»Bogenschützen!«, befahl Callimachus nun.
Wir näherten uns der ersten Galeere und schossen Pfeile in ihre Richtung. Daraufhin zog sie sich zurück.
»Dort sind noch weitere«, sagte ein Mann und wies uns die Richtung.
Wir bewegten uns entlang der Kette und trafen auf eine Piratengaleere, die auseinandergebrochen und verlassen war. Sie war beim Versuch, über die Kette zu fahren, gebrochen.
»Einen Pasang hinter uns befindet sich eine Piratengaleere«, rief ein Mann achtern auf dem Vordersteven.
»Wir bleiben an der Kette!«, befahl Callimachus.
»Sie scheint Schlagseite zu haben«, rief der Mann. »Ich glaube, sie ist angeschlagen.«
»Wir bleiben an der Kette!«, wiederholte Callimachus.
Ich lächelte. Callimachus war ein guter Kommandeur. Er würde sich von seinem Posten nicht weglocken lassen. Ein Schiff kann den Anschein erwecken, Schlagseite zu haben, indem man den Ballast im unteren Deck neu positioniert. Wenn das Schiff wirklich angeschlagen war, bezweifelte ich, dass es wirklich Schlagseite hatte. Ein Kampfschiff mit Rudern ist selten hilflos. Auch wenn das Schiff angeschlagen ist, stellt es keine unmittelbare Gefahr dar. Und wenn es nicht angeschlagen ist, muss man es nur beobachten. Um isolierte Schiffe kann man sich nach und nach kümmern. Unsere Pflicht galt der Kette. Der, der seine Verteidigungslinie verlässt, schließt einen schlechten Pakt mit dem Schicksal.
»Schaut, dort!«, rief der Offizier, der mit Callimachus auf dem Vordersteven stand, und zeigte nach vorn, einen halben Strich über dem Steuerbordbug.
Callimachus nahm dem Offizier das Glas der Erbauer ab. »Es ist die Sita aus Jorts Ferry«, sagte er. »Und die Tais aus Port Cos.«
»Sie haben Notsignalflaggen gehisst«, erklärte der Offizier.
»Beidrehen!«, befahl Callimachus.
»Das kann nur eine Sache bedeuten«, stellte der Offizier fest, während
Callimachus das Glas der Erbauer schloss.
Jetzt konnte ich den Klang von Hörnern hören, der in unsere Richtung trieb.
»Bestätigt!«, befahl Callimachus. Flaggen wurden auf dem Vordersteven gehisst.
Ich konnte die Signale der Hörner nicht interpretieren. »Was ist los?«, rief ich zu Callimachus hinauf.
»Das musste passieren«, sagte er.
»Was?«, wollte ich wissen.
»Es ist im Norden passiert«, erwiderte er.
»Was?«, fragte ich erneut.
»Die Kette wurde durchbrochen«, gab er mir zur Antwort. Ich hielt mich an der Reling fest und schaute nach achtern. Die Sita und die Tais waren jetzt deutlich zu erkennen.
»Wo sind die Talia , die Thenta , die Midice , die Ina , die Tia?« , fragte der Offizier.
»Ich sehe sie nicht!«, entgegnete Callimachus und reichte dem Offizier das Glas der Erbauer. »Siehst du sie?«
»Nein!«, entgegnete der Offizier. »Nein!«
»Viertelschlag!«, befahl Callimachus.
»Viertelschlag!«, rief der Offizier dem Rudermeister zu.
»Viertelschlag!«, befahl dieser seinen Männern.
Die Sita und die Tais lagen nun querschiffs, backbord.
Wir bewegten uns nach Süden, entlang der Kette.
Callimachus stieg vom Vordersteven hinab und ging zwischen den Bänken hindurch nach hinten zum Heck. Ich begleitete ihn. Er trug das Glas der Erbauer.
»Da waren sieben Schiffe«, sagte ich. Ich stand neben Callimachus am Heck.
»Vielleicht haben einige überlebt«, mutmaßte er.
»Ich sehe Schiffe«, sagte ich und zeigte nach achtern. Am Horizont zeichneten sich Punkte ab.
Callimachus reichte mir das Glas der Erbauer. »Schiffe des Voskjard«,
sagte ich.
»Ja«, bestätigte er.
»Anscheinend hat Voskjard mehr als fünfzig Schiffe«, stellte ich fest. Ich hatte mindestens vierzig gezählt. Und es befanden sich noch einige mehr, wie ich wusste, hier und da an der Kette.
»Die Information von Callisthenes war anscheinend falsch«, stellte Callimachus fest. »Das ist ein schmerzlicher und unwillkommener Makel in unserem Informationssystem.«
»Wie viele könnten da sein?«, wollte ich wissen.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Sechzig, hundert?«
»Wir können es niemals mit solchen Schiffen in einer offenen Schlacht aufnehmen«, stellte ich fest.
»Port Cos muss kämpfen, wie es dies noch nie zuvor getan hat!«, erwiderte Callimachus.
»Sie beeilen sich nicht«, entgegnete ich, denn ich hatte die Ruderschläge per Ehn gezählt.
»Sie möchten die Ruderer nicht ermüden«, erwiderte Callimachus. Ich reichte ihm das Glas der Erbauer.
»Port Cos ist die Hoffnung des Vosk«, erklärte er. »Wir aus Ars Station und die unabhängigen Schiffe müssen ihnen im Kampf beistehen!«
»Die Chancen sind erdrückend«, erwiderte ich. »Können sie gewinnen?«
»Sie müssen!«, entgegnete Callimachus.
»Zumindest werden sie von einem Mann wie Callisthenes befehligt«, sagte ich.
»Seine zwanzig Schiffe, die von der südlichen Wachstation einberufen wurden, werden ausschlaggebend sein«, sagte er.
»Wir werden jedes einzelne brauchen, wenn wir uns aufstellen«, sagte ich. »Ohne sie wird es ein Gemetzel geben!«
»Mit ihnen, trotz der Chancen der Piraten«, sagte Callimachus, »könnte sich das Blatt noch zu unseren Gunsten wenden.«
»Du scheinst besorgt zu sein«, stellte ich fest.
»Ich hoffe nur«, sagte er, »dass die Kette nicht auch südlich von uns durchtrennt wurde.«
»Wir haben sie gut beschützt, solange wir konnten«, entgegnete ich.
»Lass uns hoffen, dass die Zeit, die wir investiert haben, gut genutzt war.«
Ich erschauderte. »Das hoffe ich auch!« Wenn unsere Flotte keine Zeit hätte, um sich zu sammeln, wäre es wirklich ein tragischer Tag für unsere Truppen auf dem Vosk. Die Planken unserer Flotte würden den Fluss bis zum Hafen von Turmus übersäen.
»Hast du Anweisungen für mich?«, fragte ich.
»Schärfe dein Schwert«, entgegnete er. »Und hol dir so viel Schlaf, wie du bekommen kannst.«
»Jawohl, Kapitän«, erwiderte ich und wandte mich von Callimachus ab.
»Freust du dich auf den Kampf?«
»Ja«, erwiderte ich, ohne ihn anzusehen.
»Das ist interessant«, stellte er fest.
»Ist es von Bedeutung?«
»Vielleicht.«
»Was hat es zu bedeuten?«, fragte ich nach.
»Denkst du, du wirst vor dem Kampf schlafen können?«, fragte er.
»Natürlich!«, erwiderte ich. »Warum? Sind diese Dinge wichtig?«
»Was denkst du?«
»Ich weiß es nicht.«
»Schärfe dein Schwert«, wies er mich erneut an. »Und hol dir so viel Schlaf, wie du bekommen kannst!«
»Ja, Kapitän«, sagte ich, stieg die Treppen hinab und ging auf den Bug zu. Die Ruderer arbeiteten nur im Viertelschlag. Ich setzte mich in die Nähe meiner Ausrüstung und schärfte für eine Weile mit einem Stein die Waffe, die ich trug. Als ich fertig war, überzog ich den Stahl mit einer leichten Ölschicht, damit er vor Rost geschützt war.
Dann legte ich mich nieder auf das geschliffene Deck, ganz in der Nähe der Steuerbordreling und eines aufgerollten Seils, und schlief bald ein.
4Der Keil; Rammbock und Scherklinge
»Wie viele sind da?«, hörte ich einen Offizier Callimachus fragen, über und hinter mir, auf dem Deck des Vorderstevens.
»Zweiundvierzig«, erwiderte er.
Wir lagen, zweiundzwanzig Schiffe, in einer Doppelreihe. Unsere Ruder waren eingezogen.
»Die Kette hat gehalten«, sagte ein Mann in meiner Nähe.
»Ja«, erwiderte ich.
Im Norden wurde sie durchbrochen, aber hier, näher zum südlichen Ufer des Vosk, hatte sie gehalten. Das erlaubte uns, uns zu gruppieren. Auch war die linke Flanke unserer aktuellen Position noch immer von den gigantischen Gliedern der Kette aus Cos geschützt, die zum Vosk transportiert worden war und zwischen mächtigen Masten hing.
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