»Wir werden um Erlaubnis bitten, das Beiboot zu Wasser zu lassen.«
»Mach das«, entgegnete ich.
Plötzlich musste ich an die Tuka denken, die das anführende Schiff in Voskjards erstem Keilangriff gewesen war. Sie war jetzt zerstört und unbemannt auf einem Balken in der Nähe der Kette gestrandet, nicht mehr als einen Pasang entfernt. Es wird behauptet, dass sie ein bekanntes Schiff des Voskjard ist. Auch ist sie eine schwere Galeere mit großem Laderaum.
»Woran denkst du?«
»An nichts«, erwiderte ich. »An nichts.«
6Wir warten auf Unterstützung von Callisthenes, die nicht kommt; die dritte Flotte Voskjards; wieder ertönen unsere Kampfhörner
Wir beobachteten, wie die Leda aus Port Cos voll an ihrem Rumpf getroffen wurde.
»Zurückrudern!«, befahl der Rudermeister.
Die Tina erbebte im Wasser und zog sich ausweichend zurück. Eine Galeere Voskjards mittlerer Klasse zog an uns vorbei; die Zähne ihres Rammbocks bekamen nichts zu fressen. Ihr Kielwasser trieb uns nach backbord ab. Ich sah eines ihrer großen Augen, das auf der Steuerbordseite, unheilvoll ans uns vorbeigleiten. Unser eigener Rammbock bohrte eine Furche, in der Länge eines Speers, in ihre Flanke, als sie passierte. Das nasse Holz knirschte. Ein Mann schrie am Hinterschiff der Portia auf. Steuerbord, nicht mehr als fünfzig Yard entfernt, fiel er, sich drehend wie eine brennende Fackel, ins Wasser. Seine Kleidung war von brennendem Pech durchtränkt.
»Zurückrudern!«, befahl unser Rudermeister. »Ruhig! Haltet ein!«
Viele Ruderbänke waren leer; Blut war auf den Bänken.
Ein Satz Speere, insgesamt fünf, ragte aus der Innenwand des Steuerrahmens auf der Steuerbordseite.
Am Hinterschiff war ein Knirschen zu hören und ein Dutzend Männer sprang von einem der Schiffe des Voskjard zu uns an Bord.
»Feindliche Eindringlinge!«, hörte ich einen Schrei.
»Bleibt auf den Bänken!«, befahl der Rudermeister.
Männer rannten an uns vorbei, um den ungebetenen Gästen am Hinterschiff zu begegnen. Ich blieb auf meiner Ruderbank, die Hände am Ruder.
»Zurückrudern!«, befahl der Rudermeister wieder.
»Die Decks sind befreit!«, schrie ein Mann.
»Die Portia wurde heimgesucht!«, rief ein Offizier.
Ich sah einen unserer Bogenschützen, in dessen Brust ein Pfeil steckte und vom Hinterschiff taumelte. Wasser schoss wie eine Fontäne in der Nähe von uns auf und markierte die Stelle, wo ein riesiger Stein, geschleudert von einem feindlichen Katapult, im Wasser versank.
Als ich durch das Ruderloch lugte, sah ich, wie sich der Bug der Leda plötzlich in einem steilen Winkel aus dem Wasser hob. Rammbock und Rumpf schimmerten von Wasser, und dann, einen Augenblick später, verschwand das Schiff zu drei Vierteln unter der Wasseroberfläche. Ihr Hinterschiff verfing sich im Matsch des Flussgrundes. Ihr Bug, an dem sich Männer festhielten, wurde von der Strömung auf die Kette zugetrieben.
»Zurückrudern!«, rief der Rudermeister.
Ein Rammbock von einem Schiff Voskjards zerschmetterte den Bug der Leda . Männer sprangen vom Bug ins Wasser, wurden im Wasser von den Ruderschlägen des Schiffes getroffen. Die Bogenschützen auf dem Schiff lehnten sich über die Reling und schossen auf die zappelnden Schwimmer. Auch an anderen Stellen sah ich Männer im Wasser kämpfen.
»Zwei Strich backbord!«, befahl ein Offizier.
Wir drehten nach backbord ab. Unser Rammbock bedrohte nun das Schiff Voskjards. Die Bogenschützen brachten sich hinter der Reling in Sicherheit. Bestürzung machte sich plötzlich auf ihrem Deck breit. Ruder wie zuckende Gliedmaßen hoben sich unregelmäßig aus dem Wasser. Wir sahen Bewegungen der Seitenruder, nicht synchronisiert zwischen dem Backbord- und Steuerbordruder. Ruder, erst ein oder zwei, dann mehrere gleichzeitig, begannen ins Wasser zu schlagen. Sie drehte sich nach backbord. Dann glitt sie hinter den zerschmetterten Rumpf der Leda . Wir stellten ihr nicht nach. Auf unserer Steuerbordseite lag eine Galeere Voskjards schaukelnd auf dem Wasser. Sie schien im Dämmerschlaf zu sein, aber wir wussten, dass sie in dem Moment, wo wir ihr unsere Flanke anboten, erwachen und uns angreifen würde. »Hüte dich vor dem Sleen, der zu schlafen scheint«, besagt ein goreanisches Sprichwort.
Einen Rauchschwaden hinter sich herziehend, schoss eine Schale mit brennendem Pech auf uns zu, abgefeuert von einem Schiff in der Nähe der Kette. Sie stürzte ins Wasser auf unserer Steuerbordseite.
»Zurückrudern, zurückrudern«!, befahl der Rudermeister. »Zurücksetzen, sanft, Männer!«
Augenblicke später hatten wir zur Olivia aufgeschlossen, die das Flaggschiff der Flotte aus Ars Station gewesen war und unter dem Kommando von Aemilianus stand. Sie und die Portia waren die letzten der ursprünglichen zehn Schiffe gewesen, welche die kleine Flotte gebildet hatten. Die Portia war jetzt verloren. Auf der Steuerbordseite der Olivia lag die Tais aus Port Cos, schlank, ramponiert, unermüdlich, wehrhaft, die die Mitte unserer Linie hielt. Auf ihrer Steuerbordseite lag die Talender aus Fina und die Hermione , eine Kriegsbeute, gewonnen in der Schlacht, bemannt mit Soldaten aus Ars Station.
»Wir halten keinem weiteren Angriff stand!«, sagte ein Mann.
Wir lauschten auf die Signalhörner der Flotte Voskjards.
»Sie ziehen sich zurück«, stellte ein Mann fest.
»Vielleicht verlassen sie uns«, mutmaßte ein anderer.
»Sie gruppieren sich neu«, sagte ein Mann.
»Es wird einen erneuten Angriff geben«, befürchtete jemand.
»Natürlich«, stimmte einer zu.
Wir hatten den Morgen mit elf Schiffen begonnen. Jetzt hatten wir noch fünf — aus Port Cos hatten wir die Leda und die Tais ; aus Ars Station die Olivia und Portia und vier Beuteschiffe; aus Fina hatten wir die Talender , aus Victoria die Mira und Tina . Von diesen elf Schiffen waren vier übriggeblieben, die Tais, Olivia, Talender und Tina . Unser fünftes Schiff, das unsere kleine Flotte komplett machte, war die Hermione , die erbeutet wurde. Diese fünf Schiffe, diese kleine, unruhige, schlanke Linie war alles, was wir der Macht Voskjards entgegenstellen konnten, einer Macht aus rund achtundzwanzig oder neunundzwanzig Schiffen, die sich vor unseren Bugs neu formierte.
»Die Tais sollte fliehen«, sagte ein Mann neben mir, ein Bürger aus Victoria, ein Überlebender der Mira .
»Sie bleibt in der Linie«, erwiderte ein Mann.
»Wer hätte das von den Sleens aus Cos erwartet«, sagte ein Soldat aus Ar neben mir, einer von den Männern, die wir an Bord holten, als die Alcestis sank, die gestern als Beute von den Männern aus Ar eingenommen worden war. Ohne diese Männer hätten wir niemanden für unsere Ruder.
»Interessant«, sagte einer seiner Gefährten.
»Vielleicht gibt es außerhalb von Ar doch so etwas wie Mut«, mutmaßte ein anderer.
»Die Sleens aus Cos haben gut gekämpft«, stellte jemand fest.
»Ja«, stimmte man ihm zu.
»Wo ist Callisthenes?«, wollte der Mann von der Mira wissen.
»Ich weiß es nicht«, gab ich ihm zur Antwort.
»Wir haben keine Steine und kein Pech mehr«, stellte ein Mann fest.
Der Klang von Kampfhörnern schallte über das Wasser zu uns herüber.
Ich beobachtete, wie ein Bogenschütze mit einem Messer einen Pfeil aus dem Holz des Vorderschiffes befreite. Er ging dabei vorsichtig vor, um ihn nicht zu beschädigen.
»Sie haben jetzt Flaggen an ihrem Vordersteven gehisst«, stellte ich fest.
»Bald ist es soweit«, sagte ein Mann.
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