Ich bin verwundert, warum ist sie nun wieder auf das „Sie“ umgeschwenkt?
Im Salon übergebe ich ihr das Tuch, „Ich glaube es muss in die Wäsche.“
„Da könnten sie Recht haben.“ Sie wirft es in die Ecke.
„Haben sie hier eine Waschmaschine?“ Frage ich vorsichtig.
„Natürlich gibt es so etwas.“
„Darf ich Ihnen denn meine Wäsche bringen?“
„Bringen schon, aber waschen tun Sie sie bitte selbst. Ich werde es Ihnen erklären, auch ein Bügeleisen habe ich für Sie. Sie können doch bügeln?“
„Klar, zwar nicht perfekt, aber man kann die Hemden tragen. Ich werde aber mal kurz meine Wäsche holen, so kann ich sie noch heute waschen und das Tuch wasch ich gleich mit.“
„Wie sie meinen. Darf ich ein wenig Musik auflegen, hier gibt es einen alten Plattenspieler und ein Radio aus den fünfziger Jahren.“
„Super, wollen Sie lieber Schnulze oder Klassik? Was trinken wir denn dazu?“
„Einen Roten, dann Schnulze, vielleicht etwas italienisches aus den Sechzigern.“
So wühlen wir in den Singles und lassen es uns gut gehen. Es bleibt nicht aus, dass wir uns nach drei Stunden Weingenuss nun endlich duzen. „Sag mir noch, was bist du für ein Sternbild?“, fragt Barbara.
„Stier mit Aszendent Schütze.“
„Aha gut, dann weiß ich ja nun Bescheid.“
„Was weißt du nun über mich, was ich nicht weiß?“
„Ich werde ein andermal darüber sprechen, dann, wenn du mir deine Pfadfindergeschichten erzählst.“
Ich wollte gerade vom Tisch aufstehen, als sie hinter mir steht und mir ein großes weiches Tuch umlegt. Sie verschlingt es mehrmals um meinen Hals und meinte, „es wird dir gut tun.“
Ich wünsche eine gute Nacht. Inzwischen ist es halb zwölf, ich gehe in mein Gästezimmer und schlafe erschöpft ein.
Ich höre ein lautes Geräusch, schrecke hoch und tastete nach dem Lichtschalter, springe auf und sehe in den Innenhof und erkenne eine Person. Wahrscheinlich ein Hausmeister, so denke ich.
Ich betrachtete den Innenhof und entdeckte im verlegten Blaubasalt einen Stern. Im Zentrum des Innenhofes kann ich nach längerem betrachten ein Wappen erkennen. Vor jeder Türe befindet sich ein Buchstabe. Die Einlegearbeiten sind so geschickt ausgeführt, dass man sie nur bei einem bestimmten Lichteinfall sehen kann. Ich hole meine Kamera, welche einen hochempfindlichen Film hat. Ich mache Fotos von verschiedenen Seiten, in dem ich den Gang entlang gehe und aus den Fenstern fotografiere.
„Das hatten wir nicht vereinbart“ sagt Barbaras Stimme hinter mir.
„Bitte entschuldige“, ich erzählte von einem lauten Rattern.
„Das ist die Wasserpumpe, sie füllt die Zisterne.“
„Ich wollte einfach nur Luft schnappen und beim Betrachten des Hofes entdeckte ich die Einlegearbeiten.“
Sie verstand nicht, „zeig mir was du meinst. Beim besten Willen, ich glaub du nimmst mich auf den Arm, ich kann nichts erkennen.“
„Komm wir gehen runter ich will es aus der Nähe sehen.“
„Wie spät haben wir es eigentlich?“
„Ach, dass ich es nicht gleich gesehen habe, da über dem Eingang des Hauptportals ist ja eine Uhr.“
„Die kannst du vergessen, die geht doch schon lange nicht mehr.“
„Aber sieh mal 5.35 Uhr. Das ist Zufall, sicher ist sie damals um diese Zeit stehen geblieben, außerdem wissen wir doch gar nicht ob es wirklich so spät ist.“
Ich gehe nun in mein Zimmer und sehe auf mein Handy, 5.36 Uhr. Es stimmt also. Wir sehen beide gleichzeitig auf die Uhr am Portal, 5.37 Uhr.
„Sie geht, hast du hier einen Hausmeister?“
„Wäre schön, aber kann ich mir nicht leisten.“
„Aber er ging doch über den Hof als ich runter sah.“
„Du spinnst ja wohl. Ich lege mich noch mal hin, dass war jetzt einfach zuviel.“
„Warum bist du eigentlich hierhergekommen, du konntest doch nicht wissen, dass ich fotografiere?“
„Keine Ahnung, ich ging Pipi machen und hatte das Gefühl ich müsste nach dir sehen. So sah ich dich hier fotografieren.“
„Sei es wie es wolle, ich lege mich nun noch ein Stündchen hin.“ Kaum in meinem Zimmer angekommen und mich hingelegt, klopft es. „Bitte, komm rein.“
„Ich habe für dich etwas, damit du besser schläfst.“ Sie kommt herein, drückt mir zwei Ohrenstöpsel in die Hand und eine Schlafbrille.
So ausgestattet, schlief ich nochmals tief ein.
Wir treffen uns zum Frühstück und beschließen die gegenüberliegende Seite des Gebäudes zu erkunden. Dieser Teil ist in wirklich gutem Zustand. Es scheint so, dass hier wohl bis zuletzt gearbeitet wurde. Die Wandfarbe ist noch so frisch, dass ist noch keine fünf Jahre her, als gestrichen wurde. Der Saal gleicht einem Klassenzimmer, es sind etwa 30 Tische. Ein Pult, eine Tafel. Wir fanden auch alte Landkarten von Deutschland, Polen und Russland. Diese stammen alle aus der Zeit um 1938.
„Sie mal hier ist noch ein alter Diaprojektor.“
„Eine Schachtel, lass mal sehen, was darin ist.“
„Lauter alte Dias. Die werden wir uns zum Abendessen reinziehen“ meinte Barbara. Wir gingen einen Raum weiter und fanden mehrere Clubsessel, Beistelltische und eine wunderschöne Mahagoniwand.
Als wir die Türen öffnen, staunten wir. Geschliffene Karaffen und Gläser, ein Kühlschrank, mindestens vierzig Jahre alt, leider ohne Inhalt, müssen wir feststellen.
Eine weitere Türe gibt eine Bar aus den dreißiger Jahren frei. Sogar die Flaschen waren noch darin. Wir schnappen uns zwei Gläser, waschen sie aus und probieren einen Cognac.
„Prima, den trinken wir, wenn wir uns die Dias ansehen.“
So kommen wir zu dem Ergebnis, dass hinter den Mahagoniwänden noch Hohlräume sein mussten. Es muss also einige Geheimtüren geben! „So langsam werde ich das Gefühl nicht mehr los, dass es sich hier um ein Hauptquartier handelt. Wahrscheinlich vom Geheimdienst Honeckers.“
„Da kannst du Recht haben. Ich war ja erst drei, oder viermal hier, immer mehr bekomme auch ich einen ähnlichen Eindruck.“
„Aber du bist schon sicher, dass hier außer dir niemand mehr wohnt?“
„Ich kann das ja nicht kontrollieren. Ich kenne als Eingang nur das Tor, durch welches ich immer herein komme. Aber vielleicht gibt es ja noch weitere Eingänge?“
„Diese Räume sind in einem Zustand, als wäre gestern noch jemand hier gewesen. Wann hast du denn das letzte Mal die Räume inspiziert?“
„Ach, das kann schon länger her sein. Ich bin mit Betti, kurz nach der Übergabe mal alle Räume durchgegangen, das ist sicher schon einige Jahre her. Ich habe mich damals entschieden, meinen Wohnbereich abzutrennen. Eine kleine Baufirma, hier aus der Nähe, hat dies gemacht.“
„Wie ist das mit dem Strom?“
„Ich habe hier einen eigenen Generator, du wirst ihn kaum hören, da er in einem Spezialraum untergebracht ist. Wasser kommt aus der eigenen Quelle.“
„Du bist völlig autark.“
„Ja, so sehe ich das auch.“
„Wir werden alles aufzeichnen, sonst bekommst du niemals einen Überblick über das Gelände.“
„Was steht uns denn noch bevor?“
„Wir haben noch einen Speicher, wunderschön zum Gruseln. Na das ist ja dann was für dich. Vielleicht hängen da noch ein paar Leichen. Wir haben uns das für den Baumeister aufgehoben. Da werde ich dann einen freien Tag nehmen und die Einkäufe erledigen.“
„Ach, ich soll also den Speicher alleine besichtigen.“
„Natürlich, du wirst doch keine Angst haben?“
„Nein, ein Gebäude ist vielleicht erschreckend, aber Angst muss man davor nicht haben. Eigentlich wollte ich lieber mit dir Einkaufen fahren.“
„Kommt ja gar nicht in Frage, dann weißt du ja wo wir sind. Erst wenn ich volles Vertrauen habe, wirst du es erfahren.“
„Und deine Freundin Betti? Die weiß aber wo es liegt.“
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