Ich sah, wie Callimachus seine Hand hob. Hinter ihm würde ein Offizier das Signal weiterleiten. Unter den Stufen des Vorderstevens, unter dem Steuerdeck, würde der Rudermeister Ausschau halten. Die Ruder befanden sich bereits außenbords. Ich bezweifelte, dass eine der Galeeren so dumm sein würde, seitwärts auf die Kette aufzulaufen.
Ich konnte meinen Augen fast nicht trauen. War es, weil die Flagge von Victoria über unserem Vordersteven wehte?
Ich sah, wie die Hand von Callimachus nach unten fiel, fast wie ein Messer. Augenblicklich wurde das Signal weitergeleitet, die Tina schoss nach vorne.
In weniger als einer Ehn erreichte sie die Kette. Der eiserne Rammbock glitt knirschend über die Kette und traf das gegnerische Schiff in der Mitte. Die Planken des Rumpfes zersplitterten. Männer schrien auf. Durch den Aufprall wurde ich von den Beinen gerissen. Ich hörte noch mehr Holz splittern, als wir uns rückwärtsrudernd von dem Schiff entfernten, der Rammbock bewegte sich in der Wunde. Ich hörte, wie das Wasser in das andere Schiff schoss, ein schnelles, schweres Geräusch. Es würde sinken. Ein schwerer Stein, von irgendeinem Katapult, schlug auf dem Deck neben mir ein, abgefeuert von einer anderen Galeere. Ein Speer, geteert und brennend, löste sich aus seiner Verankerung und flog Richtung Vordersteven. Pfeile flogen durch die Luft. Dann zogen wir uns zurück und entfernten uns ungefähr fünfundsiebzig Fuß von der Kette. Einige Männer hielten sich an der Kette fest. Ich hörte einen Mann irgendwo hinter mir stöhnen. Ich zog den Speer aus dem Vordersteven und warf den noch immer brennenden Speer über Bord.
Hier und da entlang der Kette konnten wir weitere Galeeren sehen, die sich seitwärts an die Kette stellten und Männer in kleinen Booten, die mit Werkzeugen an den großen Kettengliedern sägten.
Binnen weniger Augenblicke hob und senkte sich die Hand von Callimachus. Erneut bohrte sich der Rammbock tief in die Planken eines feindlichen Schiffes. Und wieder zogen wir uns zurück.
Eine Tonkugel, entflammt mit Pech, schoss über unser Deck und schlug ein. Eine weitere fiel zischend ins Wasser zu unserer Steuerbordseite. Unsere eigenen Katapulte erwiderten das Feuer mit Pech und Steinen. Mit Sand löschten wir das Feuer.
»Sie werden sich jetzt zurückziehen«, sagte Callimachus zu einem Offizier, der neben ihm stand. »Wir werden sie mit dem Rammbock nicht mehr erreichen können.«
Noch während er sprach, konnte ich beobachten, wie einige der Piratenschiffe sich zurückzogen, noch immer seitlich zur Kette gedreht, aber weit genug entfernt, sodass unser Rammbock sie nicht mehr erreichen konnte.
Vor unserem Bug konnten wir ein Piratenschiff durch das schlammige Wasser des Vosk gleiten sehen. Kleine Boote erreichten die Kette.
Wir bewegten uns wieder nach vorn. Pfeile hagelten auf unser Deck.
»Bogenschützen!«, rief Callimachus.
Wir selbst ließen einen wahren Pfeilregen auf das am nächsten gelegene Beiboot niederprasseln. Zwei Männer fielen vom Boot ins Wasser. Andere sprangen freiwillig und schwammen zum Bug des nahe gelegensten Piratenschiffes.
»Lasst sie nicht in die Nähe der Kette!«, befahl Callimachus den Bogenschützen. Wir drehten und wollten ein weiteres Beiboot bedrohen, das jedoch nicht auf uns wartete, sondern sich hinter die nächste Galeere zurückzog.
Ich beobachtete die Flugbahn einer mit brennendem Pech gefüllten Schale, die einen Rauchschweif hinter sich herzog und dann mit einem zischenden Geräusch ganz in unserer Nähe im Wasser landete.
»Feuer einstellen! Ruhig!«, rief Callimachus. Später befahl er: »Zurückrudern!«
Ab und an wurde ein Stein oder eine Kugel aus Pech in unsere Richtung geschleudert, aber keines dieser Geschosse erreichte uns.
Callimachus suchte die Kette mit dem Fernglas ab. »Seht, Leute«, rief er, »wie wenig Respekt sie vor uns haben!«
Ich und einige Männer gingen zum Bug. Ungefähr fünf Beiboote passierten die Kette.
»Auf Position, Männer!«, lachte er.
Ich hatte keine feste Position und blieb daher am Bug stehen. Die anderen, in erster Linie Ruderer, kehrten auf ihre Plätze und zum Heck zurück. Die Männer in den Beibooten trugen Schwerter und Enterhaken. Dachten sie wirklich darüber nach, uns anzugreifen? Unsere Galeere, wie die meisten der goreanischen Konstruktionen, war lang und flach gebaut, aber die Verschanzung ragte noch immer über die einfachen Beiboote.
Die Tina stach auf die Kette zu. Wir fuhren über das erste Beiboot hinweg, zerstörten es. Heck und Bug wurden in die Luft gehoben; die Mannschaft schrie und sprang ins Wasser. Ein weiteres Boot stieß mit den Rudern auf unserer Steuerbordseite zusammen und kenterte. Die anderen drei flohen zurück zur Kette.
Ich erkannte, dass ihre Aktion dazu gedient hatte, uns abzulenken und zu beschäftigen, während weitere Beiboote hinter geflochtenen Abschirmungen, wie jenen, welche die Bogenschützen verwenden, entlang der Kette befestigt lagen. Hinter diesen Abschirmungen sah man schemenhafte Gestalten mit Sägen an der Kette arbeiten. Die Ablenkung war jedoch zu kurz gewesen.
Wieder fuhr die Tina auf die Kette zu und drehte sich breitseits zur Kette. »Feuer!«, rief Callimachus. Pfeile trafen auf die schweren Korbabschirmungen und, obwohl sie etwa einen Fuß in das Material eindrangen, richteten sie wenig Schaden an.
Die Schäfte der Pfeile wurden von dem schweren Korbmaterial abgefangen. Zudem beschützten die Piratengaleeren jetzt ihre Beiboote und konterten mit heftigem Gegenfeuer. Die geflochtenen Abschirmungen unserer Bogenschützen waren ebenfalls mit Federn und Holz übersät.
Ein schwerer Stein brach einen Teil der Reling am Vordersteven der Tina weg.
»Näher! Näher!«, schrie Callimachus.
Ich hörte das Zischen und Schnappen unserer Katapulte, die verdrehten Leinen lösten sich. Als das größte abgefeuert wurde, konnte ich die Vibration unter meinen Füßen auf dem Deck spüren. Flammendes Pech flog in unsere Nähe. Pfeile schwirrten wild durch die Luft. Plötzlich erschien ein Arm über der Reling und ein wassertriefender Mann kletterte an Bord. Ich empfing ihn mit meinem Schwert, kämpfend und tretend zwang ich ihn wieder über Bord. Brennendes Pech explodierte jetzt aus einem Gefäß aus Ton, welches über das Deck schlidderte. Kampfhörner waren aus allen Richtungen zu hören. Nicht mehr als ein Dutzend Fuß entfernt, konnte ich ein Beiboot der Piraten hinter der Kette ausmachen, geschützt durch die geflochtenen Abschirmungen. Steine und Pech flogen zwischen den Schiffen hin und her und explodierten. Deutlich konnte ich die Augen der Piraten erkennen, nicht mehr als ein paar Fuß entfernt, durch die Kette und nur wenig Wasser voneinander getrennt. Ein Mann mit dem Bogen in der Hand erhob sich hinter der Reling des feindlichen Schiffes. Doch er fiel nach hinten, ein Pfeil steckte in seiner Brust.
Ich hörte die Kette an der Seite der Tina entlangschaben. Wir glitten an der Kette entlang und die Ruder auf unserer Steuerbordseite schlugen die geflochtenen Abschirmungen eines Beibootes, das sich zu nahe an der Kette befand, zur Seite und schwemmten Männer ins Wasser.
Ich sah Piraten auf der Galeere gegenüber, die wild ihre Fäuste in unsere Richtung schüttelten.
Die Tina drehte nun ab, jetzt, wo die Kette von den Piraten befreit war. Im Wasser schwammen die Wracks zweier Beiboote. Eine geflochtene Abschirmung trieb halb versunken hinter der Kette. Ich hörte, wie die Männer hinter mir die Flammen auf der Tina löschten.
»Zurückrudern!«, befahl Callimachus. Und die Tina entfernte sich von der Kette, ihr Bug zeigte in Richtung der Kette.
Die Piratengaleeren hatten sich ebenfalls von der Kette zurückgezogen. Es war nahe der zehnten Ahn, dem goreanischen Mittag.
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