
Nach dem Dienst lag sie zu Hause lang ausgestreckt auf ihrem Hochflorteppich, döste vor sich hin und versuchte sich zu entspannen.
„Morgen beginnt mein Dienst erst am Mittag“, rief sich Katja in Erinnerung.
Wie gerne würde sie heute Abend zu Hendrik gehen! Beim letzten Mal, als ein Mann ihre Gefühle so aufgewühlt hatte, war sie kopflos in einen Strudel der körperlichen Liebe eingetaucht, aus dem sie mit schmerzhaften Erfahrungen zurückkehrte. Diesmal nahm sie sich fest vor, sich nur in kleinen Schritten auf Hendrik zuzubewegen.
Nur neben ihm sitzen, ein Glas Tee miteinander trinken und ihn nach und nach kennenlernen!
Kurz vor acht Uhr machte sie sich auf den Weg.
„Katja, ich freu mich so, dass du zu mir kommst! Ich hab es mir so sehr gewünscht.“
Hendrik hatte ihr die Tür mit seiner heilen Hand geöffnet und strahlte sie an.
„Als Krankenschwester muss ich doch alles tun, damit du schnell wieder gesund wirst!“ Seine temperamentvolle Umarmung mit Worten versuchte sie sacht zu bremsen.
Aber sofort bedauerte sie, dass ihre Antwort so viel Distanz signalisierte; in den begeisterten Ausdruck seiner Augen mischte sich ein Funke Enttäuschung.
Rasch versuchte sie, dies wieder gutzumachen.
„Besonders Männer brauchen ja fürs Gesundwerden sehr viel Zuwendung!“
Gleich hatte sie den Eindruck, dass ihn ihre Bemerkung so sehr aufmunterte, dass er ihr seine Gefühle offen legte.
„Bei Zuneigung geht es noch sehr viel schneller als bei Zuwendung.“
Katja bewegte sich vorsichtig ans Fenster und stützte sich mit dem Rücken ans Fensterbrett.
„Sag mal, Hendrik!“ forderte Sie ihn von dort aus auf. „Du bist doch nicht der Abenteurer-Typ; dauernd auf der Suche nach den Gefahren und bereit zum täglichen Risiko! Polizist sein passt doch gar nicht zu dir!“
Hendrik warf zuerst einen Blick auf seinen Gipsarm und dann hinüber zu Katja, deren Gesicht im Schatten ihm nichts weiter von ihren Gefühlen verriet.
„Das ist dir sehr wichtig, nicht wahr?“ fragte er nachdenklich und trat an ihre Seite.
Katja lehnte sich leicht hinüber zu ihm; ihre Nasenflügel waren in Bewegung und sie presste ihre Lippen leicht aufeinander.
„Ich möchte nicht Angst vor solch einen Anruf haben, eine Nachricht, die jederzeit kommen kann. Zu hören, dass dem Mann, zu dem ich gehöre, etwas Schlimmes zugestoßen ist.“ Hendrik fiel nichts ein, Katjas Befürchtungen auszuräumen, erst recht nicht, als sie ihm den Grund für ihre Angst verriet.
„Vor zehn Jahren starb so mein Onkel; er war Wachmann bei einem Sicherheitsdienst“, sagte Katja.
V.
Hendrik hatte an diesem Tag gespürt, dass Katja die wichtigste Frau in seinem Leben war und dass sie beide Arme nach ihm ausgestreckt hatte. Er musste nur seinen Teil tun, um diese Arme zu ergreifen.
Zwei Tage später rief er sie an.
„Katja, ich hab dir etwas Wichtiges zu erzählen!“
„Wirst du deinen Gips los oder was gibt es Neues?“
Er wollte ihr jedoch das, was er sich hatte einfallen lassen, von Angesicht zu Angesicht sagen, kitzelte ihre Neugier so lange hoch, bis sie ihn zu sich einlud.
Sie öffnete ihm die Tür mit ihrem schönsten Lächeln; nur mit dem größten Einsatz seiner Willenskraft schaffte er es, sie nicht sofort stürmisch in seine Arme zu schließen. Schon ihre vertraute Berührung seiner Schulter, als sie den Platz neben ihm auf dem Sofa einnahm, machte ihn glücklicher und gab ihm Mut.
„Sag mal“, forderte sie ihn auf, „das muss ja etwas sehr Bedeutendes sein, wenn du am Telefon nicht damit herausrücken willst!“
„Katja“, sagte er, „es ist mir sehr wichtig und hoffentlich auch für dich; denn dann ist es für uns beide wichtig!“
„Was ist bloß los mit dir?“ fragte sie und lachte ihn dabei an. „Kommt das vom Wodka oder vom Whisky?“
„Ich hab mich als Assistent an der Polizeischule beworben“, kam er endlich mit der Sprache heraus. „Deinetwegen!“
Katja sah ihn an, als hätte er ihr einen Vortrag in einer fremden Sprache gehalten, obwohl sie alles sofort verstanden hatte.
„Waffen gibt’s dort nur zum Üben“, beeilte er sich zu erklären. „Und dort kommen keine Straftäter hin und überhaupt ist das alles völlig ungefährlich... “
Wie in Zeitlupe nahm er wahr, wie Katjas Gesicht sich auf ihn zu bewegte, spürte gleichzeitig, wie sie ihre Arme fest um seinen Hals legte; die Wärme ihres Körpers tat ihm unendlich gut.
„Meinetwegen?“ flüsterte sie und stieß dabei an seinen Gipsarm.
Er versenkte seinen Kopf in ihren Locken und atmete deren Duft tief ein; sie drückte ihre Lippen auf seine Kehle und lachte leise.
„Vorläufig bist du ja als einarmiger Bandit sowieso noch außer Gefecht!“
„Als Polizist schon“, gab er zu, „aber nicht als Mann.“
„Warte“, gab sie zurück, „warte nur ab, bis ich dafür sorge, dass du Bettruhe verordnet bekommst! Und dabei liegt die Betonung auf ‚Ruhe’.“
„Halten sich die Patienten auf deiner Station denn an alle Anweisungen?“
„Manchmal ja, manchmal nein, manche immer, manche nie!“
Vier Mal nacheinander streifte sie mit ihren Lippen dabei über die Haut unter seinem Kinn. Dann schloss sie die Augen und wartete.
Denn sie hatte grenzenloses Vertrauen in den Einfallsreichtum Hendriks.
„Mit einem Gipsarm kann man wunderbare Ablenkungsmanöver starten“, verriet er ihr. Katja warf einen raschen Blick auf den weißen Klumpen.
„Denn wer weiß denn, was ich inzwischen mit dem anderen Arm mache?“
Sie drehte den Kopf zur Seite, um nachzuschauen, was dort geschah.
Diesen Moment nutzte Hendrik, um mit seinen Lippen über die Flanke ihres Halses bis unter ihr Ohr zu wischen.
„Oder mit meinem Mund!“ flüsterte er. Sie hielt sich an seinen Schultern fest.
„Oder mit meiner Zunge!“ Seine Lippen zupften und saugten an ihrer Ohrmuschel; dann drang seine Zungenspitze dort streichelnd tief ein. Aus Katjas Mund erreichte ihn ein heller Ton, ein langgezogenes Summen; seine von ihr herbeigesehnte Zärtlichkeit hob sie in die Höhe.
Sie nahm daher zuerst nicht richtig wahr, dass er nun noch seinen freien Arm mit ins Spiel brachte.
Seine Finger schoben einen ihrer kurzen Ärmel hinauf zu ihrer Schulter.
In Erwartung eines Kusses schloss Katja die Augen und griff nach seiner Hand, doch er beugte sich stattdessen zu ihrem Arm hinunter.
Gleich darauf spürte sie seine warme und raue Zunge, die sich an der Innenseite ihres Armes auf ihre Achsel zu bewegte.
Sie erschauderte augenblicklich vor Wohlgefühl.
„Weiß er, wie empfindsam ich dort bin, wie mich das anmacht?“ dachte sie für einen Moment.
Hendrik aber war inzwischen leicht benommen von dem Duft ihrer Haut, den er aufgesogen, und von ihrem Geschmack, den er über seine Zunge in sich aufgenommen hatte.
Als ihr Mund seiner streichelnden Zunge entgegenkam, nahmen seine Lippen sie in Empfang.
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