Gerhard Ebert
WOLLUST ACH - Uwe, der Student
Report
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gerhard Ebert WOLLUST ACH - Uwe, der Student Report Dieses ebook wurde erstellt bei
1.Das neue Leben
2.Liebe als Abenteuer
3.Knutschen im Kollektiv
4.Einfach so im Stehen?
5.Küsschen in der „Melodie“
6.Das erotische Magazin
7.Hast du Lust?
8.Wärmflasche mit Ohren
9.Ist der Trieb für die Liebe zuständig?
10.Anders herum?
11.Damenwahl
12.Fatale Niederlage
13.In Weimar kein Puff
14.Nackt unterm Rock
15.Mein Leipzig lob ich mir
16.Weinen vor Glück
17.Intermezzo in der Muldentalbahn
18. Bockmist
19.Stets aus vollem Herzen
20.Die kleine Ziemann
21.Eine heiße Pforte
22.Zwischen zwei Frauen
23. Zärtlich brutal
Impressum neobooks
Im Spätsommer saß Uwe eines Morgens erwartungsfroh und durchaus auch ein wenig stolz im D-Zug nach Weimar. Er fuhr zum Studium der Theaterwissenschaften am renommierten Deutschen Theaterinstitut auf Schloss Belvedere. Und während der Zug durchs Thüringer Land ratterte, wanderten die Gedanken zurück. Er sah seinen ehemaligen Chef vor sich, den Herrn Berger, der ihn nach seiner Rückkehr von der Prüfung mit seinen blanken Äuglein unter struppigen Brauen erwartungsvoll angeblickt hatte. Uwe hatte ihm sagen müssen, dass er angenommen und auch gesonnen sei, in Weimar anzufangen. Er versteckte sich ein wenig hinter Vater. Mit ihm habe er alles noch einmal besprochen. Und er habe ihm geraten, sich in diesen unvergleichlichen Zeiten nicht auf ein so ungewisses Geschäft einzulassen. Herr Berger hatte nur müde genickt, „ja, ja“ gemurmelt und gesagt, dass er alles verstehe. Er spüre sehr wohl: Die Zeiten des Handwerks seien vorbei. Wer wisse, ob in einigen Jahrzehnten oder gar schon Jahren überhaupt noch Schriftsetzer gebraucht werden. In Amerika werde gewiss schon daran herumgedoktert, künftig alles elektrisch zu machen. Er werde seine Druckerei schließen und sein Blei verramschen müssen. Das war bitter, gewiss. Uwe hatte stumm gestanden und nichts zu sagen gewusst. „Alles Gute, mein Junge!“ hatte der Chef gesagt. Er war eben ein Lieber! So war Uwe denn doch irgendwie im Guten ausgeschieden.
Auch seine „Film-Karriere“ hatte Uwe beendet. Er hatte dem Chef der Film-Form GmbH, dem Herrn Güntler, mit einer gewissen Genugtuung geschrieben, dass er vorerst aus dem Film-Schreibkurs aussteige, weil er im Begriff sei, ein Studium zu beginnen. Das werde ihn gewiss so beanspruchen, dass fürs Schreiben als reinem Luxus keine Zeit mehr zur Verfügung stehen werde.
Ja, es war toll, angenommen zu sein! Aber er durfte sich keinen Illusionen hingeben. Auch jetzt hämmerte er sich den Vorsatz ein, die Dinge grundsätzlich so zu nehmen, wie sie kommen würden und nicht zu lamentieren. Auf keinen Fall wollte er sich gehen lassen, wenn dies oder jenes schief gehen sollte. Was ja wohl nicht zu vermeiden sein würde.
Das ruhige und entspannte Sitzen im sanft rüttelnden Wagen führte indessen zu einem Ereignis, das Uwe gnadenlos aus seinen Erinnerungen ins aktuelle Dasein holte. Sein arg vernachlässigter kleiner Uwe machte nämlich so unverkennbar wie nachhaltig auf seine Existenz aufmerksam. Ohne dass Uwe auch nur irgendwie eine gegenteilige Maßgabe hätte an ihn richten können, forderte sein Schwengel in der Hose Beachtung ein und begann, sich aufzurichten. Welche im Moment ganz und gar ungewollte Aktivität Uwe brutal unterdrückte, indem er rasch aufstand und aus dem Abteil hinaus in den Gang trat. Dort stellte er sich nah an ein Fenster, um die unerwünschte Erhebung möglichst unsichtbar zu machen. Aber die Gefahr ging rasch vorüber. Sein lüsterner Schlingel nahm übel und sackte in sich zusammen.
Uwe indessen blieb höchst nachdenklich zurück. Ihm war von der Natur soeben ein überdeutliches Signal zuteil geworden. Und das hieß, künftig trotz aller Studiererei nicht zu vergessen, dass auch gelebt werden musste, und zwar ganz besonders in bestimmter Hinsicht. Uwe war bewusster denn je, dass er einen mächtigen Nachholbedarf hatte. Nachdenklich ging er zurück ins Abteil. Die paar Leute, die dort saßen, hatten wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass er kurz draußen gewesen war. Nun saß er wieder in seiner Ecke und schwor sich, das Thema Sex endlich und endgültig nicht mehr nur von der theoretischen Seite anzugehen. Die Theorie, nahm er sich vor, sollte fortan der Theaterwissenschaft vorbehalten sein, und die Praxis seinem Geschlecht. Sozusagen!
Und er ahnte gleichsam greifbar, da würden so oder so noch viele Enttäuschungen zu verkraften sein. Denn eine wirklich liebreizende Frau, die ihm geradezu mystische Schauer durch den Körper jagte, wenn er sie nur sah, lief höchstwahrscheinlich nicht auf den Straßen von Weimar herum. Und wie es damit auf Belvedere bestellt war, wusste er ja schon aus eigener Anschauung. Möglicherweise, gestand er sich ein, waren seine Sehnsüchte nach einer schönen Frau einfach nicht von dieser Welt, weil total fern jeder Realität. Wie auch immer, er musste ran an das Problem, musste verhindern, als schrulliger Intellektueller zu enden.
Die neuerliche Beschäftigung mit Thema eins der Männer hatte Uwe die Reise nach Weimar verkürzt. Als er auf Belvedere eintraf, erwartete ihn die erste Überraschung. Er würde gar nicht in einem der Kavaliershäuser unterkommen, sondern in einem zusätzlich angemieteten Wohnhaus am Rande von Weimar. Er sollte sein Gepäck deutlich kennzeichnen, es würde vom Fahrer zum Ratstannenweg gebracht. Er selbst sollte sich schon mal zu Fuß auf den Weg machen; denn Studenten des 2.Studienjahres seien schon vor Ort und würden ihn im Empfang nehmen. So trabte er denn los und machte die erste Bekanntschaft mit seinen künftigen Kommilitonen.
Der kleine Trupp, der sich gebildet hatte, suchte zunächst einmal mit Mühe, die Unterkunft zu finden. Am Restaurant Falkenberg waren sie nach links abgebogen, von wo es nachhaltig bergauf ging, und die Max-Liebermann-Straße erwies sich als elend lang. Sie hatten schließlich fast eine Stunde gebraucht, bis sie nach ein, zwei unnötigen Umwegen endlich an dem für damalige Verhältnisse wohlerhaltenen, schmucken Haus anlangten.
So viel stand schon mal fest: Der tägliche Fußmarsch hoch nach Belvedere würde, was die Gesundheit betraf, gewiss gut sein, was jedoch den Zeitaufwand betraf, mehr als ärgerlich. Die launig theatralische Begrüßung vor Ort indessen ließ solche Abwägungen erst einmal vergessen. Für die Studenten standen Erdgeschoss und erstes Stockwerk mit Bad und Küche zur Verfügung. Natürlich hatte das ältere Semester, das sie jetzt so fröhlich begrüßte, bereits die Einzelzimmer belegt, und Uwe fand sich in einem Eckzimmer für drei Personen wieder. Seine Mitbewohner: Heinrich aus dem fernen Mecklenburg und Erich aus dem nahen Halle. Für jeden standen ein Bett, ein Schrank, ein Tisch und ein Stuhl zur Verfügung. Nun lag es an ihnen, daraus etwas zu machen.
Studium! Neben allerhand Theorie überraschend auch Praxis. Vor allem das Stanislawski-Seminar! Die Leitung der Hochschule war der Meinung, dass künftige Dramaturgen und Regisseure auch einmal auf der Bühne gestanden haben sollten, und wenn es die einer Probebühne an einer Schule gewesen war. Für Uwe eine arge Herausforderung. Er ahnte, dass ihm die Schauspielerei Ärger machen würde. Weil er wusste, dass er im Grunde total verklemmt war. Und nicht nur ein kundiger Dozent, auch seine Mitstudenten würden das zu sehen bekommen. So kam es denn auch. Und das war echt demütigend.
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