›Dennoch gibt man nicht einfach auf. Ist es eigentlich strafbar, auf dem Bürgersteig ein Feuer zu machen? Der Bus kommt einfach nicht und ich sterbe wirklich gleich.‹ , kam die verzweifelt klingende Antwort.
›Wie wäre es mit einem Taxi?‹, tippte er während er an einer Ampel stand . Er fuhr an einer Bushaltestelle vorbei, an der vier, fünf Leute auf den Bus warteten. So durchgefroren wie sie musste auch Emmett gerade aussehen.
›Das ist keine Option. Ich spare auf Watch-It, schon vergessen?‹
›Stimmt. Dann müssen warme Gedanken her. Ein Kamin, ein warmes Winterbett, jemand Nacktes, Warmes, Weiches liegt im Bett und wartet auf dich...‹ Leise lachte Emmett auf als er diese Antwort las und die Frau neben ihm sah irritiert zu ihm. Das war Mr. M's Art. Er schien gerne anzüglich zu werden, aber nicht auf eine abstoßende Art. Es wirkte eher keck.
› Nett, aber unwahrscheinlich. Was machst du gerade? Warum sitzt du in einem Taxi?‹ Er übernahm einfach das Du. Vielleicht war es jetzt an der Zeit, dass sie zumindest dieses förmliche Sie hinter sich ließen. Dann fiel ihm etwas ein. › Emmett ‹, tippte er noch hinterher.
›Ein schlechter Versuch, ich heiße nicht Emmett .‹, schrieb Matthew zuerst zurück, diesmal bekam er die Möglichkeit durch einen sich bildendenden Stau an einer Baustelle an der es kaum voran ging. › Ich fahre zu einem Termin mit Investoren, die hoffentlich meine Geschäftsidee genauso gut finden wie ich.‹
Emmett verkniff sich ein Glucksen. › Es wäre auch merkwürdig, wenn du genau so heißen würdest wie ich. Aber wenn wir jetzt zum Du übergehen, dann möchte ich, dass du meinen Vornamen kennst. Und ich drücke dir die Daumen.‹ Er wusste nach wie vor nicht, was Mr. M beruflich machte und er wollte auch nicht fragen. In den letzten Wochen war es immer oberflächlich geblieben oder sehr, sehr tief gegangen, jedoch ohne Details preiszugeben, die Rückschlüsse zuließen. Das schien diese Nachrichten-Beziehung auszumachen.
›Oh.‹ , schrieb Matthew lachend. › Darf ich dich trotzdem weiterhin Johnny nennen, Emmett? Der Name ist mir ans Herz gewachsen. Du kannst mich auch weiterhin Mr. M nennen, auch wenn du gleich weißt, dass ich Matthew heiße.‹
Lächelnd tippte Emmett die Antwort, nachdem er sich nach dem Bus umgesehen hatte, der nach wie vor nicht auszumachen war. So langsam färbten sich seine Finger rot vor Kälte, aber er hatte nicht vor, mit dem Schreiben aufzuhören.
› Du kannst mich weiterhin so nennen. Kann ich dich Matt nennen?‹ Schmunzelnd tippte er auf Senden. Irgendwie ahnte er, dass das dem Älteren nicht gefallen würde. Aber er konnte sich täuschen. Es war nur ein Gefühl.
Matthew runzelte die Stirn, während der Verkehr jetzt Nahezu zum Stillstand kam. › Auf gar keinen Fall! Hey, wehe du erfrierst. Trink ein heißes Getränk, Wärme von innen ist wichtig, Emmett.‹ Es las sich merkwürdig, nicht mehr Johnny zu denken, sondern einen richtigen Namen zu haben... Apropos! Matthew änderte den Kontakt zum dritten Mal. › Es kann übrigens sein, dass es an deinen Flirtpartnern liegt, dass du bei denen nicht landen kannst. Wenn du in einer Stadt wie der lebst, in der ich gerade lebe zumindest. Die Menschen sind hier...merkwürdig.‹
›Du lebst aber nicht in Texas, oder?‹ , kam die kurze und amüsante Antwort. Matthew gluckste. Er konnte aber erst antworten, nachdem er sein Ziel erreicht hatte, denn die Fahrt ging weiter, die Kolonne schob sich an der Baustelle vorbei.
› Nein. -So- merkwürdig sind sie dann doch nicht. Nur etwas kühl.‹ Er verließ den Wagen, nachdem er sich in eine Parklücke gequetscht hatte, betrat das Restaurant und in den nächsten zwei Stunden ignorierte er das Handy und konzentrierte sich voll und ganz auf die beiden Männer, die ihm beim Essen Gesellschaft leisteten. Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können: Mr. Finnigan war klein und gedrungen und Matt fragte sich mehrmals, ob dieser Mann überhaupt einen Hals hatte. Er interessierte sich hauptsächlich für das Essen, fragte, ob es auch eine Nachspeise geben würde und war allein damit zufrieden, gut bekocht zu werden. Seine Begleitung Mr. Anderson dagegen war für das Geschäftliche zu haben. Groß und schlaksig füllte er seinen Anzug nur dadurch aus, dass das Kleidungsstück diesem Körper angepasst worden war. Die Reste, die auf seinem Teller zurückblieben, hätten noch einige hungernde Kinder satt bekommen, doch dafür unterhielt er sich die ganze Zeit mit Matt über dessen Investitionsmöglichkeit, wodurch dieser kaum zum Essen kam.
›Gut. In Texas lebt man ziemlich gefährlich. Mein Bus kommt! Ich bin gerettet. Viel Erfolg!‹ Damit konnte Emmett endlich in das geheizte Gefährt einsteigen und nach Hause fahren und als er im Warmen saß und seine Finger wieder auftauten, wäre er auch nicht mehr in der Lage gewesen, eine weitere Nachricht zu tippen. Der Schmerz war enorm und er nahm sich vor, nie wieder bei solchen Temperaturen eine längere Unterhaltung per Nachrichtenprogramm über das Handy zu führen. Er hing an seinen Fingern und noch viel wichtiger: Er brauchte sie. Denn sie waren es, die die Geschichten zu Papier brachten und ihm am Ende des Monats die Miete zahlten. Und bald hoffentlich auch wieder Watch-It.
Auch in den nächsten Tagen schrieben sie sich immer wieder Nachrichten. Die Kälte zog noch einmal an und der Wind zog schneidend und eisig kalt um die Häuserecken. Matthew kaufte sich nicht nur eine Mütze, sondern auch einen dickeren Mantel und mehrere Paar wärmende Socken. Von denen konnte er nicht genug haben, denn in der nächsten Zeit würde er öfter im Anzug unterwegs sein.
Ausnahmsweise einmal nicht im Anzug, sondern in Jeans, Boots, Henley-Shirt und Pullover fuhr er am folgenden Freitag zu seiner Schwester Liz und seinem Neffen Noah. Nach nur anderthalb Stunden Aufenthalt dort zog er wütend die Autotür hinter sich zu. Mit der flachen Hand schlug er mehrmals auf den oberen Teil des Lenkrads und spürte, wie sein Herz in seiner Brust hämmerte. Dann zog Matthew sein Blackberry heraus und tippte wütend eine Nachricht, die einige Tippfehler enthielt: › Warum müsden Familirn immer so kpmpliziert sein?!‹ Manchmal fragte er sich, wieso er nicht einfach Daniel schrieb. Gut, er war weggezogen, aber sein Kumpel hatte immer ein offenes Ohr für ihn gehabt und hatte es auch jetzt noch. Dennoch erschien es Matthew in Momenten wie diesen sehr viel einfacher, einem Fremden zu schreiben als einem Freund, der seine Schwester und ihn so genau kannte. Es war nicht so, dass er mit Dan überhaupt keinen Kontakt mehr hatte, im Gegenteil. Sie skypten hin und wieder, schrieben, telefonierten mindestens einmal die Woche ohne sich abzusprechen. Matthew rammte den Autoschlüssel ins Schloss und startete den Motor, weil er genau wusste, dass Liz ihn noch beobachtete. Wäre es nicht so glatt gewesen, wäre er vermutlich mit quietschenden Reifen losgefahren. So drehten sie nur durch, bis sie Grip fanden. In der nächsten Querstraße hielt er wieder an und drehte den Schlüssel so weit, dass der Motor zwar erstarb, die Musik aber noch lief. Er war zornig, nicht lebensmüde, deshalb fuhr er nicht weiter.
Dieses Mal las Emmett die Nachricht sofort. Das Handy hatte neben ihm gelegen als hätte er geahnt, dass Matt ihm schreiben würde. Er legte das lektorierte Manuskript zur Seite und blinzelte dann irritiert als er die Nachricht entschlüsselt hatte, die der Fremde ihm geschrieben hatte.
› Was ist passiert?‹
Matthew seufzte auf, als das Handy vibrierte und war dankbar dafür, dass Emmett heute sofort antwortete. › Ich war zum Essen bei meiner Schwester und wir sind ins Streiten geraten.‹ Er war froh, dass seine Nachrichten inzwischen wieder fehlerfrei waren. › Ich hasse es, wenn Menschen so sehr auf ihrem Standpunkt beruhen, dass jedes Argument wie gegen eine Steinmauer geschickt erscheint.‹
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